Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen wir uns davon nicht irritieren. Vorhin war es, glaube ich, der Innenminister, der genauso anfing und fragte: Ist es überhaupt klug, darüber zu reden? – Ja, Herr Innenminister, es ist eigentlich nicht klug, darüber zu reden; aber wenn einem in einem frei gewählten Parlament so etwas vorgetragen wird, dann muss man dagegen richtig Stellung nehmen. Das will ich hiermit intensiv, und, ich glaube, für alle anderen Fraktionen in diesem Hause getan haben. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, es gibt ein neues Landesprogramm: „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“. Dieses Programm ist am 26. Januar dieses Jahres vorgelegt worden, und an diesem Tag hat die FDP-Fraktion zu einer Expertenanhörung zum Thema Extremismus eingeladen. Dass das alles nur Zufälle sind, will ich hiermit einfach einmal positiv unterstellen.

(Holger Bellino (CDU): Ja, klar!)

Herr Kollege Bellino in seiner unnachahmlichen Offenheit hat es eben auch bestätigt.

Nichtsdestotrotz ist es klug, dass es dieses Programm gibt. Es ist klug, dass es eine Weiterentwicklung der Tätigkeiten

der schwarz-grünen Regierung gibt, die, lieber Kollege Bellino, unter Führung der CDU in einer schwarz-gelben Koalition – das Wort „FDP“ ist Ihnen eben irgendwie nicht aus dem Mund gefallen; die FDP scheint bei Ihnen geradezu zu Pickeln im Munde zu führen, deshalb nehmen Sie es nicht so wirklich in den Mund – angestoßen wurden. Ich will es einfach noch einmal betonen, dass wir das gemeinsam getan haben. Wir haben gemeinsam gewusst – darüber möchte ich jetzt sprechen, weil die Inhalte des Papiers gut sind; die Umsetzung ist hoffentlich auch gut, da muss aber noch einiges getan werden, die Bündelung ist besonders wichtig –, dass wir an unseren jeweiligen Orten immer wieder den Mann bzw. die Frau stehen müssen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir vor knapp drei Jahren herausgefunden haben, dass sich im hessischen Justizvollzug, in der JVA Hünfeld beginnend, möglicherweise ein rechtsradikales Netzwerk bildet, und dies öffentlich gemacht haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das haben Sie als Justizminister doch geleugnet! Das ist der wunde Punkt, Herr Exminister! Ihr Ministerium hat es erst geleugnet!)

Herr Schaus, tun Sie mir einen Gefallen: Wenn Ihre Erinnerung so schlecht ist, dann sollten Sie vielleicht nicht einmal mehr nachlesen, weil es ja nicht weiterhilft, wenn das Langzeitgedächtnis bei Ihnen so kaputt ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie haben es doch geleugnet!)

Wir haben es zu keinem Zeitpunkt geleugnet, sondern es aufgearbeitet.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir haben es doch schriftlich! Sie mussten dann klein beigeben!)

Herr Präsident, könnten Sie Ihren Parteifreund bitte ein bisschen – –

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Vielen Dank, Herr Präsident.

Wir haben es öffentlich gemacht. Ich kann mich daran erinnern, und das ist die Botschaft, dass dann der eine oder andere Justizministerkollege aus dem einen oder anderen Bundesland ankam und fragte: Muss das denn sein? Wollt ihr das denn jetzt wirklich noch öffentlich diskutieren? – Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es dann bewusst im Rechtsausschuss des Hessischen Landtags vorgetragen. Ich habe das bewusst gemacht, damit man hierzu auch öffentlich Stellung nehmen muss, wenn so etwas passiert. Das Bekenntnis ist wichtig; es ist wichtig, dann nicht abzutauchen. Das gilt für alle Fälle von Extremismus. Das scheint bei der jetzigen Landesregierung überhaupt keine Frage mehr zu sein.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ein bisschen traurig darüber bin ich – es ist von Herrn Bellino angesprochen worden –, dass die Professur in Frankfurt erst jetzt eingerichtet wird. Ja, es ist vollkommen richtig, dass diese Professur eingerichtet wird. Es ist vollkommen richtig, dass wir entsprechende Forschungen unterstützen, und zwar viel weitgehender, als das bisher an der Universität Frankfurt, im Jüdischen Museum und bei anderen Einrichtungen, wie dem Fritz Bauer Institut, gemacht werden konnte. Ich finde es nur schade, dass diese Profes

sur zu spät eingerichtet wurde. Die europaweit anerkannte Koryphäe, Prof. Gross, hat vorher den Weg nach Sachsen angetreten und lehrt jetzt nicht an der Goethe-Universität in Frankfurt und führt nicht das Jüdische Museum in Frankfurt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ist eine Chance vertan worden.

(Beifall bei der FDP)

Ein dritter Punkt. Voller Sorge – ich weiß, dass das nicht nur mir so geht, sondern anderen Kollegen in diesem Haus auch – haben wir in der vergangenen Woche zur Kenntnis genommen, dass es einen Wechsel in der Verantwortung der hessischen DITIB gegeben hat. Ich sage das an dieser Stelle sehr bewusst. Ja, der bekenntnisorientierte Religionsunterricht des Islam konnte aufgrund der Gutachtenlage nur deshalb in Hessen eingerichtet werden, weil die damalige Landesregierung in der DITIB einen Partner gefunden hat, der bereit war, auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland diesen bekenntnisorientierten Unterricht zu organisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich vorher schon gelesen habe, mit welchen Vorwürfen sich Herr Fuat Kurt, der damalige Vorsitzende, auseinandersetzen muss, und zur Kenntnis nehmen muss, dass die Bundeszentrale der DITIB diesen Wechsel vorgenommen hat, so widerspricht das eklatant den Ausführungen der Rechtsgutachten, die die Hessische Landesregierung damals eingeholt hat und die Grundlage für den, ich glaube, einstimmigen Beschluss des Hauses gewesen sind. Das macht mir Sorge. Das will ich an dieser Stelle auch problematisieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich deshalb zum Abschluss sagen: Der gemeinsame Antrag ist dringend notwendig; wenn er noch gemeinsamer wäre, wäre er noch besser. Wir sollten keinen Wettlauf antreten in alt und neu, oder „Das habe ich gemacht“, und „Das hast du gemacht“. Wir sollten nicht denjenigen, die ein vitales Interesse daran haben, dass es Demokratie und Rechtsstaat nicht in allen Formen gibt, die Chance geben, uns auseinanderzudividieren.

Die FDP-Fraktion wird dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen. Aber ein bisschen mehr Hinweis darauf, dass es tatsächlich eine intensive Kontinuität in der Arbeit ist und dass manches vor drei Jahren noch nicht so reif war, wie es jetzt ist, um es umzusetzen, wäre ganz schön gewesen und hätte die Gemeinsamkeit noch deutlicher gemacht. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Danke, Herr Hahn. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Beuth das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Debatte – da meine ich ausdrücklich nicht meinen Vorredner – muss man schon sagen, wenn man die Kollegen der SPD und der LINKEN gehört hat: Schade, dass die Suche nach den Gemeinsamkeiten, die wir eben in

der Salafismusdebatte hatten, die Mittagspause nicht überlebt hat. Das ist außerordentlich bedauerlich.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das war Ihr Antrag! Uns ausgrenzen und sich dann beschweren, dass es keinen gemeinsamen Antrag gibt!)

Meine Damen und Herren, in Hessen ist kein Raum für Extremismus. Wir verteidigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Werte unserer Verfassung – Herr Kollege Schaus –, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit. Auch das Demonstrationsrecht gehört mit dazu – egal, was für idiotische Forderungen, wenn sie nicht strafrechtlich relevant sind, gehören dazu.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Art. 139 Grundgesetz!)

Es ist empörend, was Sie eben gerade hier vorgetragen haben. Herr Kollege Hahn hat das „Gesinnungsstrafrecht“ genannt.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Das ist völliger Unsinn!)

Sie haben eben in der Debatte den Bogen der Verfassung verlassen. Für einige in diesem Hause ist das jedoch nicht neu.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Es ist lächerlich, wenn Sie sich so ereifern!)

Wir verteidigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden konsequent. Dazu gehören natürlich auch die Angriffe auf Asylbewerberwohnheime, die Angriffe – das sagt der Antrag der demokratischen Fraktionen sehr deutlich – auf die gesamte Gesellschaft, auf den Kern unseres demokratischen Gemeinwesens. Das haben wir in der Vergangenheit nicht akzeptiert und werden es auch in der Zukunft nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir treten fremdenfeindlichen und rassistischen Ideologien entschlossen entgegen. Deswegen nehmen wir insbesondere die Frage der Prävention sehr ernst. Das Präventionsnetzwerk gegen Salafismus haben wir in der Debatte vor der Mittagspause hinreichend miteinander erörtert. Deswegen will ich mich in meinem Beitrag besonders auf das Beratungsnetzwerk Hessen konzentrieren.

Wir haben das Beratungsnetzwerk Hessen als Ansprechpartner für Kommunen, für Schulen, für Vereine, für Betroffene und deren Eltern seit 2007 in diesem Land verankert. Dort wird eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Die Geschäftsstelle ist an der Philipps-Universität in Marburg. Prof. Hafeneger und Herr Dr. Becker sind schon erwähnt worden, sie und ihr Team leisten eine herausragende Arbeit. Das haben wir nun als Demokratiezentrum Hessen ausgebaut, um Prävention, um phänomenübergreifende Angebote der Prävention und Demokratieförderung an einem Ort zu konzentrieren. Dafür stellen wir hinreichende Mittel zur Verfügung. Das ist eine gute Entwicklung, die wir in diesem Jahr begonnen haben. Wenn das so gut ist, dürfen wir auch stolz darauf sein und es im Plenarsaal diskutieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, sichtbarer Beratungserfolg: hessenweit 370 Fälle. Elf Kommunen sind bei der Neuaufnahme von Flüchtlingen beraten worden. Sie haben die Angebote des Beratungsnetzwerks in Anspruch genommen. Herr Prof. Hafeneger hat in der Vergangenheit tolle Projekte durchgeführt, Beispiel Jugendfeuerwehren. Da ist nicht mit ideologischem Schaum vor dem Mund gearbeitet worden, sondern praxisorientiert, praxisnah, problemorientiert ist mit der Jugendfeuerwehr überlegt worden, wie man dem Phänomen, wenn es denn auftritt, entgegentreten kann. Ich finde, dass wir darauf ein Stück weit stolz sein können, dass wir ein solches Beratungsnetzwerk haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich hatte Gelegenheit, am Präventionstag 2015 in Frankfurt dabei zu sein und bei der Eröffnung der Ausstellung „RECHTS außen MITTEN drin?“ mitwirken zu dürfen. Das Beratungsnetzwerk hat eine Ausstellung mit 21 Roll-ups erstellt. Das Ziel, Aufklärung über den Rechtsextremismus, wurde in eine praxisnahe Ausstellung umgesetzt. Schulen, Familien, Vereine, Kommunen können sich eine mobile Ausstellung holen, um mit dem Phänomen, da wo es auftritt, umgehen zu können und eine entsprechende Beratung zu machen. Das sind handfeste Projekte, mit denen wir erfolgreich Präventionsarbeit in diesem Land leisten. Diese erfolgreichen Projekte lohnen sich im Plenarsaal des Hessischen Landtags dargestellt und diskutiert zu werden.

„Was ist Rechtsextremismus?“, „Organisation und Erscheinungsformen“, „Erlebniswelt Rechtsextremismus“, „Was tun gegen Rechtsextremismus?“ – das sind Punkte, die in dieser Ausstellung besonders attraktiv für Lehrer und Schüler dargestellt werden. Damit können sich Schulen, Kommunen und freie Träger der Beratung bedienen.

Meine Damen und Herren, unser Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ hat für die nächsten fünf Jahre einen Umfang von 13,5 Millionen €. Wir leisten eigenes Geld und werden die Mittel, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden, dort zusammenführen. Ich finde, dass wir uns sehr gut damit sehen lassen können; denn am Ende wollen wir – das ist unser Ziel – auch mit diesem Programm Freiheit und Demokratie in unserem Land stärken.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, neben der Ausstellung möchte ich auf ein anderes Angebot hinweisen, weil es in der aktuellen Diskussion über die Frage der Neuaufnahme von Flüchtlingen von einer gewissen Relevanz sein könnte. Jeden Tag – darüber haben wir miteinander diskutiert – nehmen wir viele Menschen in unserem Land auf. Diese werden von den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Kommunen verteilt. Dort gibt es Sorgen und Nöte, denen sich die kommunalen Parlamentarier, die Bürgermeister, die Verwaltungen stellen, und dafür brauchen sie ein Beratungsangebot. Damit können sie vorbeugen und sichergehen, dass es gar nicht erst zu entsprechenden Sorgen innerhalb der Bevölkerung kommt. Deswegen haben wir für die Kommunen ein Beratungsangebot aufgelegt. Sie können sich über unser Beratungsnetzwerk Rechtsextremismus Hilfe

holen in der Frage: Wie gehen wir mit der Problematik der Aufnahme von Flüchtlingen in unserer Gemeinde, in unserer Stadt um? Es ist ein praxisnahes Angebot. Wir wollen denjenigen, die Sorge haben, wie sie mit einem Problem umgehen sollen, das vielleicht in diesen Phänomenbereich hineinstrahlen könnte, ein gutes Beratungsangebot machen, damit es gar nicht erst zu den Auswüchsen kommt, die wir gemeinsam in dem Antrag beklagen. Ich glaube, am Ende ist unstreitig, dass wir mit unserem Präventionsprogramm einen guten Weg beschreiten.

Meine Damen und Herren, im zweiten Punkt des Antrags heißt es: „Der Landtag tritt allen fremdenfeindlichen und rassistischen Ideologien entschlossen entgegen.“ Dem sollten wir mit der Zustimmung zu dem Antrag nunmehr Geltung verschaffen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.