Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Werden beide Anträge an den zuständigen Ausschuss überwiesen?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Dann überweisen wir den Antrag unter Tagesordnungspunkt 79 und den Dringlichen Entschließungsantrag unter Tagesordnungspunkt 84 an den Innenausschuss.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 14, Setzpunkt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe in der öffentlichen Wohnraumförderung

(Fehlbelegungsabgabe-Gesetz – FBAG) – Drucks. 19/ 2624 zu Drucks. 19/2162 –

Außerdem wird Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen – Drucks. 19/2623 zu Drucks. 19/629 –

Wir kommen zunächst zur Berichterstattung. Herr Abg. Caspar.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen zu beiden Gesetzentwürfen aus dem Ausschuss Bericht erstatten.

Zunächst zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen. Hierzu hat der Ausschuss folgende Beschlussempfehlung ausgesprochen: Der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP gegen die Stimme der LINKEN bei Enthaltung der SPD, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Ich komme zu der Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe in der öffentlichen Wohnraumförderung. Hier lautet die Beschlussempfehlung: Der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP bei Enthaltung der SPD und der LINKEN, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 19/2564 in zweiter Lesung anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für die Berichterstattung. – Als Erste spricht Kollegin Feldmayer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal festhalten: Die Einführung der Fehlbelegungsabgabe ist ein großer Erfolg für die schwarz-grüne Koalition in Hessen;

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

denn sie zeigt, die Landesregierung unternimmt alle Anstrengungen zum Bau von Sozialwohnungen, die ihr möglich sind. Die Landesregierung unterstützt mit diesem Gesetz die Kommunen, die das Geld zweckgebunden für den Wohnungsbau einsetzen müssen.

Die Kommunen haben in der Anhörung im Ausschuss ganz deutlich gemacht, dass sie dieses Vorhaben unterstützen, dass sie sehnlichst darauf gewartet haben, dass dieses Gesetz kommt. Die Kommunen haben in der Vergangen

heit gute Erfahrungen mit der Fehlbelegungsabgabe gemacht. Auch das wurde in der Anhörung deutlich. Dieses Instrument geben wir den Kommunen jetzt wieder zurück. Das ist eine sehr gute Nachricht, gerade für die Kommunen im Ballungsraum, wo die Zahl der Sozialwohnungen kontinuierlich zurückgegangen ist und dieser Trend mit all den wohnungspolitischen Maßnahmen, die wir hier in Hessen ergreifen, jetzt gestoppt werden wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

In der aktuellen Situation – angespannte Wohnungsmärkte in den Ballungsgebieten bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Sozialwohnungen – können wir es uns schlichtweg nicht leisten, die Fehlbelegungsabgabe nicht zu erheben und auf diese zusätzliche Einnahmequelle für die Kommunen zu verzichten.

Die Fehlbelegungsabgabe müsste eigentlich Fehlsubventionierungsabgabe heißen; denn sie setzt genau da an, wo ein Subventionierungstatbestand nicht mehr gegeben ist. Warum die FDP, die doch immer nach Subventionsabbau ruft, gegen den Abbau dieser Subventionierung ist, konnte sie im Ausschuss nicht schlüssig erklären. Das Argument der FDP ist, die Fehlbelegungsabgabe sei ein Problem, weil sie in den Quartieren, in den Vierteln, in denen sie erhoben wird, zu einer sozialen Entmischung führe. Dieses Argument löste sich in der Anhörung im Ausschuss in Luft auf.

(Widerspruch des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Die Vertreter der Kommunen haben dargelegt, dass sie die Erfahrung einer sozialen Entmischung in den Jahren, als die Fehlbelegungsabgabe erhoben worden ist, nicht gemacht haben. Das ist die Erfahrung aus der viel beschworenen Praxis, auf die wir als Politiker hören müssen. Wer weiß es denn besser als die Kommunen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Auch von der Sozialdezernentin der Stadt Darmstadt wurde ausführlich dargelegt, dass es eben nicht so ist, dass die Fehlbelegungsabgabe zu einer sozialen Entmischung führt. Es gab in Darmstadt sogar eine Umfrage, warum Menschen aus den Quartieren, in denen die Fehlbelegungsabgabe erhoben wurde, ausgezogen sind. Das ist dezidiert abgefragt worden. Wissen Sie, wie viele Menschen angegeben haben, dass sie aufgrund der Fehlbelegungsabgabe ausgezogen sind? Das waren 0,2 % der Befragten. Die Menschen ziehen also aus ganz anderen Gründen aus. Mit dieser Erkenntnis kann man den Befürchtungen, diese Abgabe führe zu einer Entmischung und zu einer Destabilisierung der Quartiere, entgegentreten.

