Protokoll der Sitzung vom 02.02.2016

Ich nenne Ihnen gern auch noch eine zweite Statistik, die heute in der „HNA“ veröffentlicht ist, nämlich die Statistik dazu, wie viele Polizeibeamte wir im Verhältnis zur Bevölkerung in Hessen haben. Da liegt Hessen – sage und schreibe – auf dem 14. Platz, also noch einen Platz schlechter.

(Zurufe der Abg. Günter Rudolph (SPD) und Michael Boddenberg (CDU))

Das können Sie gern in der „HNA“ von heute nachlesen. Es war übrigens gestern auch bei n-tv zu lesen. Lieber Herr Boddenberg, Sie müssen sich zuschreiben lassen, dass auch unabhängige Dritte das so sehen wie wir: dass die Polizei offensichtlich nicht die höchste Priorität in diesem Bundesland hat, sondern mittlerweile weit abgeschlagen ist. Das haben Sie durch Ihren Personalabbau zu verantworten.

(Beifall bei der SPD)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein. – Ich darf noch den Vorsitzenden der DPolG in Hessen, Heini Schmitt, zitieren, der im Übrigen zur Polizeilichen Kriminalstatistik gesagt hat: „Hervorragende Arbeit der Polizei verdient alles andere als Besoldungsnullrunde, Einschnitte bei der Beihilfe und Deckelung der Besoldungserhöhung auf 1 % ab 2016“.

Und die DPolG steht nun wirklich nicht im Verdacht, der SPD nahezustehen

(Thorsten Schäfer-Gümbel und Günter Rudolph (SPD): Nein, wirklich nicht!)

Er hat ein Weiteres getan. Er hat nämlich auch Bezug auf die Statistik zur Polizeidichte in Deutschland genommen und hat dazu gesagt:

Die ebenfalls vor wenigen Tagen veröffentlichte Statistik zur Polizeidichte in Deutschland weist Hessen einen hinteren Platz zu, mit gerade mal 226 Polizeivollzugsbeamten auf 100.000 Einwohner.

Jetzt kommt es; er geht noch einen Schritt weiter:

Am Wochenende oder zur Nachtzeit haben wir es in vielen ländlichen Regionen mit einem Betreuungsverhältnis von 1 : 20.000 bis 1 : 30.000 zu tun.

Also: ein Beamter auf 20.000 bzw. auf 30.000 Menschen in der Bevölkerung.

Wenn im Zuständigkeitsbereich einer mittelgroßen Polizeistation 100.000 Einwohner leben und diese Polizeistation im Nachtdienst planmäßig zwei Funkwagenbesatzungen auf die Straße bringt (was der Norm entspricht), dann müssen sich 100.000 Bürger ganze vier Polizisten teilen, die mitunter lange Anfahrtszeiten zum Ort des Geschehens haben.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört! – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Bauer, das ist das, was die DPolG in Hessen zu Ihrer Politik sagt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Herr Bauer, innere Sicherheit kann nur gut gewährleistet werden, wenn die Rahmenbedingungen für die Polizei verbessert werden. Dazu fordern wir Sie auf. Wir haben im Übrigen im letzten Jahr bewiesen, dass wir beim Haushalt sehr konstruktiv mitgearbeitet haben. Davon hat der Innenminister heute übrigens nichts gesagt. Er hat nichts dazu gesagt.

(Zurufe der Abg. Günter Rudolph und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Er hat wahrscheinlich übersehen, dass wir es waren, die mit Ihnen gemeinsam dafür gesorgt haben, dass die Polizeianwärterstellen in Hessen endlich angehoben werden und mehr Personal eingestellt werden kann,

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

dass wir es waren, die mit dafür gesorgt haben, dass die 3,5 Millionen Überstunden ausbezahlt werden können, und dass wir es waren, die Geld für eine bessere Schutzausstattung für die Polizei zur Verfügung gestellt haben. Alles das haben Sie heute für sich in Anspruch genommen. Es wäre nett, wenn Sie auch einmal darauf hinweisen würden, dass SPD-Politik da gewirkt hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Meine Damen und Herren, der Innenminister hat vorhin zu Beginn seiner Rede den griechischen Philosophen Epiktet zitiert. Ich möchte das auch tun. Ich finde, das ist ein honoriger griechischer Philosoph, den man durchaus zitieren kann:

Nicht die Sprüche sind es, woran es fehlt; die Bücher sind voll davon. Woran es fehlt, sind die Menschen, die sie anwenden.

Ich finde, das passt ganz gut auf die heutige Regierungserklärung.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

„In der Krise beweist sich der Charakter“ – so hat unser ehemaliger Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal gesagt. Das heißt für uns, dass gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir eine hohe Zuwanderung von Flüchtlingen haben, Haltung gefragt ist. Es geht darum, die Gesellschaft stark zu machen und die Hilfe suchenden Menschen zu integrieren. Wir müssen die Gesellschaft dabei zusammenhalten und dürfen nicht einzelne Gruppen gegeneinander ausspielen.

