Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Meine Damen und Herren, ich komme zu Tagesordnungspunkt 5:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen – Drucks. 19/2821 zu Drucks. 19/1981 –

Das ist ein berichterstattungspflichtiger Vorgang. – Herr Schwarz, Sie haben das Wort zur Berichterstattung.

(Günter Rudolph (SPD): Zur Berichterstattung! Dazu gibt es eine Vorlage!)

Herr Kollege Rudolph, ich habe es noch im Griff. Noch habe ich es im Griff.

(Günter Rudolph (SPD): Ich weiß!)

Es freut mich ja sehr, dass Sie das wissen.

(Günter Rudolph (SPD): Aber er nicht!)

Bitte schön. Das Wort hat jetzt Herr Kollege Schwarz.

Der Kulturpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD, der FDP und der LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

(Beifall des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, das war die Berichterstattung. – Hierzu habe ich auch eine Wortmeldung vorliegen. Herr Yüksel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem derzeit gültigen Schulgesetz dürfen keine neuen gymnasialen Oberstufen mehr errichtet werden. Einen triftigen Grund gibt es dafür nicht. Was es aber gibt, ist ein riesiger und dringlicher Bedarf. Die Anhörung zu dem Gesetzentwurf hat dies noch einmal eindrucksvoll bestätigt.

(Beifall bei der SPD)

Eine klare Mehrheit der Anzuhörenden hat sich für die sofortige Aufhebung des Verbots ausgesprochen, darunter, um nur einige zu nennen, der Verband Bildung und Erziehung, die GEW, die evangelischen Kirchen und das Kommissariat der Katholischen Bischöfe Hessen, der Landeselternbeitrat, der hessische Ganztagsschulverband, der Hessische Städtetag sowie der Hessische Landkreistag und die Landesschülervertretung. Auch wäre die Aufhebung vollkommen unproblematisch, denn der Gesetzentwurf zwingt keineswegs dazu, überall in Hessen Oberstufenschulen zu gründen. Er räumt hierzu lediglich die Möglichkeit ein, wenn sie vor Ort gebraucht werden. Wir sind uns in diesem Hause sicherlich einig, dass die Fachleute vor Ort am besten wissen, welcher Bedarf in den einzelnen Kommunen tatsächlich vorhanden ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir können aber in ganz Hessen eine strukturelle Zunahme des Bedarfs an gymnasialen Oberstufen beobachten. Immer mehr Schülerinnen und Schüler gehen nach der Absolvierung der Sekundarstufe I an einer weiterführenden Schule, die kein Gymnasium ist, den Weg zum Abitur.

Gerade in Hessen, wo die Landesregierung so stolz auf das völlig unübersichtliche und selektierende Schulsystem ist, sind gymnasiale Oberstufen dringend erforderlich.

(Beifall bei der SPD)

Viele Anzuhörende haben diese Auffassung der SPD-Fraktion bestätigt. Ohne die Bedeutung der Gymnasien kleinzureden, ermöglichen gymnasiale Oberstufen besser als grundständige Gymnasien einen gleichberechtigten Neuanfang; denn sie sind es, die mit Förderkonzepten auf die enorme Heterogenität der Bildungswege spezialisiert sind. Eigenständige Oberstufen haben einfach eine Expertise, die wir den Schulträgern vor Ort nicht verwehren dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Hier eine Konkurrenzsituation herbeizureden, ist absurd, unverantwortlich und diskreditiert die gute Arbeit der bestehenden Oberschulen. Im Gegenteil: Es handelt sich vielmehr um eine Entlastung der Gymnasien mit ihrem grundständigen Bildungsauftrag. Nur über die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu schwadronieren, reicht einfach

nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und GRÜNEN.

(Beifall bei der SPD)

Man muss schon entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, damit Anspruch und Wirklichkeit nicht auseinanderklaffen, und zwar in ganz Hessen, sowohl im ländlichen als auch städtischen Raum. Ich kann dieses Totschlagargument nicht mehr hören, man könne Gesetze nicht nur für Frankfurt machen. Gerade im ländlichen Bereich muss angesichts zurückgehender Schülerzahlen die Möglichkeit bestehen, Schüler aus verschiedenen Schulen gut und effektiv zum Abitur zu führen.

(Beifall bei der SPD)

Davon abgesehen ist es auch keine Schande, in diesem Parlament hin und wieder etwas zu beschließen, was Frankfurt nicht einmal wieder einen riesigen Klotz ans Bein bindet. Wir, die hessischen Landtagsabgeordneten, sind allen Bürgerinnen und Bürgern in den hessischen Kommunen verpflichtet. Herr Schwarz, Sie sind nicht nur Wahlkreisabgeordneter, sondern Sie sind bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion für ganz Hessen. Werden Sie dieser Verantwortung endlich einmal gerecht, und hören Sie auf, Frankfurt als ungeliebtes Stiefkind zu behandeln. An dieser Stelle hätte ich mir einen entschlossenen und mutigen Einsatz der Frankfurter Kolleginnen und Kollegen aus der CDU und von den GRÜNEN gewünscht.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Wenn wir über die Jagdverordnung reden – in Frankfurt haben wir das Problem nicht –, interessiert mich das als hessischer Abgeordneter genauso, wie wenn wir über Schulprobleme reden. Natürlich befinden wir uns in Frankfurt in einer außergewöhnlichen Situation. Gerade im Rhein-Main-Gebiet ist die Lage brisant.

