Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Da habe ich gesagt: Ich freue mich am meisten darauf, dass Norbert Schmitt eine staatstragende Rede in diesem Haus halten muss.

(Allgemeine Heiterkeit – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Er kann nach Ihnen noch einmal reden! – Armin Schwarz (CDU): Nächstes Jahr!)

Das war sozusagen eine motivatorische Bemerkung für die Fortsetzung der Debatte an anderer Stelle. Jedenfalls sage ich Ihnen ausdrücklich herzlichen Dank dafür, dass wir die großen Fragen, die uns bewegen, in der Zukunft ein Stück weit gemeinsam bewältigen.

Lassen Sie mich noch zwei oder drei ergänzende Hinweise zu Einzelelementen der Debatte geben. Das Stichwort Besoldung bewegt interessanterweise alle Landesregierungen, unabhängig von der politischen Farbenlehre. Die Landesregierungen kommen auch überwiegend zu den gleichen Antworten, nämlich dass die Besoldungszuwächse begrenzt werden müssen, wenn wir bei Personalausgabenquoten, die irgendwo zwischen 40 und 50 % liegen, eine Chance haben wollen, die Konsolidierung fortzusetzen.

Dann sind es z. B. sozialdemokratisch geprägte Regierungen, die das machen, und anders geprägte Oppositionsfrak

tionen, die das kritisieren. Bei uns ist es umgekehrt: Eine christdemokratisch geführte Regierung macht es, und eine sozialdemokratische Opposition kritisiert es. Ich wage einmal die Prognose: Wenn Sie in einem anderen Bundesland an der Regierung wären, hätten Sie genau die umgekehrte Aufgabe.

Deshalb verstehe ich es zwar, dass sich die Opposition ein Stück weit zum Sprachrohr der Betroffenen macht. Aber ich will mit Blick auf andere Bundesländer auch darauf hinweisen, dass das etwas Ritualhaftes an sich hat.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch einige inhaltliche Bemerkungen aufgreifen. Ich verstehe die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer schaut nicht gern auf andere, die in einem Jahr andere Besoldungs- und Vergütungszuwächse zu verzeichnen haben? Der Blick ins Nachbarbüro, in dem der Angestellte sitzt, der die gleiche Arbeit macht, ist dann eine zusätzliche Herausforderung – völlig klar. Der Blick zurück auf Besoldungserhöhungen von zwei mal 2,6 % tröstet da auch nur sehr begrenzt. Das weiß ich.

Aber auch in den Gesprächen mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Finanzverwaltung erlaube ich mir immer, auf zwei Aspekte der Debatte hinzuweisen. Der eine Punkt ist: Häufig begegnet einem in den Gesprächen ein Argument nach dem Motto: Gehe ich zu meiner Bank oder Sparkasse an den Schalter, weiß ich, der Mitarbeiter hat durch den Bankentarifvertrag oder den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, der für die Sparkassen gilt, eine viel höhere Vergütungserhöhung bekommen als ich. – Das verstehe ich.

Aber der vermeintlich so sichere, gemütliche und mit guter Kleidung verbundene Arbeitsplatz, gerade bei den Regionalbanken, ist nicht so sicher wie die Beamtenstellung auf Lebenszeit im öffentlichen Dienst, wenn die Niedrigzinsphase in den nächsten vier, fünf, sechs Jahren so weitergeht; die Bundesbank hat uns mit einer Analyse ziemlich nachdrücklich darauf vorbereitet, was dann passiert. Dort müssen dann möglicherweise viele Menschen eine ganz andere Diskussion über ihren weiteren beruflichen Weg führen. Wir bemühen uns darum, dass es anders wird, aber die Risikoszenarien sind da.

