Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Beifall bei der LINKEN)

Wir unterstützen die Forderung der Kolleginnen und Kollegen nach einer 40-Stunden-Woche, nach der Angleichung an den Tarifvertrag und nach besseren Arbeitsbedingungen. Wir prangern die Stundenkürzungen an hessischen Schulen an, und wir lassen uns nicht länger mit dem Märchen einer „demografischen Rendite“, die es de facto nicht gibt und in den nächsten Jahren nicht geben wird, einlullen.

Ich will Ihnen zum Schluss noch einen kleinen Denkanstoß geben: In unseren Nachbarbundesländern werden nun ebenfalls Lehrerstellen geschaffen, mehrere Tausend insgesamt. Was meinen Sie, wohin zieht es die junge Lehrerin nach ihrem Referendariat? In das Bundesland, das Lehrern unangemessen hohe Arbeitszeiten für niedrige Bezahlung anbietet und gleichzeitig mit strengen Sanktionen droht, wenn man nicht spurt, oder in ein Bundesland, das längst die 40-Stunden-Woche für Beamtinnen und Beamte und die Angleichung der Besoldung an den Tarifvertrag umgesetzt hat?

(Alexander Bauer (CDU): Alle nach Thüringen!)

Herr Kultusminister, wir alle wissen, dass es zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen, die mit der Ausweitung der Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen vor uns liegen, durchaus sinnvoll und geboten erscheint, den Lehrerinnen und Lehrern und ihren Vertretungen die Hand zu reichen, statt sie mit Disziplinarmaßnahmen zu überziehen. Seien Sie klug. Setzen Sie andere, setzen Sie neue, positive Signale. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexan- der Bauer (CDU))

Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Das Wort hat Herr Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

(Alexander Bauer (CDU): Rechtsstaatslehre!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was die LINKEN hier auf die Tagesordnung gesetzt haben, sind eigentlich zwei völlig verschiedene Themenbereiche. Es gibt zwei Themen, die zwar in einem Kontext stehen, aber doch etwas völlig Unterschiedliches bedeuten.

Der erste Punkt hat etwas mit der Nullrunde im Lande Hessen zu tun. Darüber haben wir insbesondere in dieser

Woche bereits mehrfach gesprochen, nicht zuletzt bei den Haushaltsberatungen, in der Zwischenzeit und bis heute. Unsere Positionen dürften hinreichend bekannt sein: Wir Freie Demokraten lehnen die Nullrunde 2015 und die pauschale Vorfestlegung der schwarz-grünen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen auf eine Deckelung der Besoldungserhöhungen auf 1 % jährlich bis 2018 ab.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Dies ist ein klarer Verstoß gegen das Alimentationsprinzip, und da kommt schon eine Verbindung zu dem anderen Thema auf; denn das Alimentationsprinzip ist eine der Kerninhalte unseres verfassungsmäßigen Beamtenrechts. Deswegen kann dieses Sonderopfer nicht so eingefordert werden, wie es die Koalition tut. Die Politik der Koalition ist leistungsfeindlich. Sie ist dazu geeignet, die Motivation der Beamten zu vernichten, und erschwert außerdem in Zeiten des Fachkräftemangels in fahrlässiger Weise die Chancen zur Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abge- ordneten der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein bisschen anders sieht es beim zweiten Punkt aus, den Frau Cárdenas hier vorgetragen hat und der Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist, nämlich die Disziplinarmaßnahmen gegen streikende Lehrer.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

Da ist die Bewertung „beamtenfeindlich“ völlig aus der Luft gegriffen, denn eines ist klar: Die Rechtswidrigkeit dieses Streiks war der veranstaltenden Gewerkschaft GEW absolut bewusst und hätte auch den teilnehmenden Lehrern klar sein müssen, wenn sie sich halbwegs mit ihrem Status beschäftigt hätten.

Das Recht, zur Durchsetzung eigener Interessen in den Arbeitskampf zu treten, ist völlig unbestritten. Es ist für Arbeitnehmer ein überaus wichtiges Grundrecht. Bekanntermaßen ist jedoch das Streikverbot für Beamte das Gegenstück für die Privilegien, die sich ansonsten aus dem Beamtenverhältnis ergeben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die 42-Stunden-Woche, oder was?)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, auf den sich auch die GEW in ihrer Argumentation bezieht, hat gesagt, ein Verbot des Arbeitskampfes sei nur für solche Staatsbedienstete zulässig, die der hoheitlichen Staatsverwaltung angehören und damit an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt sind. Das lässt sich durchaus hören; das kann man so vertreten. Ich bin mir allerdings nicht so ganz sicher, wenn man weiß, was der Hintergrund dieser Entscheidung ist, ob der EGMR bei einem Urteil, das das Rechtsverhältnis deutscher Beamter beträfe, genauso entscheiden oder deutlich ein paar andere Nuancen ansprechen würde. Soweit es nicht allen bekannt ist, will ich darauf hinweisen: Es ging hier um das Rechtsverhältnis türkischer Beamter, und das türkische Beamtenrecht ist doch ein klein wenig anders als das deutsche.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Alexander Bauer (CDU): Aha!)

Frau Cárdenas, das ist der entscheidende Faktor: Dadurch hat sich die Rechtslage in Deutschland zunächst nicht geändert. Das ergibt sich aus der deutschen Rechtsprechung. Frau Kollegin Cárdenas, das Bundesverwaltungsgericht hat

mit Blick auf diese Entscheidung des EGMR sehr deutlich festgestellt – ich zitiere aus der entsprechenden Pressemeldung –:

Für die Übergangszeit bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung verbleibt es bei der Geltung des verfassungsunmittelbaren Streikverbots.