Da darf man sich auch nicht von solchen Ereignissen wie in Köln, Frankfurt oder Hamburg an Silvester abbringen lassen. Ich hätte mir, ehrlich gesagt, gewünscht, dass der Herr Innenminister heute etwas mehr zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen hat als das, was er heute getan hat.

(Beifall bei der SPD)

Auch zu dem Ereignis in Köln wollen wir etwas sagen: Natürlich sind Kriminalität und Gewalt, egal von wem sie ausgehen, jederzeit zu verurteilen und mit aller Härte des Rechtsstaates zu bekämpfen. Was denn sonst?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zwei Dinge dürfen dabei aber nicht passieren. Es darf nicht zu einer übertriebenen Debatte dergestalt kommen, dass durch die Zuwanderung von Flüchtlingen die Kriminalität überdurchschnittlich ansteige. Das haben Sie heute auch nicht getan. Sie haben noch einmal darauf hingewiesen, dass die registrierten Straftaten trotz einer Vervierfachung der Zuwanderungszahlen nicht im gleichen Maße ansteigen. Herr Innenminister, das wurde in Ihrer Presseerklärung aber wesentlich deutlicher als heute in Ihrer Rede.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, doch. Ich glaube, dass es dazu schon ein bisschen etwas zu sagen gibt, und zwar hinsichtlich der Frage, dass es dem Innenminister heute besser angestanden hätte, die Gewichtungen in seiner Rede vielleicht etwas anders vorzunehmen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das würde ich für Ihre Rede auch so sehen!)

Statt sehr lange über die Anzahl und die Taten der Flüchtlinge zu reden, hätte er vielleicht ein bisschen über andere Bereiche und extremistische Phänomene sagen können. Aber dazu komme ich gleich noch.

(Holger Bellino (CDU): Er hat es genau andersherum formuliert!)

Die Straftaten, die dort von einzelnen Bevölkerungsgruppen begangen wurden, dürfen auch nicht dazu benutzt werden, den Eindruck entstehen zu lassen, dass dort eine Gruppe besonders auffällig sei.

Transparenz ist wichtig. Aber sie darf nicht einseitig und tendenziös sein. Darauf legen wir sehr viel Wert.

(Beifall bei der SPD)

Der Innenminister hat heute leider nichts dazu gesagt, dass das im Zuge von Köln notwendig war. Die SPD-Fraktion auf Bundesebene hat schon länger dazu einen Gesetzentwurf vorbereitet. Dabei geht es darum, zu einer Verschärfung des Sexualstrafrechts zu kommen. Bereits im letzten Sommer hat Justizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf in das Kabinett eingebracht. Aber das Bundeskanzleramt hat ihn leider ein halbes Jahr zurückgehalten.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, ich will Ihnen eines sagen: Ihre Justizministerin läuft draußen herum und erklärt, es sei die Schuld der SPD, dass dieser Gesetzentwurf noch nicht verabschiedet sei. Das ist schlicht die Unwahrheit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich hätte mir ein paar klare Worte des Innenministers dazu gewünscht. Vielleicht hätte er als Innenminister auch ein paar klarstellende Worte dazu sagen müssen, dass wir miteinander davon ausgehen, dass das Gewaltmonopol nur vom Staat ausgehen darf. Ich gehe davon aus, dass wir Demokraten da einer Meinung sind. Deshalb sind Bestrebungen, Bürgerwehren zu gründen, eindeutig abzulehnen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Janine Wissler, Hermann Schaus (DIE LINKE) und Florian Rentsch (FDP))

Rassismus und Rechtsextremismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Die Ausschreitungen gegen die Flüchtlinge, die Flüchtlingsheime, die Helferinnen und Helfer sowie gegen die Politikerinnen und Politiker haben ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen.

Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass man dagegen mit der gesamten Härte des Rechtsstaats vorgehen muss. Ja klar, was denn sonst? – Es bedarf aber mehr. Insbesondere muss konsequent in die Präventionsarbeit investiert werden. Das fordern wir übrigens schon seit Jahren. Aber die Landesregierung hat da ihre Zuschüsse immer von den Zuweisungen des Bundes und der Europäischen Union abhängig gemacht. Sie hat langfristig keine eigenen Mittel eingesetzt. Vielleicht sollte man das einmal angesichts der aktuellen Lage überdenken.

Es gab allein in Hessen im letzten Jahr 23 Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte. Das rechtfertigt meines Erachtens eine besondere Strategie zur Vermeidung weiterer Übergriffe. Davon war heute vom Innenminister nichts, aber auch gar nichts zu hören.

(Beifall bei der SPD)