Eine Destabilisierung von Quartieren oder ganzen Stadtteilen gibt es aber doch. Dies geschieht jedoch nicht aufgrund der Fehlbelegungsabgabe. Es gibt eine Segregation in unseren Städten, aber nicht wegen der Fehlbelegungsabgabe, sondern weil bald nur noch Reiche und Gutverdienende in den angesagten Vierteln unserer Städte wohnen können. Das ist die Form der Segregation, um die wir uns kümmern müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Wolf- gang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Genau das macht Schwarz-Grün in seiner Landespolitik: mit der Einführung der Kappungsgrenzenverordnung und der Mietpreisbremse. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein unserer Wohnungspolitik in Hessen.

Die Mietpreisbremse haben wir immer wieder gefordert; denn sie deckelt dort, wo die Lage beim Wohnraum angespannt ist, die Mieten für neu vermietete Wohnungen auf eine sinnvolle Weise. Menschen, die eine neue Wohnung beziehen, müssen nämlich die größten Aufschläge zahlen. Diese werden dann erhoben, wenn Menschen aus einer Wohnung ausziehen und neue Mieter kommen. Das ist weniger bei den bestehenden Mietverhältnissen der Fall, sondern betroffen sind die Menschen, die eine neue Wohnung suchen und in eine frei gewordene ziehen.

Wenn man sich die Wohnungsinserate in hessischen Städten anschaut, sei es in Frankfurt, in Darmstadt oder in Wiesbaden, kann man nur noch staunen. Ich frage mich manchmal, wer das noch bezahlen soll. Dreizimmerwohnungen mit 1.000 bis 2.000 € Miete werden da angeboten. Eine klassische Dreizimmerwohnung für eine Familie, für die 1.000 bis 2.000 € gefordert werden – wer soll das bezahlen? Das kann kein Normalverdiener bezahlen. Das kann sich keine Familie leisten. Deshalb ist es gut, dass wir in Hessen die Mietpreisbremse bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Unser Ziel ist, dass jeder in der Stadt oder im Ballungsraum wohnen kann. Mit der Fehlbelegungsabgabe, der Mietpreisbremse und dem 1-Milliarde-€-Programm für den sozialen Wohnungsbau und für Flüchtlinge haben wir in Hessen die Weichen für das Erreichen des Ziel gestellt, dass sich hier jeder eine bezahlbare Wohnung leisten kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Im Übrigen ist mir gestern an der Debatte über das Thema Flüchtlinge aufgefallen, dass ein Punkt vielleicht zu wenig beleuchtet worden ist: Mit dem Wohnungsbauprogramm für sozialen Wohnraum und Flüchtlinge werden wir in Hessen auch ein riesengroßes Konjunkturprogramm auflegen. Das ist ein positiver Aspekt, den man in dieser Frage einmal dezidiert beleuchten sollte.

Jetzt komme ich zu dem Änderungsantrag, den wir zu dem Entwurf für ein Fehlbelegungsabgabe-Gesetz eingebracht haben. Dieser Änderungsantrag hat sich aus der Anhörung ergeben. Die Kommunen haben deutlich gemacht, dass sie, um die Fehlbelegungsabgabe erheben zu können, noch etwas mehr Vorbereitungszeit brauchen. Diesem Wunsch wollen wir mit dem Änderungsantrag nachkommen, indem wir die Einführung der Fehlbelegungsabgabe auf den 1. Juli 2016 verschieben.

