Protokoll der Sitzung vom 02.02.2016

Frage 450, Herr Abg. Dietz.

Ich frage die Landesregierung:

Welche Ziele verfolgt sie mit dem Modellvorhaben „Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen“?

Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Herr Abg. Dietz, dem Modellvorhaben, das in der Metropolregion Rhein-Neckar von den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gemeinsam durchgeführt wird, liegt die relativ banale Erkenntnis zugrunde, dass den Bürgerinnen und Bürgern, die E-Government-Angebote nachfragen, relativ egal ist, wie die jeweiligen Zuständigkeiten den Gebietskörperschaften dieser Region, in denen sie wohnen oder in denen sie Dienstleistungen nachfragen, föderal zugeordnet sind. Das Ziel des Modellvorhabens ist es deshalb, einheitliche, in den drei betei

ligten Bundesländern verwendbare E-Government-Projekte zu identifizieren und zu entwickeln, damit die Grenzen zwischen Bundesländern und Kommunen an der Stelle kein Hinderungsgrund bei der Nutzung dieser Angebote sind.

Wir sind in der fünfjährigen Praxis des Modellvorhabens sehr ordentlich vorangekommen. Unter hessischer Federführung ist beispielsweise ein Projekt mit dem schönen Namen „eLISA“ entwickelt worden, das es Unternehmen, die regelmäßig in großem Umfang Emissionsdaten ermitteln und an Behörden weiterleiten müssen, ermöglicht, diese elektronisch so aufzubereiten, dass die Weiterleitung und die Verarbeitung in den IT-Systemen der öffentlichen Körperschaften medienbruchfrei erfolgen kann. Das ist am Ende zum Nutzen der Beteiligten vor Ort in den Unternehmen, aber genauso in den beteiligten Behörden, also eine klassische Win-win-Situation. Auf diesem Wege ist eine Reihe von Modellvorhaben entwickelt worden, und dieser Prozess wird fortgesetzt.

Frage 451, Herr Abg. Gremmels.

Ich frage die Landesregierung:

Welchen Abstand wird Hessen-Forst zwischen Flächen für Ruheforst-/Friedwaldstätten und Flächen, die sie an Windkraftbetreibern verpachtet, halten?

Frau Staatsministerin Hinz.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Hessen-Forst orientiert sich bei allen Planungen und Verfahren zur Verpachtung von Standorten für Windenergieanlagen strikt an den Grenzen der Flächen, die als Vorranggebiete in den Teilregionalplänen Energie in einem öffentlich-rechtlichen Planungsprozess durch die entsprechenden Regierungspräsidien erarbeitet und ausgewiesen wurden.

Der Abstand, der sich dabei im Rahmen der behördlichen Zulassung von Windenergieanlagen zu Friedhöfen oder Waldruhestätten ergibt, richtet sich im Einzelfall nach den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen. Konkrete Mindestabstände zu Friedhöfen und Waldruhestätten sind gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Zusatzfrage, Herr Kollege Gremmels.

Dann frage ich noch einmal anders: Wird Hessen-Forst ein und dieselbe Fläche sowohl für die Friedwaldnutzung als auch für die Windkraftnutzung verpachten? Können Sie das ausschließen?

Frau Staatsministerin Hinz.

Hessen-Forst zieht im Vorfeld der Verpachtung von Windkraftstandorten im Staatswald Erkundigungen ein, ob es aus Sicht der Regierungspräsidien als immissionsschutzrechtliche Genehmigungs- und Zulassungsbehörden gegebenenfalls bestimmte Abstandsregelungen gibt, die zu beachten sein könnten. Dabei ist davon auszugehen, dass bei der Erarbeitung der Regionalpläne die Überschneidung von Windvorrangflächen und Flächen für Friedwälder oder Ruheforste bereits in der Planungsphase vermieden würde.

Wir haben bislang drei im Staatswald gelegene Waldruhestätten: in den Forstämtern Reinhardshagen, Weilrod und Langen. Dort ist die Frage überhaupt noch nicht relevant geworden, und wir gehen davon aus, dass solche Flächen auch weiterhin ausgespart werden.

Zweite Zusatzfrage, Herr Abg. Gremmels.

Frau Ministerin, das wird von den Regierungspräsidien anders ausgedrückt. Ich glaube, sie formulieren es folgendermaßen: Das Land Hessen als Eigentümer der Waldfläche hat die Aufgabe und ist die Selbstverpflichtung eingegangen, die Flächen nicht doppelt zu verpachten, d. h. einerseits an Windkraftanlagenbetreiber und andererseits an die Betreiber von Friedwäldern. – Können Sie sich als Eigentümerin der Fläche selbst dazu verpflichten, dass dort keine parallele Nutzung erfolgt?

Frau Staatsministerin Hinz.

Die Flächen für Waldruhestätten können wir nicht noch einmal an Betreiber von Windkraftanlagen verpachten. Das ist ziemlich ausgeschlossen.

Vielen Dank. – Damit schließe ich die heutige Fragestunde.

(Die Fragen 454, 458, 459, 461, 468 und die Ant- worten der Landesregierung sind als Anlage beige- fügt. Die Fragen 452, 453, 455 bis 457, 460, 462 bis 467 und 469 sollen auf Wunsch der Fragestellerin- nen und Fragesteller in der nächsten Fragestunde be- antwortet werden.)

Ich darf nun Tagesordnungspunkt 2 aufrufen:

Regierungserklärung des Hessischen Ministers des Innern und für Sport betreffend „Sicher leben – Zusammenhalt gewährleisten“

Damit rufe ich noch Tagesordnungspunkt 58 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Polizei und Justiz in Hessen ausbauen – innere Sicherheit stärken – Drucks. 19/3094 –

und Tagesordnungspunkt 60:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend erfolgreiche Arbeit der hessischen Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung – Stärkungspaket für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen – Drucks.

19/3096 –

Die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von 20 Minuten verständigt, wobei diese sich an der Redezeit der Regierung orientiert. Ich weise darauf hin, dass ich im Anschluss an die Regierungserklärung zunächst den Sozialdemokraten, dann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN, FDP und CDU und zum Schluss der fraktionslosen Abgeordneten das Wort erteile.

Ich erteile dem hessischen Innenminister Peter Beuth das Wort. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage „Wie sicher kann ich mich fühlen?“ treibt in diesen Tagen viele Menschen um, auch in Hessen. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, und sie ist eine Grundvoraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Sicherheitsgefühl kann dabei von den objektiv messbaren Parametern der Kriminalstatistik, mit denen Sicherheit bundesweit erfasst wird, durchaus abweichen. Das erkannte schon der griechische Philosoph Epiktet, der sagte:

Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.

Wenn wir objektiv betrachten, wie die Dinge sind, sehen wir in Hessen eine Aufklärungsquote, die seit Einführung der Kriminalstatistik im Jahr 1971 nie höher war. 59,9 % aufgeklärte Straftaten sind ein eindrucksvoller Beleg für die erfolgreiche und professionelle Arbeit der hessischen Polizei und die Richtigkeit der politischen Weichenstellungen der letzten rund eineinhalb Jahrzehnte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben der hervorragenden Aufklärungsquote möchte ich besonders den Rückgang bei der Straßenkriminalität hervorheben, also bei den Straftaten, die auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen begangen werden. Hier haben wir in den letzten 20 Jahren die Fallzahlen halbiert. Für das Jahr 2015 können wir hier ebenfalls den niedrigsten Wert seit Einführung der Polizeilichen Kriminalstatistik vorweisen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle im Namen der gesamten Hessischen Landesregierung allen Bediensteten der hessischen Polizei für den herausragenden, unermüdlichen und erfolgreichen Einsatz sehr herzlich danken.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche Aufklärungsquote ist für sich genommen schon alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das zeigt allein der Blick auf die anderen Bundesländer. Eine solche Aufklärungsquote ist aber umso höher wertzuschätzen angesichts der Herausforderungen, die sich den Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr gestellt haben. Die Liste ist lang.

Beispielhaft möchte ich einige Herausforderungen benennen: Einsatzmaßnahmen rund um die Eröffnung der EZB, die zentralen Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum der deutschen Einheit in Frankfurt und die nachhaltige Befassung mit Islamisten, insbesondere mit sogenannten Dschihad-Reisenden und Rückkehrern. Wir hatten einen enormen Kräfteeinsatz bei den Veranstaltungen von Kagida, Fragida, Legida und der Freien Bürger für Deutschland. Die Unterstützungseinsätze für andere Bundesländer haben für die hessische Polizei über 220.000 Einsatzstunden mit sich gebracht, insbesondere beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern.

Besonders geprägt haben die polizeiliche Arbeit im vergangenen Jahr zwei furchtbare Terroranschläge in unserem Nachbarland Frankreich. Besonders geprägt hat die polizeiliche Arbeit aber auch die Aufnahme und Unterbringung von 90.000 Menschen, die im letzten Jahr als Flüchtlinge nach Hessen kamen. Mit ihnen kam auch eine Reihe neuer Herausforderungen und Aufgabenstellungen. Diese reichen von der Erfassung wegen des Verdachts auf illegale Einreise über Auseinandersetzungen in den Unterkünften bis zu Demonstrationen für oder gegen Zuwanderung, welche die Polizei jeweils zu ermöglichen hatte.

All diese Geschehnisse im vergangenen Jahr, von Terroranschlägen über die Bedrohung durch extremistischen Islamismus – dessen Bedrohung für unsere Sicherheit uns durch den geplanten Anschlag auf das Radrennen am 1. Mai ganz unmittelbar vor Augen geführt wurde – bis zu beispiellosen Flüchtlingszahlen, die zu bewältigen waren und noch zu bewältigen sind, machen deutlich, welche Herausforderungen sich nicht nur der Polizei, sondern der gesamten Gesellschaft in unserem Land stellen. Umso wichtiger ist die klare Botschaft, welche die Kriminalstatistik 2015 aussendet: Hessen ist sicher, und Hessen bleibt sicher.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns der subjektiven Betrachtung der Dinge zuwenden, stoßen wir auf das Thema Sicherheitsgefühl. Das Sicherheitsgefühl und die Kriminalitätsangst werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst; die Berechtigung lässt sich in der Realität oftmals nicht belegen. Dennoch sind die Sorgen da. Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst, und wir setzen alles daran, ihnen diese Sorgen zu nehmen; denn auch das Sicherheitsgefühl ist ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die erschütternden Vorfälle in der Silvesternacht in Köln haben viele Menschen, auch bei uns in Hessen, sehr verunsichert. Befeuert wird diese Verunsicherung durch Meldungen über Straftaten – die gerade in den sozialen Netzwerken viral sind –, die von Asylbewerbern begangen und anschließend vertuscht worden sein sollen. Dabei ist völlig klar: Die Polizei handelt nach Recht und Gesetz und ohne Ansehen der Person. Wer etwas anderes auch nur andeutet, führt die Menschen bewusst in die Irre. Wir sollten uns einig sein, dass es die gemeinsame Aufgabe aller Akteure im politischen und gesellschaftlichen Raum sein muss, verantwortungsvoll mit etwaiger Verunsicherung umzugehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich die Aspekte der Sicherheit beleuchten, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge im Zusammenhang stehen: Das ist zum einen die Kriminalität, die von Asylbewerbern ausgeht. Es sind aber auch Straftaten, die sich aus fremdenfeindlichen Motiven gegen Flüchtlinge richten. Beides beschäftigt die Sicherheitsbehörden, und beides zeigt das Spannungsfeld, in dem diese sich bei ihrer Arbeit bewegen.