Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Meine Damen und Herren, Frau Barth hat es eben gesagt: 800.000 € für die Stadt Frankfurt. – Wissen Sie eigentlich, was Sie mit 800.000 € in einer Stadt wie Frankfurt erreichen können? Damit können Sie nichts erreichen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Na ja!)

Das heißt: Sie packen einen obligatorischen Symbolwert mit obendrauf, weil Sie eine Gerechtigkeitslücke schließen wollen.

Ich frage mich in Richtung der Fraktion der GRÜNEN – die Frau Staatsministerin hat es gemacht, die Vorredner haben es gemacht –, da Sie hier immer das breite Instrument der Wohnungsbaupolitik diskutiert haben: Warum haben Sie dann unseren Antrag nicht mit aufrufen wollen, wenn es doch ohnehin Gegenstand permanenter Diskussionen ist? Ich finde, das war dann relativ kleines Karo.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben einfach den falschen Antrag eingereicht!)

Aber davon einmal abgesehen, müssen wir uns alle fragen, auch dann, wenn das alles richtig ist: Warum gibt es selbst in Thüringen, wo DIE LINKE jetzt den Ministerpräsidenten stellt, oder in Baden-Württemberg keine Fehlbelegungsabgabe mehr? 2008 hat Baden-Württemberg die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft. Hessen war mit uns das letzte Bundesland, das die Fehlbelegungsabgabe überhaupt erhoben hat. Wir haben sie abgeschafft; Sie führen sie wieder ein. Diskutieren Sie das mit den Mieterinnen und Mietern. Ich bin auf der Seite der Bezieher von kleinen Einkommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ganz was Neues!)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Das Wort hat nun noch einmal Herr Kollege Caspar für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

(Ministerin Priska Hinz: Die FDP, die Sozialstaats- partei!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil die Kollegin Barth gefordert hat, der Gesetzgeber müsse jetzt noch Milieuschutzsatzungen einführen.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

Ich darf Sie darüber informieren, dass Milieuschutzsatzungen eine kommunale Angelegenheit sind, und der Gesetzgeber diesbezüglich nichts machen kann. Milieuschutzsatzungen können derzeit schon von Kommunen gemacht werden. Die Stadt Frankfurt macht das z. B. Ob alle Regelungen in den Milieuschutzsatzungen sinnvoll sind, muss die einzelne Kommune, insbesondere unter dem Gesichts

punkt der – erwünschten – Investitionen, entscheiden. Hier sehe ich aber nicht den Gesetzgeber am Zug.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Damit liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir stimmen zuerst über den älteren Gesetzentwurf, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen, ab. Wer diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmt, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das ist der Rest des Hauses. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung. Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Fraktion der Freien Demokraten. Wer enthält sich? – Das sind die Fraktionen von SPD und DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf mit der genannten Mehrheit der Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen und somit zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch eingegangen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Solidarität mit Flüchtlingen – Maßnahmen umsetzen, Drucks. 19/2703. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 85 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 80, 49 und 82 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Auch da gibt es keinen Widerspruch.

Weiterhin eingegangen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend sorgfältige Einzelfallprüfung auch für Flüchtlinge aus Afghanistan, Drucks. 19/2704. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 86 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 80, 49 und 82 zu diesem Thema aufgerufen werden. Es gibt keinen Widerspruch? – Dann wird so verfahren.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 62:

Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend rechtsfehlerhaftes Atom-Moratorium – sich widersprechende Aussagen von Ministerpräsident Bouffier und Bundeskanzlerin Merkel – Drucks. 19/2650 –

Außerdem rufe ich Tagesordnungspunkt 83 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Respekt vor der Arbeit eines laufenden Untersuchungsausschusses – Drucks. 19/2692 –

Eine Wortmeldung liegt mir zunächst von Frau Abg. Wissler, Fraktion DIE LINKE, vor. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit dem letzten Jahr beschäftigen wir uns in einem Untersuchungsausschuss des Landtags mit den Umständen des sogenannten Atom-Moratoriums und seiner Umsetzung in Hessen. RWE klagt gegen das Land und will sich die Stilllegung des AKW Biblis auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler versilbern lassen.

