Meine Damen und Herren, auf der Besuchertribüne begrüße ich den Oberbürgermeister der Stadt Offenbach, Horst Schneider. Herzlich willkommen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Oberbürgermeister! Ich will in der Debatte anschließen an das, was Kollege Willi van Ooyen gesagt hat. Ich bin wirklich erstaunt darüber, mit welcher Gelassenheit wir von den demokratischen Fraktionen uns bei diesem Thema verhalten.
Kollege van Ooyen hat nichts Geringeres gesagt, als dass die Schuldenbremse undemokratisch und eine Qual für die Menschen in diesem Land sei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien, die Schuldenbremse ist der Wunsch der Bevölkerung unseres Landes. Er ist Verfassungsinhalt, und er ist gut.
Er ist gut, denn er ist nachhaltig. Es geht nicht nach dem Motto: „Wir geben das Geld unserer Kinder und Enkelkinder aus“, sondern es geht danach, was diese Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen das tun.
Die schwäbische Hausfrau, aber auch der Kumpel im Ruhrgebiet haben das so gemacht. Wir wollen so arbeiten, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine schuldenfreie Immobilie zur Verfügung stellen können. Viele haben das geschafft, und ich bemerke das jedes Mal bei den Empfängen des VdK, wenn man das im Festzelt auf dem Hessentag anspricht, wo wir schon alle gesprochen haben. Das ist nachhaltige Politik. Diese Politik hat Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut, und die wollen die Deutschen und Hessen auch wiederhaben. Daran müssen wir uns halten.
Ich bin natürlich irritiert, wenn ich in der Presseerklärung von Herrn Boddenberg und von Herrn Wagner lese: „Wir wollen die Schuldenbremse einhalten“. Das ist die falsche Überschrift. Die Überschrift muss lauten: „Wir werden die Schuldenbremse einhalten“. Wollen ist etwas – – Na ja, es kann noch etwas passieren.
Herr Kollege, es hat mich irritiert, als Sie eben sagten, die Schuldenbremse sei etwas Vernünftiges, wenn man es mittelfristig beurteile. Da werde ich natürlich ganz hellhörig. Wir reden jetzt über den Haushalt 2016. Wenn Sie von Mittelfristigkeit bei der Schuldenbremse sprechen, die auf alle Fälle zum Ende dieses Jahrzehnts auf gesetzlicher Grundlage umgesetzt werden muss, was heißt denn dann „mittelfristig“? Das ist doch genau dieselbe Argumentation wie die von Herrn Kollegen Boddenberg, der das gerne „will“. Ach, was ich alles will und was ich in meinem Leben schon alles gewollt habe. Ich habe z. B. gewollt, dass die FDP weiterhin im Bundestag bleibt. Sie ist es derzeit nicht. Lassen wir doch die Sprüche mit dem Wollen: Ernsthaftigkeit ist hier gefragt.
Ich habe es in der ersten Lesung, Florian Rentsch hat es in der zweiten Lesung gesagt, und ich habe es in der Debatte im Haushaltsausschuss immer wieder nachgefragt oder angemahnt: Wo ist eigentlich die Ernsthaftigkeit der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Schuldenbremse auch wirklich erfolgreich umzusetzen? Wo ist der Beweis?
Wo ist der Beweis? Herr Schork, es ist kein Beweis, wenn man gerade einmal wieder knapp unter der Latte hindurchläuft. Das ist kein Beweis, das ist eine Pflichtaufgabe. Ich habe es Ihnen schon mehrfach gesagt: Das ist keine Leistung von Ihnen. Sie müssen das so machen. Aber machen müssen heißt nicht, dass Sie es auch machen wollen. Dann
hätten Sie nämlich gerade dieses Jahr genutzt, um den Abbaupfad der Schuldenbremse mit viel größerem Interesse und viel intensiver zu begehen.
Herr Kollege, 1,4 Milliarden € hat Ihr eigener Finanzminister als zusätzliche Steuereinnahmen im Haushalt notiert – 1,4 Milliarden €. Darin sind noch nicht die Sonderzuweisungen enthalten – vollkommen zu Recht, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich glaube, ich war hier der Erste am Pult, der gesagt hat: „Derjenige, der die Grenzen aufmacht, muss auch für die Flüchtlinge bezahlen.“ Die Umsatzsteuereinnahmen, die aufgrund des Kompromisses mit dem Bund noch nach Hessen gekommen sind, habe ich noch nicht zu den 1,4 Milliarden € an zusätzlichen Steuereinnahmen hinzugerechnet. Sie haben allein aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten 1,4 Milliarden € – und machen so viele neue Schulden. Sie machen so viele neue Schulden, dass Sie gerade unter der Hürde des Gesetzes hindurchschlüpfen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von Schwarz und Grün, das hat nichts mit nachhaltiger Finanzpolitik zu tun, das ist ein Durchschlängeln von Jahr zu Jahr. Wir Liberale erkennen darin jedenfalls keine Strategie.
