Wahr ist, dass wir Ihnen angeboten haben, gemeinsam einen Text für einen Einsetzungsbeschluss zu erarbeiten, so, wie es in dem Untersuchungsausschuss auf der Bundesebene der Fall war.
Herr Rudolph, da Sie gerade dazwischenlachen: Dieses Angebot wurde abgelehnt. Herausgekommen ist ein schlechter Einsetzungsantrag.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist die Unwahrheit! – Günter Rudolph (SPD): Glatt gelogen! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist gelogen! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Entgegen Ihrer Darstellung haben die regierungstragenden Fraktionen den Untersuchungsausschuss auch nicht zu verhindern versucht, sondern wir haben uns wegen Ihrer Verweigerungshaltung bei der Abstimmung über diesen unzureichenden Einsetzungsantrag enthalten – übrigens gemeinsam mit der FDP.
Darüber hinaus hätten wir ihn entgegen Ihrer Darstellung auch gar nicht verhindern können – und auch gar nicht verhindern wollen –, da das erforderliche Quorum für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit den Stimmen der SPD-Fraktion bereits erreicht war. Das sind also mehrere Falschdarstellungen Ihrerseits.
Die Realität beweist das Gegenteil. Beleg Nummer eins: Sie haben einen ersten Beweisantrag eingereicht, der so daneben war, dass ihm nicht entsprochen werden konnte – Stichwort: umfassende Beiziehung von Akten. Hier haben Sie ebenfalls unser Angebot abgelehnt, gemeinsam einen praktikablen und rechtmäßigen Text zu erarbeiten. Das Ergebnis: eine unnötige Verzögerung, die Sie zu verantworten haben.
Das ist nicht nur unsere Meinung und die der hessischen Behörden, sondern auch die der Bundesbehörden. Das SPD-geführte Justizministerium in Berlin und das Oberlandesgericht in München haben uns explizit mitgeteilt, dass ein solcher Beweisantrag in einem Rechtsstaat nicht die Grundlage für eine Aktenbeiziehung sein kann, da er viel zu stümperhaft erstellt, viel zu unkonkret und damit unzulässig ist.
Beleg Nummer zwei: Wir haben daraufhin unzählige Vorschläge erarbeitet, um sowohl das Verfahren des Untersuchungsausschusses als auch Ihren Beweisantrag handhabbar zu machen. Diese Vorschläge hat der Ausschuss dann auch gemeinschaftlich umgesetzt, z. B. in Form der Koordinierungsgespräche, die Ihrem Beweisantrag erst zur dringend notwendigen Konkretisierung verholfen haben. Der dazu notwendige Beschluss konnte aber erst im Januar gefasst werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, Ihre Sturheit war es, die dem Untersuchungsausschuss eine Verzögerung um sechs Monate beschert hat.
Von Januar bis heute konnten endlich auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage über 650 Akten geliefert werden, teilweise nach umfangreichen, zeitraubenden, länderübergreifenden, aber notwendigen Abstimmungsprozessen.
Beleg Nummer drei – wegen der begrenzten Redezeit nur im Stakkato –: Unsere Vorschläge für die Koordinierungsgespräche mit den Akten abgebenden Stellen, unser Vorschlag für eine praktikable Grobstruktur, die Platzierung eines von uns vorgeschlagenen Sonderermittlers, der die Akten in den Behörden sichtet, und vieles andere mehr dienten immer einer möglichst zügigen und effizienten Bearbeitung in diesem wichtigen Untersuchungsausschuss.
Beleg Nummer vier: Bei dem Thema Verzögerung tragen Sie immer die Mär von der zu geringen Zahl der Sitzungstermine vor.
Mich freut es, heute einmal ausführen zu können, wie es sich bei diesem Punkt wirklich darstellt. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass es bei einem Sitzungsrhythmus von weniger als drei Wochen Probleme mit der Protokollerstellung geben kann. Das hat Sie nicht interessiert; jetzt haben Sie es kritisiert.
Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Zahl der Sitzungstermine deutlich zu erhöhen. Wir haben die meisten Terminvorschläge gemacht. Wir haben vorgeschlagen, Teile der Ferien einzubeziehen, länger zu tagen oder früher anzufangen. Wie sahen Ihre Reaktionen aus? Früher gehe es nicht, weil man morgens wichtige Verpflichtungen habe; abends länger zu tagen gehe nicht, weil man dann ebenfalls wichtige Verpflichtungen habe bzw. nicht mehr aufnahmefähig sei. Heute schon Aussagen zu dem treffen zu müssen, was man in den Sommerferien 2016 mache, sei unzumutbar.
(Günter Rudolph (SPD): Das ist glatt gelogen, was Sie da erzählen! Sie haben Probleme mit der Wahrheit! – Gegenruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt ist es aber gut!)
Es wurde kritisiert, dass man keine Mittagspause habe und dass drei Zeugen an einem Tag zu viel seien. Zahnarzttermine, Podiumsdiskussionen, Kinder in den Kindergarten bringen – –
Herr Kollege Bellino, einen Moment bitte. – Herr Kollege Rudolph, Sie haben jetzt zum zweiten Mal „Glatt gelogen!“ dazwischengerufen. Ich glaube, wir sind uns einig, dass das keine parlamentarische Formulierung ist. Ich würde Sie bitten, diese Formulierung zu unterlassen. – Kollege Bellino.
