Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Ich glaube, dass es eine ganz wichtige Sache ist, dass man in Zukunft auf diese Gasthörerbeiträge verzichten kann.

Insgesamt verabschieden wir heute ein sehr innovatives Gesetz, das aber die Adressaten, die Hochschulen, nicht überfordert. Der Grundsatz der Autonomie bleibt unangetastet. Wir schaffen neue Entwicklungsmöglichkeiten und erweitern die demokratische Teilhabe. Wir schaffen damit die notwendige Modernisierung des Hochschulrechts, die neben einer einzigartigen Hochschulfinanzierung, die wir in Hessen haben, unsere Hochschulen weiter nach vorne bringen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Wort hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Grumbach.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann dem Kollegen May durchaus zustimmen, insbesondere im Dieter-Thomas-Heck-Teil, also dem schnell gesprochenen Teil. Allerdings finde ich, dass die Sprachgeschwindigkeit und die Innovationen in keinem Verhältnis zueinander stehen. Es gibt kleine Veränderungen, die relativ konsenshaft sind. Ich glaube auch, dass es dafür keiner besonderen Begründung bedarf.

Ich will mich mit den Punkten beschäftigen, bei denen die Meinungen auseinandergehen. Eigentlich gehen die Meinungen auseinander, weil es so etwas wie schlechte Angewohnheiten gibt.

Die erste schlechte Angewohnheit in Deutschland ist die Eigenwilligkeit jeder eigenen Region. Wir haben das im

Bologna-Prozess erlebt. Das Prinzip „Jeder Professor hat seinen Studiengang“ hat dazu geführt, dass die Bologna Ziele, z. B. Mobilität, erschwert worden sind. Der deutsche Föderalismus hat jetzt eine neue Variante dafür gefunden, nämlich „jeder seine eigenen Juniorprofessur“. Mit einer gewissen kleinen Unterschiedlichkeit nach dem Motto: Wir brauchen doch ein landeseigenes Modell.

Die zweite schlechte Angewohnheit haben Sie von der Unternehmenswelt übernommen. Das, was nicht gut funktioniert, nämlich die Juniorprofessur in Hessen, wird ein bisschen korrigiert und bekommt dann einen neuen Namen und wird als neu verkauft. Wir glauben, dass es keine Verbesserung im großen Sinne ist, sondern es sich nur um graduelle Veränderungen, nämlich eine Anpassung an die Erfahrungen anderer Bundesländer, in denen es funktioniert hat, handelt. Der neue Name ist auch eine der schlechten Angewohnheiten dieser Gesellschaft.

Der zweite große Punkt ist das Promotionsrecht. Dieses Problem ist genau nach den Manieren der Landesregierung gelöst worden. Der Unterschied ist relativ einfach: Ja, wir ärgern uns alle darüber, dass die Universitäten in einem längeren Prozess verhindert haben, dass die Kooperation, die wir wollten, so möglich war. Die Frage ist aber, wie Sie das lösen. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben eine Lösung: Es wird von oben entschieden. – Darauf komme ich gleich nachher noch einmal zurück.

Unser Vorschlag war: Lasst uns gemeinsam den Druck zur Kooperation erhöhen, weil wir eigentlich alle der Meinung sind, dass das das bessere Modell ist. – Druck zur Kooperation heißt, den Unis zu sagen: Ihr habt noch eine Chance, und wenn ihr sie nicht nutzt, habt ihr relativ schnell das Gesetz im Kreuz. – Wir glauben, dass man in einem solchen Prozess auch das Ende bedenken muss. Zum Ende gehört, dass wir in Deutschland zwei unterschiedliche Klassen von Promotionen nicht haben wollen.

Wir glauben, dass die Hochschulen für angewandte Wissenschaften durchaus in der Lage sind, gleiche Qualität zu liefern wie die traditionellen Universitäten. Wir wollen das aber nicht von oben lösen, sondern glauben, dass man das durch ein bisschen Druck auf Kooperation lösen muss.

(Beifall bei der SPD)

Ähnlich ist das bei der Frage Konflikt und Budget. Es ist nicht der Punkt, dass an die Hochschule zurückgespielt wird, ihre Probleme selbst zu lösen, so wie es von den Autonomiebefürwortern immer gesagt wird. Aber wenn sich die Hochschulgremien nicht einigen können, entscheidet das Ministerium. Das ist genau das Gegenteil von dem, was alle Sonntagsredner verkündet haben. Es wird nicht versucht, in dem universitären Umfeld Einigung zu erzielen, sondern es wird eher versucht, von oben zu entscheiden.

Gut finde ich die Regelung zu den Tierversuchen, gut finde ich die bessere Beteiligung der Studierenden. Im Übrigen, Sie wissen es vielleicht nicht: Ich habe einmal einen Gesetzentwurf formuliert, in dem genau das alles schon stand, aber eine wütende CDU hat es wieder gestrichen.