Es bedarf gar keines Gutachtens von PwC. Wir wussten das doch alle selbst. Es gibt ein Schreiben von Staatssekretärin Dr. Weyland, das vor einigen Tagen oder Wochen an den Haushaltsausschuss ging. Es geht darin um das Eigenkapital und dessen Entwicklung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur sagen: Häufig ist Lesen auch bildend. Aus dem Schreiben geht eindeutig hervor, dass immer dann, wenn zusätzliche Schulden aufgenommen werden – Herr Schork, also genau das, was Sie jetzt in einer Stunde beschließen wollen, nämlich zusätzlich knapp 700 Millionen € Schulden aufzunehmen –, ein Defizit oder eine geringere Entwicklung bei der Eigenkapitalquote entsteht. Das macht die Flexibilität des Haushalts kaputt.
Etwas Ähnliches umschreibt PwC gerade. Auch hier sind die Zahlen wieder verräterisch. Laut PwC – in der Prognose schon beginnend ab jetzt – hat das Land Hessen eine der höchsten Pro-Kopf-Ausgaben, 140 € mehr pro Einwohner als die alten Flächenländer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben aber auch fast die höchsten Zinsausgaben. Ich weiß, dass das das Land und die Kommunen betrifft. Herr van Ooyen und, ich glaube, auch schon andere Kollegen haben bereits darauf hingewiesen. Aber für die Haushaltssituation der Kommunen – ich glaube, da gab es in diesem Haus keinen Streit – sind wir im Hessischen Landtag doch mitverantwortlich.
Wir haben beim KFA darüber diskutiert, wie die einzelnen Berechnungen vorgenommen werden müssen. Wir wollen doch nicht, dass die Kommunen in eine Steuererhöhungsspirale hineingezwungen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben auch diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und von den GRÜNEN unterstützt.
Ich habe deshalb für die Freien Demokraten zu Beginn noch einmal sehr bewusst darauf hingewiesen: Das ist nicht unser Haushalt. Unser Haushalt hätte damit weitergemacht, was Kollege Rentsch, Kollegin Beer und ich in den Jahren 2010, 2011 und 2012 begonnen haben, nämlich damit, strukturelle Veränderungen in den Verwaltungen vorzunehmen, zu überprüfen, ob alle unsere Standorte noch sinnvoll sind, und nachzuschauen, wo es Doppel- und Dreifachbearbeitungen gibt.
Die aktuelle Frage – das Thema ist gestern angesprochen worden – lautet jetzt: Wieso müssen Flüchtlingsdaten eigentlich einmal vom Land Hessen erhoben werden und dann später noch einmal vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge? Es reicht doch vollkommen aus, wenn man das einmal macht.
In unserem Haushalt würden nach guter Vorbereitung strukturelle Veränderungen vorgenommen, damit nicht die Schmerzen kommen, mit denen Herr van Ooyen hier gedroht hat. Dadurch wäre unser Haushalt strukturell in der Lage, mit weniger zusätzlichen Steuereinnahmen auszukommen. Die Feinschmecker haben es eben gehört – ich habe gesagt: „mit weniger zusätzlichen Steuereinnahmen“. Denn wir hoffen alle, dass jedes Jahr ein bisschen mehr Steuern eingenommen werden. Es müssen und werden nicht immer 1,4 Milliarden € sein.
Zweite Bemerkung. Über die Art der Beratung haben sich alle meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits ausgesprochen. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich habe auch bei Personen nachgefragt, die seit über 20 Jahren Haushaltsberatungen durchführen, ob es so etwas schon einmal gegeben hat. Keiner hat das so erlebt. Man muss sagen – und das goutieren wir als Freie Demokraten auch –, besondere Zeiten führen auch zu besonderen Maßnahmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es will mir nicht in den Kopf hinein – ich sage es jetzt nicht frankfurterisch, damit es der Offenbacher Oberbürgermeister auch versteht –, wieso die entscheidenden Eckbausteinanträge – wie hat Kollege Kaufmann das vorhin bezeichnet? –,
Schlusssteinanträge den Mitgliedern des Hessischen Landtags erst 48 Stunden vor dieser Beratung vorgelegt werden.
Dazu komme ich gleich. Herr Kaufmann, das ist der billigste Zwischenruf, den Sie in den letzten 15 Jahren hier abgegeben haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind dafür verantwortlich, dass der Haushaltsausschuss dem Parlament eine Empfehlung mit einem ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Das haben Sie aber nicht getan. Vielmehr haben
Sie vor 48 Stunden diese Anträge hier vorgelegt. Ohne dass ich jetzt hier beckmessern will – das ist überhaupt nicht das Thema der Freien Demokraten in diesem Hause –,
Herr Wagner, Beckmesserei: Ich hätte gerne Sie hier gehört, wenn das die schwarz-blau-gelbe Regierung so gemacht hätte.