Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Ich bin trotzdem dankbar, weil mir das die Gelegenheit gibt, noch einmal öffentlich herauszustellen, was diese Landesregierung in den vergangenen Jahren für das Bildungssystem getan hat und welche herausragenden Rahmenbedingungen sie gerade auch im Vergleich mit benachbarten Bundesländern geschaffen hat. Das ist ein klares Zeichen für die kontinuierliche Priorisierung des Bildungssektors, für die diese Landesregierung steht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, seit 1999 haben wir permanent zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, Tausende – und das, obwohl die Zahl der Schülerinnen und Schüler seither ebenso permanent zurückgegangen ist.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Auch in dieser Legislaturperiode haben wir von Anfang an erklärt, dass wir alle Stellen für Lehrerinnen und Lehrer im System belassen, trotz weiter zurückgegangener Schülerzahlen, und im Dezember haben wir mit dem Haushalt 2016 noch einmal 800 neue Stellen draufgesetzt. Meine Damen und Herren, stärker kann man den politischen Schwerpunkt dieser Landesregierung im Bildungsbereich auch unter Haushaltsaspekten nicht unterstreichen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die Unterrichtsversorgung von 82 % auf 105 % gebracht. Wir haben die Lehrer/Schüler-Relation auf 1 : 15 verbessert, und damit haben wir gerade auch im Gymnasium sehr viel erreicht. Die bevorzugte Aufnahme der Gymnasien ins Ganztagsprofil ist schon angesprochen worden. Ich will hinzufügen: Wir haben auch die maximale Klassengröße in den Gymnasien von 33 auf 30 Schülerinnen und Schüler gesenkt. Damit haben wir eine Reduzierung der durchschnittlichen Klassengröße auf rund 26 Schülerinnen und Schüler erreicht – so wenige hatten wir in Hessen im Schnitt noch nie in den Klassen. In den nächsten vier Jahren werden wir beispielsweise noch die Ausstattung der Gymnasien mit Funktionsstellen zur Wahrnehmung von Schulleitungsaufgaben verbessern. Insgesamt investieren wir damit für die optimale Ausbildung der gegenwärtigen und kommenden Schülergenerationen mehr Geld als je zuvor in der Geschichte dieses Landes, und zwar über alle Sektoren des Bildungssystems hinweg.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt geht es darum, ob man innerhalb des Systems eine kleine Verschiebung von Ressourcen vornehmen darf, um den drängenden politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen im Bildungsbereich noch besser gerecht werden zu können, also ob man von all den Zuwächsen der vergangenen Jahre in der Sekundarstufe II – ich will nochmals klarstellen: Es geht hier nicht um Schulformen, es geht um Schulstufen – –

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Danke! – Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Die Frage ist, ob man von all den Zuwächsen der vergangenen Jahre in der Sekundarstufe II, die davon auch in besonderer Weise profitiert hat, ein kleines bisschen wegnehmen darf, um es den Grundschulen und der Sekundarstufe I, also den Einrichtungen am Anfang der Bildungskette, zugutekommen zu lassen, über alle Schulformen hinweg.

Und es ist eine kleine Verschiebung. Die Hälfte davon ist schon geschehen. Wir sehen die Fakten. In der Einführungsphase zur gymnasialen Oberstufe, die in diesem Schuljahr mit dieser Hälfte der Zuweisungsreduzierung betroffen war, ist die Kursgröße um weniger als 0,7 Schüler pro Kurs gestiegen, und kein Kurs wurde eingestellt. Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit. Das ist das, was wir schon jetzt dokumentieren können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Jetzt weiß ich, was gleich kommt, und ich höre das immer wieder: Das ist alles nur Statistik, und vor Ort sieht das alles ganz anders aus.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir haben z. B. heute auch schon zweimal den Verweis auf Leistungskurse mit 28 Schülerinnen und Schülern gehört. Ich will jetzt einmal davon absehen, dass es mathematisch überhaupt nicht sein kann, dass – wenn die tatsächliche Durchschnittszahl der Schülerinnen und Schüler im Leistungskurs bei 17,8 liegt – dann massenweise Leistungskurse mit 28 Schülerinnen und Schülern in Hessen unterwegs sind. Meine Damen und Herren, das ist einfach nicht möglich.

(Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Aber vielleicht darf man auch darauf hinweisen, dass wir, Stand heute, in Hessen über 600 Leistungskurse mit weniger als zehn Schülerinnen und Schülern haben und knapp 100 Leistungskurse mit weniger als 5 Schülerinnen und Schülern. Meine Damen und Herren, das ist doch ein klarer Beleg dafür, wie gut die gymnasiale Oberstufe in der Vergangenheit ausgestattet worden ist. Ich kann Herrn Abg. Greilich nur unterstützen: Ich würde denjenigen, die auf Rheinland-Pfalz verweisen, wirklich wünschen – aber eigentlich kann ich das nicht tun –, das einfach einmal vor Ort auszuprobieren. Dann nämlich würden sie die Unterschiede wahrnehmen und so etwas nicht mehr in irgendwelche Briefe schreiben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, diese hervorragende Ausstattung verringert sich geringfügig gegenüber den letzten beiden Schuljahren. Aber sie bleibt an allen grundständigen Gymnasien und Gesamtschulen besser, als sie es noch vor fünf Jahren war. Ich finde, man darf schon die Frage stellen, warum eine Versorgung, die damals als vollkommen auskömmlich galt, jetzt plötzlich den Zusammenbruch des gymnasialen Bildungsgangs markieren soll.

(Florian Rentsch (FDP): Wir haben sie erhöht, weil wir sie nicht für auskömmlich gehalten haben! Genau das ist es!)

Herr Abg. Degen hat seine Rede damit begonnen – das fand ich sehr nett –, dass er der heute beginnenden Abiturprüfungen gedacht hat. Heute wird Physik geschrieben, und zum Glück läuft alles glatt. Das freut auch mich sehr. Ich nutze die Gelegenheit: Auch ich wünsche allen Abiturientinnen und Abiturienten viel Glück. Ich darf ihnen versichern: Auch ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger werden in Zukunft ohne Probleme ein gutes Abitur machen können. Die Versorgung dafür ist gewährleistet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und trotzdem, meine Damen und Herren: Weil wir die Reaktionen alle ernst nehmen, sind wir in einen Dialogprozess mit allen betroffenen Schulen eingetreten, um eventuelle besondere Konstellationen und Härten zu identifizieren, die sich eben nicht in der Statistik abbilden,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Einen Dialogprozess!)

und um etwaige Maßnahmen zur Gegensteuerung zu besprechen. Wir nehmen diesen Prozess ebenfalls sehr ernst. Er bringt uns auch interessante Erkenntnisse. Es gibt Fälle, wo wir gesehen haben, da kommen bestimmte Faktoren zusammen, da muss man etwas tun, darauf muss man reagieren. Das besprechen wir gerade, das überlegen wir gerade. Wir haben aber auch durchaus Erkenntnisse gewonnen, wo wir gesehen haben, dass sich das Kursangebot, wie es in der Vergangenheit an den Schulen gewährleistet wurde, völlig problemlos, wie es unsere Daten zeigen, mit der neuen Versorgung gewährleisten lässt.

Aber dann muss man vielleicht auch über solche Dinge reden können wie z. B. über Überstunden von Lehrerinnen und Lehrern, die aus der Vergangenheit vor sich hergeschoben werden, wohlgemerkt: nicht abgeleistete Überstunden, sondern sozusagen gebunkerte Stunden aus der Zuweisung. Da muss man vielleicht auch über besondere Entlastungsstunden reden, die in der einen oder anderen Großzügigkeit gewährt werden. Da muss man vielleicht auch über die eine oder andere Arbeitsgemeinschaft reden. Ich verstehe jede schöne Arbeitsgemeinschaft, ich gönne sie auch jedem. Aber ob man wirklich in der Oberstufe am Gymnasium unbedingt nebenher noch fechten lernen muss – ich finde, das sind Punkte, die darf man, wenn man sich die bildungspolitischen Herausforderungen insgesamt anschaut, an der einen oder anderen Stelle einmal hinterfragen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden diesen Prozess weiterführen. Er ist noch nicht abgeschlossen, wir haben auch noch keine Zuweisung für das kommende Schuljahr festgelegt. Wir werden im Rahmen des Möglichen Konsequenzen daraus ziehen. Deshalb haben wir die Schulen eingeladen.