Ich finde nicht alles gut, was die Frankfurter Bildungsdezernentin Sarah Sorge von den GRÜNEN macht. Sie fordert aber völlig zu Recht seit vielen Jahren eine neue eigenständige Oberstufenschule. Ein Standort ist längst gefunden, und die Oberstufenschule könnte längst umgesetzt sein, wenn dies nicht durch diese völlig schräge gesetzliche Regelung verhindert würde. Es ist eine Regelung, die an der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler komplett vorbeigeht. Es ist eine Regelung, bei der heute niemand mehr so recht weiß, warum es sie überhaupt gibt oder wie sie entstanden ist.

(Beifall bei der SPD)

Es handelt sich um eine Regelung, die Schwarz-Grün aus Prinzip nicht ändern will, obwohl Sie genau wissen, dass es notwendig wäre. Das Kostenargument, das Sie ständig anführen, ohne es auszuführen und ohne es genau zu beziffern, ist nichts als Panikmache. Das Gegenteil ist der Fall.

Wir haben das einmal überschlagen. Eine eigenständige Oberstufe im Falle Frankfurts erfordert lediglich eine Funktionsstelle A 15 und Deputatstunden im Umfang von 24 Stunden. Das bedeutet eine einzige Stelle. Sind das etwa immense Kosten, von denen Sie immer reden?

Das laute Klagen der Schulleitungen, die vehementen Proteste der Eltern, Stadtteilinitiativen, Unterschriftskampagnen und Kundgebungen zeigen doch, dass die Politik endlich handeln muss.

Ich bitte Sie: Lassen Sie uns doch nicht abgehoben und dogmatisch an der Lebensqualität der Schülerinnen und Lehrer vorbeiregieren. Lassen Sie uns gemeinsam und pragmatisch auf die veränderten Anforderungen und Herausforderungen im hessischen Schulsystem reagieren und einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit im Bildungssystem leisten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat in ihrem Kurzgesetz den Vorschlag unterbreitet, die Passagen zur eigenständigen Errichtung von Oberstufengymnasien isoliert zu streichen. Wir haben schon während der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs und auch bei der Beratung im Ausschuss mehr als deutlich durchblicken lassen, dass wir durchaus Diskussionsbedarf sehen. Von daher wäre es angebrachter gewesen, anstatt, wie jetzt bei anderen Debatten ärgerlicherweise schon geschehen ist, dem politischen Gegner Dinge in den Mund zu legen, die überhaupt nicht so gesagt worden sind, dabei zu bleiben, worüber wir beraten.

Herr Kollege, die Abgeordneten aufgrund ihrer Herkunft abzuqualifizieren, nur weil Herr Kollege Schwarz und ich nicht aus Frankfurt sind, und uns abzusprechen, dass wir die Interessen der Stadt Frankfurt vertreten können, das würde ich mir noch einmal überlegen, ob das die feine englische Art war. Auf diesem Niveau müssen wir nicht diskutieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Turgut Yüksel (SPD))

Sie haben ausgeführt, dass die Anhörung ein großer Erfolg gewesen sei und dass es einen riesigen und dringlichen Bedarf gebe. So eindeutig waren die Aussagen in der Anhörung nicht.

(Turgut Yüksel (SPD): Was?)

Wir hatten auch einige Stellungnahmen, die sich sehr differenziert und kritisch mit dem Vorhaben auseinandergesetzt haben. Wir haben das deswegen besonders aufmerksam zur Kenntnis genommen, weil wir eine gewisse Offenheit gegenüber diesem politischen Ziel haben. Es ist aber nicht so, dass alle gesagt hätten: Hurra, so muss es gemacht werden.

Insbesondere gab es eine große Anzahl von Anzuhörenden, die gesagt haben, im Grunde sei das Ziel, zu ermöglichen, dass Oberstufengymnasien eigenständig gegründet werden können, in Ordnung, aber das isoliert und ohne Betrachtung der restlichen Materie des Schulgesetzes zu regeln, sei keine gute Idee. Diese Anzuhörenden haben sich dafür ausgesprochen, das im Gesamtzusammenhang der Schulgesetznovelle zu behandeln. Das ist auch unser Votum.

(Zuruf der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Wir sind der Auffassung, auch wenn man sich das so vorstellen kann, sollte man das Schulgesetz als Ganzes in Angriff nehmen. So haben wir es auch vor.

(Lothar Quanz (SPD): Wann ist das vorgesehen?)

Lieber Herr Ausschussvorsitzender, diese Frage ist doch schon längst beantwortet worden. In der letzten Ausschusssitzung und auch in der öffentlichen Anhörung wurde jeweils gesagt, dass das im Jahr 2016 in Angriff genommen werden soll.

Es ist eben wieder aufgeführt worden, es gebe einen riesigen und dringlichen Bedarf. Zunächst ist dieser Bedarf nur von der Stadt Frankfurt geäußert worden. Das ist auch der Ausgangspunkt dafür, dass Sie sich zu Ihren Thesen verstiegen haben. Dann hören wir doch einmal, was die Vertreterin der Stadt Frankfurt dazu gesagt hat. Sie hat sich an den Kultusminister gewandt und gefragt, wie der Zeitplan aussehe – der jetzt allen klar ist: 2016 soll novelliert werden. Darauf sagte unsere ehemalige Kollegin Sarah Sorge, die für die Stadt Frankfurt an der Anhörung teilgenommen hat:

Aus Sicht der Stadt Frankfurt ist das begrüßenswert und zeitlich akzeptabel.

Weil dann noch einmal nachgefragt wurde, ob dieser zeitliche Rahmen ausreiche, sagte sie: