Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Dank des Kollegen Kaufmann kann ich mich durchaus anschließen. Wer sich die hektischen Zusammenhänge bei der Gestaltung dieses Haushaltsentwurfs angesehen hat, der weiß, wie viele zusätzliche, späte und Nachtstunden daran gehangen haben, um einigermaßen durchzublicken, was jetzt gerade Sachstand der politischen Entwicklung dieses Haushaltsentwurfes ist. Mein Dank geht an all diejenigen, die da mitgewirkt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

Noch nie haben wir in diesem Haus derart hektisches Treiben zu einer dritten Lesung erlebt. Noch weniger haben wir es erlebt, dass noch zur dritten Lesung derart weitreichende Änderungsanträge bis jetzt noch ins Plenum eingereicht wurden.

Wir alle wissen, dass es dafür gute Gründe gibt, zuerst natürlich den, dass der Entwurf des Landeshaushaltes, wie er uns im Herbst vorgelegt wurde, die tatsächliche Situation in Hessen in keiner Weise mehr wiedergibt.

Die Planungen der Landesregierung wurden hier schlicht von der Wirklichkeit überholt. Denn niemand hat damit ge

rechnet hat, dass in diesem Jahr eine so große Zahl an Menschen bei uns Schutz vor Krieg und Elend sucht.

Auch wir haben umfangreiche Änderungsanträge zum Entwurf des Landeshaushalts gestellt. Die insgesamt über 100 Änderungsanträge sind der Versuch, die gröbsten Ungerechtigkeiten schwarz-grüner Haushaltspolitik auszugleichen und unsere Schwerpunkte für einen echten Politikwechsel deutlich zu machen.

Wir setzen dabei auf Einnahmeverbesserungen aus einer sozialen und gerechten Steuerpolitik, die in Hessen zu erheblich höheren Einnahmen führen würde. Allein eine moderate Vermögensbesteuerung würde in Hessen zu Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden € führen. Darüber hinaus fordern wir aber auch auf Landesebene eine weiter gehende Schrittfolge für höhere Einnahmen, insbesondere durch die Einstellung zusätzlicher Steuerfahnder und Betriebsprüfer sowie durch die Einführung eines Wassercents für gewerbliche Verbraucher. Mit den zusätzlichen Mitteln wollen wir vor allem in der Sozial- und Bildungspolitik einen echten Politikwechsel einleiten und gleichzeitig das Schrumpfen des öffentlichen Dienstes auf einen Magerstaat beenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts der aktuellen Entwicklungen sehen wir aber auch, dass gerade die Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit dringend gestärkt werden müssen. Sie brauchen mehr Mittel für Investitionen, aber auch um Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen.

Vieles von dem, was wir dieses Jahr gefordert haben, sehen wir nun auch in Haushaltsanträgen der Landesregierung, wenngleich in deutlich kleinerem Umfang. Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, damit meine ich ausdrücklich auch Sie als Anhängsel bei den Regierungsänderungsanträgen. Der Unterschied ist allerdings der, dass da viele sinnvolle Maßnahmen vorgeschlagen werden, die aber unter die Überschrift „Flüchtlinge“ gestellt werden. Das ist gefährlich und falsch. Wenn wir uns hier im Haus dafür entscheiden – –

(Zuruf)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, in den Begründungen steht immer wieder das Wort Flüchtlinge. – Ich sagte deshalb, dass das gefährlich und falsch ist. Wenn wir uns hier im Haus dafür entscheiden, etwas mehr Geld zur Verfügung zu stellen, um Überstunden im öffentlichen Dienst abzubauen, oder wenn wir Ganztagsschulen ausbauen wollen, dann hat das mit Flüchtlingen zunächst nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Das alles ist im Grunde richtig. Aber was sollen die Menschen in Hessen denken, wenn die Landesregierung jetzt endlich dafür sorgt, dass diese sinnvollen, wenn auch kleinen Schritte mit der Begründung gegangen werden, es seien so viele Menschen, die hierher geflüchtet seien?

Das stimmt doch so aber gar nicht. Nehmen Sie etwa den Wohnungsbau. Hier hat sich die neue Regierungskoalition aus CDU, SPD und GRÜNEN darauf verständigt, dass man 10.000 Wohnungen bis zum Jahr 2019 bauen will. Hier ist das Problem doch nicht, dass wir in Hessen Flüchtlinge aufnehmen. Das Problem ist, dass der öffentliche und soziale Wohnungsbau seit Jahrzehnten vernachlässigt wird.

(Zustimmung bei Abgeordneten der LINKEN)

Die 10.000 Wohnungen werden nicht einmal ausreichen, um den Wegfall von 16.900 Wohnungen aus der Sozialbindung im gleichen Zeitraum aufzufangen.

Das Gleiche gilt auch für den Bereich der Ganztagsschulen – hier besteht massiver Bedarf. Deshalb hat sich SchwarzGrün auch mit dem Pakt für den Nachmittag ein Trostpflaster für die Eltern und Kinder in Hessen ausgedacht. Weil dieses Trostpflaster aber eben nicht wirklich weiterhilft, um den Bedarf an Ganztagsschulen zu decken, geschweige denn, um überhaupt Ganztagsschule als pädagogisches Projekt für das Land anzugehen, baut man hier wenigstens mit kleinen Beträgen die Ganztagsschulangebote aus.

Selbst für zusätzliche Lehrer ist endlich Geld da. Ich finde das alles im Grundsatz richtig, weil es ein Schritt weg ist von der Logik einer Schuldenbremse, die immer nur auf neuen Kürzungen besteht. Allerdings bleibt das richtig, auch wenn wir wieder einmal weniger Geflüchtete hier aufnehmen müssten, etwa weil Fluchtursachen bekämpft und der Krieg wirklich geächtet wären.

Man kann vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatten fast den Eindruck haben, dass die Landesregierung endlich auf den Trichter gekommen wäre, mehr Lehrer, mehr Ganztagsschulen, mehr Wohnungsbau finanzieren. Aber das ist leider nicht so.

Sie stecken weiter tief in der Logik der Schuldenbremse. Für diese Landesregierung geht es weiterhin darum – der Kollege Kaufmann hat es noch einmal betont –, die Ausgaben des Staates zu kürzen, und weiter verweigern Sie sich einem Politikwechsel, der auf Umverteilen von oben nach unten setzt.

Die Kommunen sind chronisch unterfinanziert, die Investitionen wurden auf allen Ebenen vor allem als Sparpotenzial betrachtet, der soziale Wohnungsbau wurde über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt, und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden für immer neue Sonderopfer herangezogen, um den Landeshaushalt zu sanieren.

Währenddessen waren und sind Steuererhöhungen, die vor allem Menschen mit besonders hohen Einkommen und großen Vermögen, aber auch Großkonzerne und Banken treffen, tabu. Bis heute weigert sich die Landesregierung, ihrer Einnahmeverantwortung nachzukommen und im Bundesrat auf die Wiedererhebung der Vermögensteuer und die Anhebung der Besteuerung großer Erbschaften hinzuarbeiten. Beides sind die Steuern, über die Hessen seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen kann.

Stattdessen plant die Landesregierung weitere Einschnitte bei den Investitionen, die bis 2019 um 22 % unter dem Niveau des Jahres 2013 liegen sollen, und vernachlässigt damit die Interessen nachfolgender Generationen genauso wie die Interessen all derer, die auf eine funktionierende öffentliche Infrastruktur angewiesen sind: wir alle.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch im nächsten Jahr sollen in Hessens öffentlichem Dienst Personal abgebaut und die Beamtinnen und Beamten von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden. Besonders da der Stellenabbau im öffentlichen Dienst dieses Jahr im Bereich von Stellen für Auszubildende stattfindet, wird klar, dass es schon längst nicht mehr um Generationengerechtigkeit geht.

Gerade hier wird deutlich, dass die Schuldenbremse mit Generationengerechtigkeit nichts zu tun hat. Die Landesre

gierung hat sich selbst in einem Bündnis für Ausbildung zu mehr Engagement verpflichtet. Gemeinsam mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunalen Spitzenverbänden und der Bundesagentur für Arbeit hatte man sich das Ziel gesetzt, dass in Hessen jährlich 1.500 zusätzliche Ausbildungsstellen entstehen. Die Streichung von 138,5 Ausbildungsstellen im Landesdienst widerspricht diesem zentralen Anliegen des Landes Hessen fundamental.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher sollen die Ausbildungsstellen nicht gestrichen werden. Einen entsprechenden Änderungsantrag haben wir vorgelegt.