Ich will aber noch einen Punkt zu dem Thema Fehlbelegungsabgabe herausgreifen. So, wie das Gesetz angelegt ist, muss man erst ab einer 20-prozentigen Überschreitung der Einkommensgrenze die Fehlbelegungsabgabe zahlen. Die Obergrenze bildet die jeweilige örtliche Vergleichsmiete. Zudem wird der Betrag gestaffelt. Da es diese Staffelung gibt, wird niemand aus seiner Wohnung verdrängt. Aber mit dem Aufkommen aus der Abgabe wird in Hessen neuer Wohnraum für die Menschen geschaffen, die ihn wirklich brauchen. Das ist das Grundprinzip der Fehlbelegungsabgabe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dieser Gesetzentwurf ist also fair und ausgewogen, und er schafft die Grundlage für den Bau weiterer Sozialwohnungen in Hessen. Das ist das, was wir dringend brauchen. Die Landesregierung handelt in der Wohnungspolitik in Hessen entschlossen und gleichzeitig mit dem nötigen Augenmaß. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion DIE LINKE hat der Abg. Schaus das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe hat die Landesregierung endlich eine wichtige Forderung von uns aufgegriffen.

Aber worum geht es dabei? Alle Personen oder Familien, die bei Einzug in eine Sozialwohnung eine festgelegte Einkommensgrenze nicht überschritten haben, können ohne zeitliche Begrenzung in einer mit öffentlichen Mitteln subventionierten Wohnung bleiben, selbst dann, wenn sie viele Jahre später über ein weitaus höheres Einkommen verfügen und, wenn sie eine solche Wohnung neu beziehen wollten, keinen Anspruch mehr hätten. Diese – wie ich sie nenne – Gerechtigkeitslücke gilt es zugunsten der 45.000 zum Bezug einer Sozialwohnung Berechtigten, die derzeit registriert sind und warten, so schnell wie möglich zu schließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb dürfen die zusätzlichen Einnahmen aus einer Fehlbelegungsabgabe auch nur für den Bau neuer Sozialwohnungen verwendet werden.

Vor wenigen Wochen fand in unserem Hause die öffentliche Anhörung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen – unserer und der der Landesregierung – statt. Die Meinungen zu den Gesetzentwürfen für ein Gesetz zur Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe waren in der Tat geteilt. Da gibt es die Verbände, die für sich keinen unmittelbaren finanziellen Vorteil sehen, oder diejenigen, die lieber den gesamten Wohnungsmarkt weiter den Kräften der kapitalistischen Marktwirtschaft überlassen wollen. Außerdem gibt es diejenigen, die die Fehlbelegungsabgabe verständlicherweise als zusätzliche Mieterhöhung verstehen und dabei übersehen, dass es eine Gerechtigkeitslücke gibt.

Eine maßvolle Fehlbelegungsabgabe, mit der man in der Lage ist, diese unumstritten bestehende Gerechtigkeitslücke bei der Belegung von Sozialwohnungen zu schließen, ist sinnvoll und richtig. Das ist unsere Überzeugung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass dabei die Kommunen gleichzeitig finanzielle Mittel für den dringend benötigten Neubau von Sozialwohnungen erhalten, ist zusätzlich ein wichtiger Effekt, aber nicht unser zentrales Anliegen. Ich möchte auch daran erinnern, dass mit dem ersatzlosen Auslaufen des alten Gesetzes zum 30.06.2011 den Kommunen Einnahmen von jährlich

18 Millionen € verloren gingen. Aufsummiert sind das bis Mitte 2015 bereits 72 Millionen €.

In der Anhörung am 12. Oktober dieses Jahres wurde von einigen Experten angemerkt, dass die Fehlbelegungsabgabe auch Mieterinnen und Mieter trifft, die knapp über der Einkommensgrenze liegen und so keine Berechtigung mehr zum Bezug einer Sozialwohnung haben. Diesen Einwand darf man meiner Ansicht nach nicht einfach vom Tisch wischen. Es ist wichtig, dass man die Einkommensgrenze so hoch ansetzt, dass niemand von einer Abgabe getroffen wird, der gerade eben die Einkommensgrenze überschreitet.