Herr Kollege Rudolph, es ist alles belegbar. Zahnarzttermine, Teilnahme an Podiumsdiskussionen, Kinder in den Kindergarten bringen, parlamentarische Abende – was haben wir uns nicht alles anhören müssen, wenn es darum ging, Termine zu finden.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Es ist eine Unverschämtheit, was Sie da erzählen! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Uns vorzuwerfen, wir würden blockieren, und dabei selbst auf der Bremse zu stehen, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Ich könnte jetzt noch stundenlang referieren und Belege anführen. Aber ich möchte mich dem Thema Schwärzungen zuwenden, um das es in Ihrer dritten und für heute letzten zu entlarvenden Falschdarstellung geht. Sie fordern ungeschwärzte Akten, obwohl zumindest Ihre Obfrau im Untersuchungsausschuss sehr wohl weiß, dass Schwärzungen rechtlich geboten sind. Schließlich hat sie im „Gießener Anzeiger“ das im Bundestag praktizierte Treptow-Verfahren gelobt. Dabei geht es darum, dass die Obleute nach Treptow in die Behörde gefahren sind, um die Plausibilität von Schwärzungen zu überprüfen, die im Bundestag viel umfangreicher sind als im Hessischen Landtag.
Die Hessische Landesregierung hat nun einen so weitreichenden Verfahrensvorschlag unterbreitet, wie er in keinem anderen Untersuchungsausschuss in dieser Republik praktiziert worden ist. So wurde in Hessen allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses und ihren Stellvertretern angeboten, die ungeschwärzten Akten im Hessischen Landtag einzusehen und sie sich zusätzlich von sachkundigen Mitarbeitern erläutern zu lassen. Das heißt, die Abgeordneten, die vom Hessischen Landtag den Untersuchungsauftrag erhalten haben, können alles – ich betone: alles – sehen. Das heißt auch, dass sie mehr sehen als die Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz, in dem eben nicht jeder alles sehen kann.
Meine Damen und Herren, das entlarvt Sie. Sie müssen wenigstens einsehen, dass Sie sich an diesem Punkt vergaloppiert haben.
Selbst die Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags, Frau Dr. Högl, hat gesagt – aus Zeitgründen zitiere ich es nicht in Gänze –, dass die V-Leute zu schützen seien und dass man bestimmte Passagen gar nicht habe sehen wollen und müssen. Ich muss Ihnen sagen: Ich stimme Frau Dr. Högl vollkommen zu. Ich muss aber auch feststellen, dass Ihre Aussagen, Herr Kollege Rudolph, im Widerspruch dazu stehen.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit sicherheitsrelevanten Informationen ist notwendig. Gerade in Zeiten wie diesen sollte zumindest darüber Konsens bestehen.
Denken Sie doch einmal an die Absage des Länderspiels in Hannover, mit der wahrscheinlich Schlimmeres verhindert worden ist. Diese Absage kam doch nicht zustande, weil irgendjemand in Universitätsbibliotheken recherchiert hat. Diese Absage kam mit Sicherheit zustande, weil wir belastbare Informationen von Informanten hatten.
(Günter Rudolph (SPD): Woher wissen Sie das denn? – Hermann Schaus (DIE LINKE): Woher wissen Sie das? Wissen Sie mehr als wir?)
Noch einmal, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition: Sie haben die Möglichkeit, jede Schwärzung zu überprüfen und damit jede Information zu sehen. Wenn Sie sich von der Rechtmäßigkeit der Schwärzung überzeugt haben, dann sollte dies doch genügen. Deshalb fordere ich insbesondere Sie, Herr Rudolph, im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, im Interesse der Arbeitsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden und im Interesse des Ansehens des Untersuchungsausschusses auf, Ihre parteipolitischen Spielchen um Formalien zu beenden und sich endlich ausschließlich auf die konstruktive Sacharbeit zu konzentrieren. Dazu sind wir nach wie vor bereit.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Unglaublich! – Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist unterirdisch!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße, dass wir heute in öffentlicher Sitzung über die Schwärzungen in den dem NSU-Untersuchungsausschuss gelieferten Akten beraten. Dieses Thema beschäftigt uns im Ausschuss schon eine Weile und wird hinter verschlossenen Türen hart diskutiert. Herr Bellino hat eben ein gutes Beispiel dafür abgegeben, was hinter verschlossenen Türen so alles abgeht. Herr Bellino, es macht mich fast sprachlos, wenn Sie hier Dinge anführen wie Zahnarzttermine oder das Bringen der Kinder in den Kindergarten. Dazu sage ich nur: Das ist schäbig, das ist falsch, das ist unerträglich.
Ich hingegen bin der Auffassung, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat, zu erfahren, mit welchen Problemen die an Aufklärung interessierten Fraktionen im Ausschuss konfrontiert sind.
Dennoch stellt sich mir heute ein Problem, denn die Akten, um die es hier geht, die in weiten Teilen geschwärzt sind, sind in großen Teilen als „VS-vertraulich“ oder „VS-geheim“ eingestuft. Wie Sie wissen, dürfen Dokumente nur dann eine solche Einstufung erhalten, wenn ihre Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann. Diese Dokumente sind besonders geschützt; der Landtag hat für ihre Aufbewahrung extra einen Tresorraum geschaffen, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Wer Informationen aus diesen Akten preisgibt, muss mit einem Strafverfahren wegen Geheimnisverrats rechnen. Es geht also entgegen der öffentlichen Darstellung der CDU nicht um die Frage, was öffentlich gemacht wird und was nicht, sondern es geht um den einfachen Fakt, dass dem Parlament alle Informationen vorliegen müssen, damit es seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle effektiv ausüben kann.
Wir müssen als Volksvertreter auf Basis der uns vorliegenden Unterlagen eine politische Einschätzung treffen können. In diesen besonders geschützten Unterlagen sind nun seitenweise Schwärzungen vorhanden. Diese Schwärzungen sind beispielsweise lapidar begründet mit dem einzelnen Wort: „Staatswohl“. Das ist schlichtweg nicht hinnehmbar.