Um zu einer historischen Formulierung zu kommen, meine ich, dass die Entscheidungsposition von Hochschulräten die Autonomie von Hochschulen einschränkt, ohne dass dafür eine demokratische Legitimation vorhanden ist. Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Frau Abg. Beer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine Novelle vorliegen, die als riesengroße Veränderung angekündigt war und nachher als kleine Novelle daherkommt. Für uns Freie Demokraten ist das akzeptabel, scheinen doch offenbar die GRÜNEN endlich mit unseren Hochschulgesetzen in Hessen Frieden gemacht zu haben, die eine starke liberale Handschrift führen.

Das Gesetz kann nicht kurz genug sein, dass wir nicht doch Fehler und verpasste Chancen finden. Das finde ich schade. Die zwei Fehler, die ich sehe, werde ich explizit ansprechen. Es handelt sich zum einen um die Art und Weise, wie jetzt das Promotionsrecht für Fachhochschulen geregelt werden soll. Zum anderen handelt es sich um den jetzt aufgenommenen Modellversuch für die Zulassung von Realschülern mit Kaufmannsgehilfenbrief oder Gesellenbrief zum Hochschulstudium.

Bei den Promotionen habe ich für meine Fraktion schon dargestellt, dass sich die Lage durchaus verändert hat. Für uns ist ein Promotionsrecht für Fachhochschulen auch nicht völlig undenkbar. Die Art und Weise aber, wie das jetzt gemacht werden soll, ist nicht durchdacht. Herr Kollege May, da haben wir eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung der Anhörung. Im Nachgang zur Anhörung ist noch eine Reihe von Briefen und Vorschlägen eingegangen. Ich glaube, dass in der Anhörung deutlich geworden ist, dass das Verfahren zur Qualitätssicherung noch nicht einmal skizziert ist. Sie lassen erstaunlicherweise in diesem Blackbox-Verfahren trotz mehrfacher Nachfrage den Wissenschaftsrat offensichtlich außen vor. Das halte ich deswegen auch für undenkbar, da es, wie Herr Grumbach völlig zu Recht beschrieben hat, jetzt zu einem Zweiklassenrecht im Promotionsrecht kommen kann.

Wenn man das wenigstens im Ansatz verhindern will, dann kommt man nicht umhin, den Wissenschaftsrat mit in das Verfahren einzubeziehen, um eine gebührende Anerkennung zu erhalten und auch die Qualitätsstandards zu erhalten. Auch die Fachhochschulen müssten ein Interesse haben, dass die Qualitätsstandards eingehalten werden.

(Beifall bei der FDP)

Völlig unbestritten ist die Frage, wie wir zu der Diskussion um das Promotionsrecht an Fachhochschulen gekommen sind. Unbestritten ist, dass die kooperativen Verfahren bisher nicht gut genug funktioniert haben. Unbestritten ist aber auch, dass dieses Verfahren funktionieren kann.

Der Präsident der Technischen Hochschule Mittelhessen hat geschildert, wie das z. B. in Zusammenarbeit mit der Universität in Gießen ausgesprochen gut funktioniert. Aus diesem Grund brauche er keine zusätzlichen Regelungen. Es wäre also der richtige Weg gewesen, die Kooperation noch einmal zu präzisieren, so wie Sie das im Gesetz auch machen. Dann müsste man aber auch die entsprechende Zeit geben, dass dieses Verfahren Fuß fassen kann.

Jetzt setzen Sie ein Parallelverfahren ein. Wir hatten versucht, über einen Kompromissvorschlag eine Regelung zu

finden, die diese neue Form der Kooperation erst einmal in Anwendung bringt, eine Evaluation des Wissenschaftsrats vorsieht und dann, je nach Ergebnis, eine Regelung zulässt, die unseren Hochschulen und der Qualität der Promotionen gerecht wird. So wenig jetzt irgendetwas über Qualitätssicherung im neuen Promotionsrecht erkennbar ist, so sehr ist die weitere Inflationierung von Promotionen zu befürchten. Die Promotion war einmal die Einstiegsqualifikation in eine Wissenschaftskarriere. Davon sind wir lange entfernt. Aber ich darf die Frage stellen, ob das wirklich der richtige Weg ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum zweiten Punkt, von dem ich glaube, dass wir auf dem falschen Weg sind, das ist der Modellversuch des Hochschulzugangs für Realschüler mit Gesellenbrief bzw. Kaufmannsgehilfenbrief. Wenn Sie es genau ansehen – wir haben jetzt dankenswerterweise den Verordnungsentwurf des Ministers vorliegen –, stellen Sie fest, das ist kein Modellversuch, sondern ein Flächenversuch. Das lässt noch mehr Fragen offen als beantwortet werden. Bislang ist auch parallel zur dualen Ausbildung, über die berufliche Bildung oder über die Abendgymnasien der Zugang zu unseren Hochschulen auf vielerlei Wegen möglich. Aber er läuft immer parallel zur Berufsausbildung oder im Anschluss über weiteren Zusatzunterricht, über weitere Qualifikationsvermittlung und entsprechende Zusatzprüfungen.