Damit ist festzustellen, dass der Streik der GEW nach geltendem deutschen Recht schlicht und ergreifend rechtswidrig gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Soweit Teilnehmer ihrer Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen sind, ihre Dienstpflichten also bewusst verletzt haben, sieht das Beamtenrecht Disziplinarmaßnahmen vor. Ich habe unmittelbar danach beim Kultusministerium abgefragt, ob auch entsprechend reagiert wurde, weil bekannt ist, dass der eine oder andere Schulleiter mit GEW-Nähe dazu neigt, solche Dinge zu bagatellisieren. Ich bin froh, dass das Ministerium so aktiv geworden ist.

Ich will auch sehr deutlich sagen: Ich bin dafür dankbar, dass nicht etwa alle Lehrervertreter im Lande Hessen diese Position der GEW vertreten. Im Gegenteil, wir durften gerade wieder lesen, dass der Deutsche Lehrerverband, also der Dachverband, der Philologenverband, die Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen sowie andere sehr deutlich darauf hingewiesen haben, dass Beamte, die durch ihre verschiedenen Privilegien geschützt sind, im Gegenzug eine besondere Loyalität bei der Dienstausübung schulden. Das ist genau der Kerninhalt, und der dlh stellt dazu sehr klar fest – das ist auch im Interesse von Schülern und Eltern so zu sehen –: Der Staat muss sich auf seine Beamten verlassen können, sonst brauchen wir keine Beamten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das, was die GEW dort betreibt, ist Rosinenpickerei. Sie versucht, sich ein bisschen aus dem Beamtenstatus und ein bisschen aus dem sonstigen Arbeitsrecht zu holen. Diese Rosinenpickerei ist mit uns nicht zu machen. Damit legen sie die Axt an das Berufsbeamtentum überhaupt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat Herr Kollege Armin Schwarz, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Ich will mich gar nicht an den juristischen Feinheiten beteiligen. Ich bin dem Kollegen Greilich dankbar, dass er schon ein paar Eckpunkte gesetzt hat. Es ist allerdings klar, das Streikverbot für Beamte ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Grundgesetz eine maßgebliche Vorgabe aus dem Bundesverfassungsrecht. Im Übrigen wurde es mehrfach höchstrichterlich bestätigt, so zuletzt auch durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014.

Im Klartext heißt das, der Beamtenstatus ist einerseits an besondere Rechte, andererseits aber auch an besondere Pflichten gebunden. Zu den Rechten, zu den Privilegien,

gehören der Kündigungsschutz, ein höheres Nettoeinkommen durch geringere Sozialversicherungsabgaben

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das ist doch ein Ammenmärchen!)

und natürlich eine besondere Fürsorgepflicht des Staats. Zu den Pflichten gehört allerdings auch, auch das hat Kollege Greilich festgestellt, eine besondere Treue- und Dienstpflicht gegenüber dem Dienstherrn und der Allgemeinheit. Das ist wichtig. Des Weiteren gehört dazu das Verbot, zu streiken. Im Klartext heißt das: Ich kann nicht meine Arbeit niederlegen, um gegen Maßnahmen zu protestieren, die mir möglicherweise nicht gefallen. Ich bin meinem Dienstherren und natürlich auch der Gesellschaft gegenüber loyal verpflichtet.

Beamte haben genügend Möglichkeiten, sich zu beschweren. Da gibt es beispielsweise den Dienstweg. Gelegentlich geht auch einmal ein Brief an das Kultusministerium ein, habe ich mir sagen lassen. Es gibt eine Vielzahl von Verbänden. Es gibt auch die Möglichkeit, zu demonstrieren. Allerdings besteht das Demonstrationsrecht nur außerhalb der Dienstzeit. Auch das ist wichtig zu betonen.

Es gibt eine Vielzahl von Verbänden, über die man auch seine Interessen deutlich machen kann. Da gibt es beispielsweise den Philologenverband, den dlh, den VBE, den glb und auch die GEW. Das muss man auch feststellen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist die Größte von allen, 60 % Organisationsgrad!)

Arbeitsniederlegungen bzw. Streiks sind ein erheblicher Verstoß gegen das Dienstrecht, Herr Kollege. Eltern erwarten zu Recht Planungssicherheit und guten Unterricht für ihre Kinder. Schülerinnen und Schüler erwarten zu Recht ordentliche Bildung, und dass die Lehrerinnen und Lehrer da sind. Die Schulleitungen haben zu Recht einen Anspruch darauf, Planungssicherheit zu haben, dass die Kollegen morgens auch erscheinen. Das gilt immer. Das gilt für den regulären Schulbetrieb, und das gilt insbesondere in Zeiten des Prüfungsbetriebs.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Ich halte es für abenteuerlich, wenn in einer Abiturprüfungsphase im Juni 2015 gestreikt und damit der Betrieb gefährdet wird. Man gefährdet damit den Betrieb, und man gefährdet damit die Abiturprüfungen. Das ist unsäglich und völlig inakzeptabel.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ein Popanz, da waren die Prüfungen vorbei, die Prüfungen waren im Mai!)

Herr Kollege, im Übrigen handelte es sich seitens der GEW um eine Aufforderung zum Rechtsbruch.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist unsäglich und völlig inakzeptabel. Deswegen sage ich auch sehr klar: Jawohl, da müssen Zeichen gesetzt werden. Jawohl, das ist Anlass, dass das auch zu Disziplinarmaßnahmen führt.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Es ist gut und richtig, dass die Staatlichen Schulämter entsprechend vorgehen. Herr Kollege Greilich, es ist richtig,

die GEW und die LINKEN setzen die Axt an das Beamtentum an. Das will ich auch noch feststellen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)