Gerade angesichts der Tatsache, dass die Atomkonzerne jahrzehntelang Milliardengewinne eingefahren haben, staatlich subventioniert wurden und sich jetzt vor den Folgekosten drücken, halte ich es für eine absolute Frechheit, dass RWE für die Abschaltung seines Schrottreaktors auch noch eine Viertelmilliarde Euro haben will.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Leider haben die schwarz-gelben Regierungen in Bund und Land diesen Klagen durch das rechtswidrige Moratorium Tür und Tor geöffnet. Es war geradezu eine Einladung an die Betreiber, zu klagen. Warum dieser Weg trotz der vielen Warnungen auch aus den Ministerien so umgesetzt wurde, das versucht dieser Untersuchungsausschuss zu klären, ebenso die Frage, welche Absprache es zwischen Bund und Ländern gab.

Wir als LINKE hatten schon im letzten Jahr vorgeschlagen, dass wir die Bundeskanzlerin zu diesem Thema befragen, dass sie als Zeugin im Untersuchungsausschuss aussagt. Wir freuen uns sehr, dass die anderen Fraktionen diesem Vorschlag gefolgt sind. Frau Merkel war natürlich eine der Hauptakteurinnen. Zudem gibt es eklatante Widersprüche zwischen dem damaligen Bundesumweltminister Röttgen auf der einen Seite und Ministerpräsident Bouffier und der damaligen hessischen Umweltministerin Puttrich auf der anderen Seite. Diese Widersprüche haben sich bei der Frage, was zwischen Land und Bund tatsächlich vereinbart wurde, aufgetan. Aus diesem Grund hielten wir es für dringend geboten, dazu auch die Kanzlerin zu befragen, um diese Widersprüche zu klären.

Was wir erlebt haben – das zieht sich durch die letzten Jahre –, ist, wie sich die CDU in Bund und Land die Schuld gegenseitig zuschiebt. Das ist ein ziemlich unwürdiges Schauspiel, gerade angesichts der Tatsache, dass es hier um sehr viel Geld geht.

Zur Erinnerung: Was geschah vor fünf Jahren? – Im Oktober 2010 kassierte die Koalition aus CDU/CSU und FDP den Atomausstieg und beschloss die sogenannten Laufzeitverlängerungen. Es sind damals Hunderttausende Menschen gegen die Laufzeitverlängerungen auf die Straße gegangen. Das hat Schwarz-Gelb nicht weiter erschüttert, interessanterweise auch die Menschen nicht, die heute gegen Windräder kämpfen und ständig von gesellschaftlicher Akzeptanz reden.

Schwarz-Gelb hat die Wünsche der Atomlobby erfüllt. Dann kam alles anders. Am 11. März 2011 ereigneten sich das schwere Erdbeben in Japan und der darauf folgende Tsunami. Neben einer großen humanitären Katastrophe

kam es auch zu Unfällen in japanischen Atomkraftwerken, insbesondere am Standort Fukushima.

Die öffentliche Stimmung kippte damals bis ins bürgerliche Lager hinein. Es standen auch Landtagswahlen an, unter anderem in Baden-Württemberg. Aufgrund dieses Drucks hat die Bundeskanzlerin am 14. März erklärt, dass die Laufzeitverlängerungen für die deutschen Atomkraftwerke ausgesetzt werden sollen. Man hat also davor zurückgeschreckt, eine Grundsatzentscheidung zu treffen und die Laufzeitverlängerung wirklich anzufassen. Das sogenannte Atom-Moratorium war geboren.