Das alles tut die schwarz-grüne Landesregierung, damit um jeden Preis die sogenannte Schuldenbremse eingehalten werden kann. Dabei wird es immer offensichtlicher, dass die Schuldenbremse nicht vereinbar ist mit einem demokratischen Staat, der handlungsfähig ist und Politik im Interesse des Gemeinwohls gestaltet. Genau diesen Geist des Abbaus der Handlungsfähigkeit des Staates atmet auch dieser schwarz-grüne Landeshaushalt – von Politikwechsel keine Spur.

Deshalb gilt für unsere Fraktion: Wenn jetzt einige Maßnahmen getroffen werden über Änderungsanträge, die wir wenigstens als kleine Schritte in die richtige Richtung ansehen, dann sind wir bereit, dafür zu stimmen, diesen schlechten Haushaltsentwurf ein klein wenig besser zu machen. Aber davon wird dieser schlechte Haushaltsentwurf noch kein guter, und deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei ihren Änderungsanträgen haben die Regierungsfraktionen noch einen vermeintlich kleinen Antrag gestellt – wahrscheinlich in der Hoffnung, dass die SPD jetzt als Opposition ausfällt und wir ihnen das durchgehen lassen würden.

Meine Damen und Herren, es geht um den Änderungsantrag zum HoLM. Hier heißt es in der Begründung des Änderungsantrages:

Der finanzielle Mehrbedarf in Höhe von 3.623.800 € resultiert im Wesentlichen aus der hinter den Erwartungen zurückbleibenden Mietauslastung der Immobilie. Ursprünglich wurde bereits in der Anlaufphase von einer höheren Mietauslastung der Immobilie ausgegangen. Zudem sind die für den Betrieb der Immobilie verbundenen Aufgaben und Verpflichtungen zu niedrig angesetzt worden. Dies lässt sich vor allem auf die Tatsache zurückführen, dass das Gebäude erst Mitte 2014 in Betrieb genommen wurde. Insoweit bestanden zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushalts des Landes seitens der Geschäftsführung noch geringe Erfahrungswerte im Aufwand der Bewirtschaftung.

Sie hätten es auch auf gut Deutsch schreiben können: Das HoLM ist ein Flop und kostet jede Menge Geld, das wir besser an anderer Stelle ausgeben könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Gegenfinanzierung dieser Mehrkosten ist dann aber wirklich die Höhe. Sie nehmen das Geld, das am HoLM an Mieteinnahmen nicht hereinkommt, aus dem Sondervermögen „Wohnungswesen und Zukunftsinvestitionen“. Geld, das eigentlich vor allem für den sozialen Wohnungsbau da ist, fließt jetzt in ein untergehendes Leuchtturmpro

jekt, das keiner braucht. Dieses Geld hätte man besser zusätzlich in den sozialen Wohnungsbau gesteckt, statt dem Geld, was am HoLM schon verschwendet wurde, noch mehr hinterherzuwerfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber diese Art der Wirtschaftlichkeit hat in Hessen eine Tradition, im Umfeld von Flughäfen allemal.

Besonders pikant ist die Tatsache, dass eine weitere Million zur Finanzierung des HoLM aus den Dividenden von Fraport gezahlt wird. Wir nehmen also das Geld, das wir von Fraport bekommen, um es wieder an Fraport zurückzuzahlen. Das ist eine Geschichte, die man einfach nicht so durchgehen lassen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Der guten Ordnung halber möchte ich auch noch etwas zu den Änderungsanträgen der FDP sagen. Nachdem Sie in der zweiten Lesung die Änderungsanträge der SPD allein mit der Begründung abgelehnt haben, dass es zu früh für Änderungsanträge sei, haben Sie unsere Änderungsanträge im Haushaltsausschuss glatt ohne Begründung abgelehnt.

(Günter Rudolph (SPD): Wie es passt!)

Ich will es Ihnen nicht gleichtun, sondern inhaltlich darauf eingehen. Wir werden Ihren Änderungsanträgen im Bildungsbereich teilweise zustimmen, da auch wir es für sinnvoll halten, auf die im Haushalt vorgesehenen Kürzungen bei den Schulen zu verzichten. Ihren Kampf gegen Windmühlen tragen wir aber nicht mit. Sie sollten anerkennen, dass wir die Energiewende brauchen und dass es sinnvoll ist, dabei auch auf Windenergie zu setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der FDP, wir sind im 21. Jahrhundert. Die Zeit, in der wir Dinosaurierleichen verbrennen, ist langsam vorbei. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)