Protokoll der Sitzung vom 22.09.2015

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon bei der ersten Lesung im Mai habe ich den vorliegenden Gesetzentwurf als ein großes Ärgernis bezeichnet. Hier sollten im Schweinsgalopp gleich drei wichtige Gesetze mit weitreichenden Folgen und unterschiedlichsten Themen durchs Parlament gepeitscht werden. Weil das alles so offensichtlich war, hat Pitt von Bebenburg seinerzeit in einem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ von einem „sehr gemischten politischen Obstsalat“ gesprochen, und davon, dass in einem „Sammelsurium der unverdächtigen Themen eine saure Gurke in den Obstsalat“ gelegt wurde.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Schon damals wurde dieser 40 Seiten umfassende Gesetzentwurf erst auf den letzten Drücker als Eilausfertigung eingereicht. Danach wurde versucht, das Verfahren zu beschleunigen und möglichst keine Anhörung von Experten vorzunehmen. Dagegen hat sich die Opposition gewehrt, und erst so kam es zu einer Anhörung im Innenausschuss. Das ist die Geschichte dieses Gesetzentwurfs bis heute.

Unsere Fraktion fühlt sich nach der Anhörung zu diesem Sammelsurium-Gesetzentwurf aufgrund der dort vielfältig geäußerten Kritiken in ihrer bisherigen Ablehnungshaltung bestätigt. Zahlreiche Sachverständige haben sowohl beim Meldegesetz als auch bei den HSOG-Änderungen nachvollziehbar erhebliche Bedenken angemeldet. Sie haben im Detail deutlich gemacht, dass von der Landesregierung wieder einmal Murks vorgelegt wurde, der teilweise noch dazu gesetzeswidrig sei. Um wenigstens die größten Schnitzer noch kurzfristig auszubessern, waren die Regierungsfraktionen also gezwungen, wiederum auf den letzten Drücker kurzfristig einen Änderungsantrag vorzulegen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wegen Ihrem Murks also, Herr Bellino, dürfen wir heute nach der langen Plenarsitzung im Innenausschuss auch noch einmal nachsitzen und brauchen eine schnelle dritte Lesung am Donnerstag. Es geht also so weiter, wie es mit dem Gesetzentwurf begonnen hat. Mich erschreckt es, wie die Regierungsfraktionen mit diesen wichtigen Themen umgehen. Das ist kein geordnetes Gesetzgebungsverfahren.

(Beifall bei der LINKEN)

In einer Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei heißt es im Übrigen dazu – etwas salomonisch formuliert, sage ich einmal –:

… dass sich immer weiter gehende erhebliche Qualitätsprobleme in der aktuellen Gesetzesentwicklung abzeichnen, die sich zum Teil auch in dem vorliegenden Entwurf widerspiegeln.

Übersetzt heißt dies aber nichts anderes als: Schon wieder legt uns die Landesregierung Murks vor. – Ich kann mich dieser Kritik nur anschließen.

(Zuruf von der CDU: Kaum zu glauben!)

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass zum Meldegesetz bereits im Jahr 2013 auf Bundesebene Gesetzesänderungen vorgenommen wurden. In Hessen merkte die Landesregierung erst eineinhalb Jahre später, dass sie an dieser Stelle tätig werden muss. Schwarz-Grün hat das also einfach verpennt.

Und dann packen Sie zum Meldegesetz – es ist beschrieben worden –, bei dem in der Tat zügig etwas passieren muss, auch noch zwei weitere Gesetze ins Paket hinein, die inhaltlich aber nicht das Geringste damit zu tun haben, nun aber auch im Hauruck-Verfahren durch das Parlament müssen. Das haben Sie so gemacht.

Meine Damen und Herren, das Parlament ist aber kein Aushilfstrupp für schwarz-grüne Schnarchnasenpolitik; das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU)

Sie haben das Ding von vorne bis hinten verpennt und einen solchen Murks vorgelegt, wie ich ihn bisher noch nicht erlebt habe.

In der Anhörung haben die Sachverständigen eine Vielzahl von Problemen – bis hin zu Verfassungsproblemen – deutlich gemacht. Das gilt für das Glücksspielgesetz mit der Einführung der neuen Umweltlotterie ebenso wie bei der Weitergabe von Behördendaten an Religionsgemeinschaften; meine Vorredner haben es ja schon ausgeführt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Am meisten gilt es im Übrigen für das Polizeirecht, in dem es weiterhin unklare Bestimmungen zu erheblichen Bürgerrechts- und Verfassungsrechtseingriffen gibt. Ein sehr wesentlicher Punkt ist dabei die flächendeckende Einführung der Körperkameras bei der Polizei.

(Michael Boddenberg (CDU): Da war doch was!)

Hier habe ich erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit und an der Verfassungsmäßigkeit der Aufzeichnung, insbesondere – Herr Greilich hat es ausgeführt – der permanenten Tonaufzeichnung.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Sie haben das nicht für sich allein zu beanspruchen, dass Sie sozusagen die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, Herr Bellino. Sie zeigen als verantwortlicher parlamentarischer Geschäftsführer bei diesem Gesetzentwurf gerade das Gegenteil, wie unverantwortlich Sie damit umgehen. Insofern wäre ich an Ihrer Stelle ruhig und würde mich in Schamesröte aus dem Saal begeben.

(Holger Bellino (CDU): Das entscheide ich selbst, Herr Schaus! – Michael Boddenberg (CDU): Ihre Redezeit ist gleich um! Kommen Sie zum Ende!)

Aber worum geht es? Kurz gesagt: Der Innenminister hat vor der Presse mehrmals über Modellversuche geschwärmt, bei denen Polizeistreifen zusätzliche Beamte mit Kameras dabei hatten. Komme es zu Beleidigungen oder Angriffen auf Polizisten, könne sofort alles aufgezeichnet werden, und deshalb gingen Beleidigungen gegen und Angriffe auf Polizisten stark zurück. – So weit, so gut.

Doch zunächst einmal hätte ich dazu gerne einen ordentlichen Bericht des Ministers im Ausschuss gehört. Der aber fand nie statt. Wie viele Einsätze, wo wer mit welchen Ergebnissen, mit und ohne Kamera? – Aber leider alles Fehlanzeige. Die Erfolgsmeldungen gab es immer nur in der Presse.

In der Anhörung wurde mein Verdacht dann durch Aussagen von Vertretern der Polizeigewerkschaft bestätigt: Bei den Probeläufen waren in Sachsenhausen jeweils drei bis vier Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gemeinsam auf Streife. Beim Probelauf auf der Frankfurter Zeil waren es sogar bis zu zehn Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. – Das ist keine normale Situation, bei der im Alltag ganz normale Zweipersonenstreifen unterwegs sind, meine Damen und Herren. Wir hatten also bei den viel gelobten Probeläufen ganz andere Bedingungen, als sie im Polizeialltag gegeben sind. Dass es aber bei höherer Polizeipräsenz – wie bei den Probeläufen geschehen – zu weniger Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte kommt, ist offensichtlich und nachvollziehbar. Ob dies mit den Bodycams zu tun hat, ist also mitnichten bewiesen. – Und da ist sie: genau die saure Gurke, die in diesen Gesetzentwurf eingebaut wurde, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ob alkoholisierte Krawallmacher in Zukunft vorher schauen, ob bei einem Polizisten auch die Kamera läuft, wage ich zudem sehr zu bezweifeln.

In den USA wurden diese Kameras übrigens hauptsächlich eingeführt, um Übergriffen nicht gegen, sondern durch Polizeibeamtinnen und -beamte vorzubeugen.

(Zuruf: Na also!)

Da mag es in den USA auch das erkennbar größere Problem geben, Stichwort: Ferguson und andere. Dass es aber bei uns gar keine Rolle spielt, dass nicht einmal gesetzlich geregelt ist, wie den Bürgerinnen und Bürgern umgekehrt im Rechtsstreit die Möglichkeit zusteht, an ihre Daten bzw. Bilder zu kommen, das halte ich für sehr bedenklich.

Das ist der Stand der Diskussion. Wir werden also heute Abend im Innenausschuss nachsitzen und dann am Donnerstag weiter darüber beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Schaus. Aber wenn ich richtig informiert bin, ist es eine ganz normale Innenausschusssitzung und keine Nachsitzung. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Frömmrich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei solchen Beiträgen am späten Abend ermuntert einen eigentlich nur noch, dass es bei Bremen gegen Darmstadt 1 : 1 steht.

Wir beschäftigen uns mit der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung des Melderechts, des HSOG und des Glücksspielgesetzes. Wir haben zu dem Gesetzentwurf am 10. September 2015 eine umfangreiche mündliche Anhörung durchgeführt. Dabei gab es aus unserer Sicht vier Komplexe, bei denen datenschutzrechtliche Bedenken und Änderungsbedarfe vorgetragen wurden.

Erstens. Die Übermittlung zusätzlicher Angaben zu Familienangehörigen der Mitglieder öffentlicher Religionsgemeinschaften wurde kritisiert.

Zweitens. Bei der Zuverlässigkeitsprüfung für Personen, die Zugang zu Flüchtlingsheimen haben, wurde eine Regelung angemahnt.

Drittens. Die Befugnisse im Bereich der Bodycams, dazu komme ich noch.

Viertens. Die Möglichkeit der Aufzeichnung von Notrufen und auch das Nutzen dieser Aufzeichnungen für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Im Änderungsantrag zum Gesetzentwurf schlagen wir Ihnen vor, dies zu streichen.

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen legen Ihnen heute in zweiter Lesung einen Änderungsantrag vor, der die vorgetragenen Bedenken und Anregungen aufnimmt. Wir wissen, dass der Änderungsantrag sehr kurzfristig vorgelegt wurde; das will ich durchaus zugestehen. Das ist aber leider der Tatsache geschuldet, dass wir die Änderungen im Meldegesetz bis November im Gesetzblatt haben müssen. Aber auch das soll gesagt werden – ich betone das an dieser Stelle, bevor hier immer diese Mär erzählt wird –: Änderungsanträge in der zweiten Lesung sind ein ganz normaler Vorgang, der auch in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags ausdrücklich vorgesehen ist. Das ist ein ganz normaler Vorgang.

(Zuruf des Abg. Tobias Eckert (SPD))

Ich will kurz auf die vorgelegten Änderungen eingehen; Kollege Bauer hat das ebenfalls schon im Einzelnen getan.

In der Anhörung wurden datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Übermittlung zusätzlicher, also über den Katalog des § 42 Abs. 2 Bundesmeldegesetz hinausgehender Angaben zu Familienangehörigen der Mitglieder der öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften vorgetragen. Dies haben insbesondere der Datenschutzbeauftragte, aber auch die Kommunalen Spitzenverbände – also Städtetag und Städte- und Gemeindebund – vorgetragen. Mit dem Änderungsantrag schlagen wir nunmehr vor, die über das Bundesmeldegesetz hinausgehenden Regelungen zu streichen.

Zweiter Punkt. Die vorgeschlagenen Änderungen bei der Zuverlässigkeitsprüfung dienen aus unserer Sicht der Sicherheit von Flüchtlingsunterkünften, aber auch von besonders gefährdeten öffentlichen Stellen. Deswegen diese Änderungen.

Der dritte Punkt betrifft den Einsatz von Bodycams. Auch hier haben wir eine Vielzahl von Anmerkungen und Änderungsvorschlägen der Anzuhörenden vernommen. Die Bodycam – das muss man hier wohl nicht betonen, es gibt wohl nur eine Meinung, die es anders sieht – ist ein polizeiliches Einsatzmittel, das deeskalierend wirkt und damit die Beamtinnen und Beamten vor Übergriffen schützt. Das sollten wir hier feststellen, und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Erfahrungen haben wir bei der Erprobung gemacht. Herr Kollege Schaus, Sie lesen sonst immer die Stellungnahmen der Gewerkschaften sogar mit Punkt und Komma vor. Vielleicht lesen Sie einfach einmal die Vorträge der Gewerkschaften im Polizeibereich zu dieser Bodycam aus der Anhörung vor; dann können Sie das, was Sie hier erzählt haben, so nicht mehr vortragen, wenn Sie es ernst meinen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Aber okay, es hängt ja meist davon ab, wie das Argument bei Ihnen passt oder nicht. Dann sind die Gewerkschaften zitierfähig oder nicht. Aber vertiefte Sachkenntnis verhindert eben auch hier die muntere Debatte.