Mir ist aus dem gesamten Anhörungsverfahren und aus dem, was die Regierungsfraktionen eingebracht haben, nicht klar geworden, warum es dieser weiteren Qualifikation, die wir in den letzten Jahren immer weiter vermittelt haben, nicht mehr bedürfen soll oder an welcher Stelle diese Qualifikationen, wenn ich sie denn brauche, dann zukünftig vermittelt werden sollen. Bislang machen das unsere Berufsschulen oder unsere Abendgymnasien. Sollen das jetzt die Hochschulen übernehmen? Werden die Hochschulen hier mit zusätzlichen Geldern ausgestattet? Davon ist in den augenblicklichen Vorlagen absolut nichts zu sehen.

Es wird bereits deutlich seitens der Hochschulen von flächendeckenden Eingangsprüfungen gesprochen. Aber was heißt das denn im Umkehrschluss? Dass es dann alle betrifft. Das heißt: Es ist egal, ob mit oder ohne Abitur – sie haben eine Eingangsprüfung, und das ist nachher über diesen Umweg eine Entwertung des Zugangs über Abitur oder Meisterbrief. Das ist wiederum ein Weg hin zu einer falschen Gleichmacherei und zu einer Nivellierung nach unten, die uns auch trotz der vorgelegten Verordnung nicht überzeugt.

Deswegen kündige ich an – ich habe das auch schon in unserer Stellungnahme zur Verordnung getan –, dass wir als Freie Demokraten eine Anhörung zu dieser Verordnung beantragen werden, weil dieser Weg letztlich in die falsche Richtung führt und wir schauen müssen, was an dieser Stelle noch zu retten ist.

(Beifall bei der FDP)

Leider sind nicht nur Fehler, sondern auch verpasste Chancen zu beklagen. Wir hätten uns ein Mehr an Autonomie gewünscht, Herr Minister. Das ist leider nicht geschehen.

Wir hatten vorgeschlagen, eine neue Personalkategorie über eine Experimentierklausel einzuführen, in der etwa im Rahmen von W-1-Professuren Schwerpunkte für Personal gesetzt werden können, z. B. mit entsprechenden Qualitä

ten im Wissens- und Technologietransfer oder bei der Infrastrukturentwicklung. Wir hätten uns gefreut, wenn die Hochschulen in eigener Autonomie auch den Begriff „Juniorprofessor“ weiter hätten verwenden können, anstatt ihnen neue Begriffe vorzuschreiben.

Leider ist auch von der Bauherreneigenschaft, die ursprünglich mal vorkommen sollte, im Entwurf nichts enthalten. Stattdessen gibt es weniger Autonomie. Herr Kollege Grumbach hat schon auf die seltsamen Eingriffsrechte des Ministeriums bei der Budgetplanung hingewiesen. Auch Eingriffsrechte des Ministeriums bei der Gehältergestaltung an der Stiftungsuniversität Frankfurt machen uns nicht sehr glücklich. Sie machen in vielerlei Fällen die Verfahren kompliziert.

Wer jetzt das Verfahren zur Abstimmung eines Budgetplans nachverfolgt, sieht, dass es hochgradig kompliziert ist, dass es sich sehr verlängert und dass das Ministerium seine Finger im Spiel hat. Also: mehr Bürokratie statt mehr Autonomie.

(Beifall bei der FDP)

Bitte kommen Sie zum Ende.

Ich komme zum Ende. – Mehr Bürokratie haben wir auch beim Tierschutz. Da bin ich anderer Meinung als Herr Kollege Grumbach. Die Regelungen zum Tierschutz gibt es bereits. Jetzt kommen zusätzliche Berichtspflichten hinzu.

Daher: Wenn man einen Strich darunter zieht, handelt es sich leider um eine Verschlechterung bei der Qualitätssicherung, um weniger Hochschulautonomie, aber um mehr Bürokratie. Das kann die Zustimmung der Freien Demokraten nicht finden.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal finde ich es bedauerlich, dass wir ein so wichtiges Gesetz wie das Hochschulgesetz zu so später Stunde diskutieren. Das war bei der ersten Lesung, glaube ich, auch schon so ähnlich.

(Zurufe von der CDU)

Ich sage nur, dass ich das bedauerlich finde. Das ist die Macht der Tagesordnung. – Eigentlich hätte ein solcher Gesetzentwurf eine breitere öffentliche Debatte verdient.

(Beifall der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Natürlich sind wir hier unter der kritischen Beobachtung von vier Hochschulpräsidenten, aber ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass die Diskussion eines so wichtigen Gesetzentwurfs eine breitere Öffentlichkeit findet.

Aber es passt ein Stück weit vielleicht auch zu dem Gesetzentwurf, den diese Landesregierung von Schwarz-Grün vorgelegt hat, weil es in weiten Teilen eine Fortschreibung des bisherigen schwarz-gelben Gesetzes ist.