Es war von Anfang an klar, dass das nicht der rechtssichere Weg ist, sondern Tür und Tor für Klagen öffnet. Davor haben wir von Anfang an gewarnt, davor hat die gesamte damalige Opposition von Anfang an gewarnt, ebenso viele Experten. Trotzdem ist man diesen Weg gegangen. Es wäre natürlich in der damaligen Situation möglich gewesen, einen rechtssicheren Weg zu gehen und ein Abschaltgesetz auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Relativ kurz davor gab es die Bankenrettung, bei der es möglich war, innerhalb von drei Tagen ein Gesetz durch den Bundestag zu bringen. Damals hätte es natürlich auch die gesellschaftliche Stimmung und Bereitschaft gegeben, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.

Namhafte Juristen wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier, aber auch der Bundestagspräsident Lammert haben vor diesem Vorgehen gewarnt, dass das kein rechtssicherer Weg sei und er Klagen nach sich ziehen könne.

Keiner der Beteiligten hörte darauf. Die Kanzlerin erklärte im Untersuchungsausschuss allen Ernstes, sie habe all diese Stimmen nicht vernommen, und sie könne sich auch an die Medienberichte nicht erinnern, die es in diesen Tagen zahlreich gab und in denen das problematisiert worden ist.

Eine Kanzlerin, die in einer solchen Woche weder auf Experten hört noch Medienberichte liest, zeichnet aus meiner Sicht ein sehr trauriges Bild von ihrem Verantwortungsbewusstsein.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Die Kanzlerin hat die Ministerpräsidenten der Länder mit Atomkraftwerken nach Berlin eingeladen. Damals sollte die Umsetzung des Moratoriums besprochen werden. Dabei hat man sich darauf geeinigt, dass das in Form eines atomrechtlichen Verwaltungsverfahrens geschehen soll.

Dass niemandem damals dieser Weg rechtlich geheuer war, zeigt sich an dem Schwarzer-Peter-Spiel, das kurz danach schon begonnen hat. Der Bund hat nämlich versucht, die Verantwortung auf die Länder abzuschieben. Die Länder haben versucht, das auf den Bund abzuschieben, angesichts möglicher Schadenersatzforderungen der Konzerne.

Die Frage ist natürlich: Wurde in Berlin über die rechtssichere Ausgestaltung des Moratoriums gesprochen und, wenn ja, was? Welche Vereinbarungen wurden getroffen? Der Ministerpräsident hat vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, der Bund sei verantwortlich, und die Kanzlerin habe den Ländern eine Haftungsfreistellung zugesagt. Das heißt, dass eventuelle Schadenersatzforderungen nicht von den Ländern zu begleichen wären.

Wir wollten wissen, was die Kanzlerin zu dieser Aussage des CDU-Ministerpräsidenten und des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, also ihres Stellvertreters, sagt. Deshalb waren wir im Kanzleramt, um uns die Version von Bundeskanzlerin Merkel anzuhören.

Wir haben sie natürlich auch nach der rechtlichen Grundlage gefragt. Nun ist es so, dass Frau Merkel auf der Pressekonferenz, nachdem das Moratorium vereinbart wurde, wo schon Journalisten nachgefragt haben, ob die Themen „Schadenersatzforderungen“ und „Rechtsgrundlage“ eine Rolle gespielt hätten, den sehr denkwürdigen Satz sagte – Zitat –:

Wir gehen davon aus, dass die rechtliche Grundlage eine rechtliche Grundlage ist.

(Heiterkeit des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Von uns als Untersuchungsausschuss danach gefragt, ob sie sich denn überhaupt keine Gedanken über die Frage von Schadenersatzforderungen gemacht habe, meinte sie sinngemäß, sie könne sich daran nicht erinnern, ob ihr bekannt gewesen sei, dass mit rechtlichen Schritten gedroht worden wäre. Das stand damals in allen Zeitungen. Sie fügte hinzu, aber die Atomkonzerne hätten ja eh dauernd mit rechtlichen Schritten gedroht. – Ich finde, das ist ein Grund mehr, eine rechtssichere Lösung hinzubekommen und nicht gegen den Rat aller Experten genau das Gegenteil zu tun.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)