Lassen Sie mich ein Zweites hinzufügen. Angesichts einer Arbeitswelt der Zukunft, in der wir es erleben werden, dass Unternehmen entstehen, groß werden und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, aber im nächsten Schritt möglicherweise wieder kleiner werden oder gar vom Markt verschwinden, und sich die Betroffenen wieder eine neue Stelle suchen müssen, wird die Vorstellung, man beginnt seine Berufstätigkeit in einem Unternehmen und hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man aus demselben Unternehmen irgendwann einmal als Rentner ausscheidet, immer seltener und ist die Chance, im öffentlichen Dienst als Beamtin oder Beamter eine Lebenszeitperspektive zu haben, natürlich noch mit einer neuen Wertigkeit zu versehen. Das tröstet nicht über den Ärger des Momentes hinaus. Das weiß ich.

Ein Weiteres, bevor ich diesen Teil meiner Rede wieder verlassen will: Meine sehr verehrten Damen und Herren, sprechen Sie einmal mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zum Versicherungsvertreter ihres Vertrauens gehen und sagen: Biete mir einmal eine Zusatzversicherung an, mit der ich aufgestockt auf die Leistungen der ge

setzlichen Krankenversicherung für mich und meine ganze Familie Chefarztbehandlungen und Unterbringungen in Zweibettzimmern erreichen kann.

Wenn dann der Versicherungsvertreter ein gutes Angebot macht, ist das jedenfalls um einen Faktor drei, vier, fünf oder sechs höher als die 18,90 €, die wir von den Beamtinnen und Beamten des Landes Hessen dafür verlangen, dass sie genau diese privilegierte Leistung bekommen.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wiederum: Die 18,90 € sind eine Belastung, wenn sie abgebucht werden. Aber den Betroffenen gelegentlich den Hinweis zu geben: „Fragt einmal die Kolleginnen und Kollegen aus dem Sportverein, die nicht Beamtinnen und Beamte sind, was sie zahlen müssen, um die gleiche Leistung am Gesundheitsmarkt einkaufen zu können“, sorgt in den Gesprächen jedenfalls zumindest für etwas Nachdenklichkeit, und ich wollte Ihnen das an der Stelle nicht vorenthalten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich auch noch etwas zu den Investitionen sagen. Bestandteil der Koalitionsvereinbarung von CDU und GRÜNEN für diese Legislaturperiode ist auch, an einzelnen Elementen die sehr hohe Investitionstätigkeit des Landes Hessen ein Stück weit zu strecken. Das hat auch damit zu tun, dass wir als einziges Bundesland in der Folge der großen Konjunkturkrise 2008/2009 ein eigenes Landeskonjunkturprogramm aufgelegt haben, womit wir zusätzlich in Milliarden-Dimensionen investiert haben.

Im Protokoll des Hessischen Landtags ist ausdrücklich festgehalten: Das sind keine Investitionen, die dauerhaft „on top“ kommen, sondern nur solche, die wir ein Stück weit vorgezogen haben, um die konjunkturellen Wirkungen zu erzielen, die wir dann auch erzielt haben. Wenn ich aber Investitionen vorziehe, ist es denklogisch so, dass die Summe bei den Investitionen später irgendwann einmal sinkt; sonst habe ich keinen Vorzieheffekt, sondern den „On-top-Effekt“.

(Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich glaube, wenn das nach wie vor Konsens ist, ist es vernünftig und richtig, zu sagen, temporär können wir uns leisten, die Investitionstätigkeit im Interesse der Einhaltung des Konsolidierungskurses ein Stück weit zurückzunehmen. Das entbindet uns aber nicht von der Verantwortung, gerade die öffentliche Infrastruktur im Blick zu behalten und dort für Investitionen zu sorgen.

Ich bin völlig bei dem, was Michael Boddenberg gesagt hat. Die Prioritätensetzung der nächsten Jahre ist immer: Investition vor konsumtiven Ausgaben. Dort, wo wir es politisch steuern können, müssen wir in Infrastruktur, Bildungsinfrastruktur und in die Voraussetzungen für das Leben der nächsten Generation investieren, bevor wir darüber nachdenken, schöne neue konsumtive Programme zur Gestaltung des politischen Alltags aufzulegen. Ich hoffe sehr, dass uns das gelingt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden die Schuldenbremse einhalten. Auch insofern bin ich Michael Boddenberg sehr dankbar, dass er versucht

hat, den semantischen Kunststückchen des Kollegen JörgUwe Hahn ein klares Wort entgegenzusetzen.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich habe klargestellt!)

Es steht außer Frage, dass das einzuhalten ist, was 70 % der Hessinnen und Hessen mit unserer Hilfe in die Verfassung geschrieben haben. Aber die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind nicht ganz unbeträchtlich. Dass ein niedriges Zinsniveau, ein geringer Ölpreis und eine extrem kontinuierliche ökonomische Gesamtlage dauerhaft die Grundlage unseres Tuns sein werden, ist jedenfalls ein optimistischer Gedanke.

Deshalb werden wir in den nächsten Jahren die Konsolidierung gemeinschaftlich umso schärfer im Blick behalten müssen, um diese Ziele am Ende auch erreichen zu können. Wir gehen mit der jetzigen Haushaltsveranschlagung noch nicht ganz an die Grenze dessen, was wir können. Glücklicherweise hat diese VBL-Rückzahlung dazu beigetragen, dass wir an die Grenze nicht ganz herangehen müssen. Aber wir stehen im neuen Jahr vor Unbekanntem: Wie stark unser Haushalt angespannt sein wird, hängt ganz wesentlich davon ab, wie viele Menschen im neuen Jahr zu uns kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben aber auch noch ein paar Reserven. Alles, was die Steuereinnahmeentwicklung dieses Jahres zeigt – der 15. Dezember ist noch einmal ein großer Vorauszahlungstermin, deshalb: mit allem Vorbehalt: –, spricht dafür, dass wir in diesem Jahr auch unter Berücksichtigung der verschärften Bedingungen des Ausführungsgesetzes zur Schuldenbremse wieder Rücklagen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags zurücklegen können, um gerüstet zu sein und um mit einem etwaigen Nachtragshaushalt des Jahres 2016 auf neue Herausforderungen reagieren zu können.

Schon der Blick auf das Jahr 2017 zeigt im Moment aus meiner Sicht mehr Frage- als Ausrufezeichen. Allein die Frage, was aus der Spitzabrechnung mit dem Bund für die Erstattung der Kosten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber kommen wird, ist eine im Moment noch nicht seriös zu beantwortende Frage; der Bund selbst kann sie nämlich noch nicht seriös beantworten.

Deshalb werden wir bei der Aufstellung des Haushaltsplans 2017 daran festhalten, nicht nur die Schuldenbremse einzuhalten, nämlich den gesetzlichen Korridor, sondern auch unsere ehrgeizige Planung, die Nettoneuverschuldung in die grobe Größenordnung von 350 Millionen € abzusenken. Aber wir müssen sehen, dass wir das gleichzeitig mit der Bewältigung der Herausforderungen vereinbaren, die uns an dieser Stelle begegnen werden. Dazu werden wir im neuen Jahr einen intensiven und konstruktiven Diskursprozess beginnen müssen.

Lassen Sie mich noch einen Punkt aus der Debatte aufgreifen, weil er mich geärgert hat. Kollege van Ooyen schafft es in aller Regel nicht, mich zu ärgern. In einem Punkt ist es ihm aber gelungen: Gestern im Haushaltsausschuss die Frage zu stellen, woher die Deckung für den Ausgabenantrag HoLM kommt und ob dafür Mittel des Wohnungsbaus genommen werden, dann die Antwort zu bekommen, es sind keine Mittel aus dem Wohnungsbau, sondern höhere Erträge aus unserer stillen Einlage in der Helaba, die wir dafür nehmen, das dankbar nickend zur Kenntnis zu nehmen – zumindest habe ich Ihren Gesichtsausdruck so interpretiert – und heute den gegenteiligen Unsinn in der Ple

nardebatte des Hessischen Landtags vorzutragen – da komme ich nicht mehr mit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Er konnte doch die Rede nicht mehr umschreiben! – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Entweder schaffen Sie es nicht, Ihre Manuskripte von der einen Nacht auf den nächsten Tag noch einmal zu überarbeiten – dann ist es eine Frage der Arbeitstechnik –, oder es ist die bewusste Irreführung des Parlaments und der Öffentlichkeit. Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich von beiden Möglichkeiten bedauerlicher fände. Es ist jedenfalls unredlich, was Sie machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines der ungewöhnlichsten Haushaltsaufstellungsverfahren kommt heute zu einem Ende, wie ich meine: zu einem guten Ende. Wir schaffen es, die Herausforderungen, die vor uns liegen, zu bewältigen. Gleichzeitig schaffen wir es aber auch, die Anforderungen der Schuldenbremse einzuhalten, die uns 70 % der Bürgerinnen und Bürger mitgegeben haben. Ich glaube, diesen schwierigen Spagat, diese Balance, hinzubekommen und aufrechtzuerhalten und den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass wir in der Politik nicht nur über die Probleme reden, sondern auch Antworten für die ganz praktischen Probleme des Lebens vor Ort haben, ist eine der wichtigsten Botschaften.

Lassen Sie mich ein Letztes hinzufügen. Die Diskussion mit den Kommunen zu der Frage der Kostenpauschalen war sicherlich ambitioniert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist wohl wahr!)

Am Ende sind wir zu einem Ergebnis gekommen. Aber ich glaube, wir müssen die Diskussion im neuen Jahr noch ein Stück weit fortsetzen, und zwar weniger über die Pauschalen. Mich ärgert gelegentlich in der Debatte, dass in den Sonntagsreden von der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung dieser Aufgabe gesprochen wird. Wenn es dann aber ums Bezahlen geht, wird von der kommunalen Ebene gelegentlich, aus meiner Sicht zu häufig, gesagt: Bezahlen, das macht das Land oder der Bund, und notfalls kommt das Geld von Europa. Wir haben damit finanziell vor Ort nichts zu tun. – Dabei weiß ich, dass die ganz praktischen Dinge des Lebens sich vor Ort abspielen und die Beteiligten vor Ort sehr stressen. Aber der Glaube, dass es ohne jegliche kommunale Mitverantwortung auch monetär gelingen kann, die Herausforderungen zu bewältigen, ist zumindest naiv; und das ist jetzt aber noch die vorweihnachtliche Formulierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf wollte ich hingewiesen haben: dass wir diese Diskussion auch in der Bewusstseinsbildung mit unseren Kommunalpolitikerinnen und -politikern vor Ort führen. Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört auch, klar zu sagen: Gesamtgesellschaftliche Verantwortung heißt auch monetäre Verantwortung auf allen staatlichen Ebenen. Nur so schaffen wir es am Ende, dies gemeinsam zu bewältigen. – Herzlichen Dank für die Unterstützung und die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Finanzminister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Das heißt, von der Mittagspause trennt uns nur noch das bisschen Haushalt.

(Heiterkeit)

Da dieses Jahr alles anders ist, erfordert dies allerdings noch etwas Konzentration.

Wir kommen also zur Abstimmung in dritter Lesung über den Gesetzentwurf zum Haushalt 2016 in der Fassung der Beschlussempfehlung und des Zweiten Berichts des Haushaltsausschusses, Drucks. 19/2922 zu Drucks. 19/2662 zu Drucks. 19/2307.

Nach § 19 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung ist am Schluss der dritten Lesung zunächst über vorliegende Änderungsanträge abzustimmen. Sodann wird über den Gesetzentwurf im Ganzen, gegebenenfalls mit den im Verlauf der dritten Lesung beschlossenen Änderungen, abgestimmt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über die Änderungsanträge der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Alle in der Zukunft aufgerufenen Drucksachen kommen – wie sollte es auch anders sein? – aus der 19. Wahlperiode; das spare ich mir jeweils.

Also nun zur Drucks. 2936: Wer stimmt zu? – Das sind die Fraktionen CDU, GRÜNE und SPD. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – FDP und LINKE. Damit angenommen.