Ich bin schon ein bisschen verblüfft – das will ich auch nicht verhehlen –, wenn der Abg. Degen hier viele konkrete Beispiele zitiert. Wenn ich richtig mitgehört habe: Von all den Schulen, die Sie angesprochen haben, haben nur zwei uns überhaupt irgendein Problem signalisiert und sich an uns gewandt. Das finde ich schon interessant. Wo Sie die Beispiele hernehmen, würde mich interessieren. Wir gehen dem gern im Einzelnen nach, wir fahren auch gern in jede einzelne Schule. Wir werden das z. B. am LessingGymnasium in Frankfurt, das hier ausdrücklich erwähnt worden ist, persönlich machen, weil mir an diesem Dialog etwas liegt, weil mir etwas daran liegt, festzustellen, dass wir auch wirklich keine besonderen unerwünschten Konsequenzen herbeiführen, die wir vielleicht aufgrund unserer statistischen Daten nicht sehen. Aber das, was sich bei uns abbildet, zeigt bisher nicht, dass hier in irgendeiner Form ein generelles Problem vorliegt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch eines festhalten. Wir haben unsere investiven Schwerpunkte in dieser Legislaturperiode betont: dem wachsenden Wunsch und Bedarf nach ganztägigen Angeboten gerecht zu werden, der zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft mit einer gesteigerten individuellen Förderung Rechnung zu tragen und natürlich auch neu in die Schule kommende Kinder und Jugendliche mit den notwendigen Sprachkenntnissen auszustatten. Niemand – nicht in den Medien, nicht in den vielen Zuschriften, die

auch viele hier im Raum bekommen haben und die vorhin angesprochen worden sind, nicht in diesem Haus – hat diese Schwerpunktsetzung je kritisiert. Das darf der Kultusminister vielleicht auch einmal positiv feststellen, dass offensichtlich alles, was wir tun und wofür wir Geld ausgeben – mehr als je zuvor in der Geschichte dieses Landes – gut und richtig ist. Denn wenn daran überhaupt Kritik kommt, dann die, dass das alles noch zu wenig sei.

Nur, wenn das alles gut und richtig ist, wenn es selbst davon noch mehr sein dürfte und dann noch nichts innerhalb des Bildungssystems in irgendeiner Form neu angeordnet oder verschoben werden darf, dann muss auch einmal jemand sagen, wo das Geld herkommen soll.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir haben eine Vorstellung!)

Dazu höre ich nichts: in den Medien, auch in den vielen schlauen Kolumnen dazu, nichts, in den durchaus zahlreichen Zuschriften nichts, in den Anträgen zu dieser Debatte nichts und in den Reden, die hier gehalten worden sind, natürlich auch nichts.

Meine Damen und Herren, in all den Mails, die ich wie auch viele andere zu diesem Thema erhalten habe, habe ich genau zwei Vorschläge zur Finanzierung gefunden. Die will ich Ihnen nicht vorenthalten. Vielleicht habe ich auch einen übersehen, Sie dürfen das gern anhand Ihrer eigenen Mailbox nachvollziehen. Der eine war die Wiedereinführung von Studiengebühren, um daraus die Oberstufe querzusubventionieren. Das fand ich schon interessant. Das stößt allerdings auf gewisse juristische Hindernisse, von anderen Aspekten abgesehen. Der zweite war der Verzicht auf die Anschaffung des neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich weiß nicht, ob diese Vorschläge ernst gemeint waren. Aber es ist jedenfalls immer noch mehr, als die Opposition in diesem Hause zu bieten hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christoph Degen (SPD): Haushaltsdebatte!)

Denn das, was die Opposition hier an Finanzierungsvorschlägen bietet, ist, wie wir schon festgestellt haben, nichts, und das ist ein bisschen wenig. Ich sagte eben, ich weiß nicht, ob die genannten Vorschläge ernst gemeint waren. Aber die Opposition bietet hierzu nicht einmal etwas, was man ernst nehmen könnte.

(Christoph Degen (SPD): Letzte Haushaltsdebatte!)

Da gab es auch keine Finanzierungsvorschläge. – Meine Damen und Herren, damit qualifiziert man sich nicht für die Übernahme politischer Verantwortung – denn dazu gehört eben auch, mit der Endlichkeit von Ressourcen umzugehen –, sondern nur für das, was Sie sind und bleiben werden, nämlich als Opposition. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

(Dirk Landau (CDU): Nicht schon wieder die Vermögensteuer!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich muss schon sagen, das grenzt an Realitätsverleugnung, was Sie hier machen. Da gibt es Hunderte E-Mails, Hunderte Zuschriften, da gibt es eine Petition, da gibt es eine Demonstration, und Sie stellen sich hierhin und sagen, es gebe kein generelles Problem. Ich frage Sie: Was sollen denn die Eltern und Schüler noch tun, damit das Problem bis zum Kultusministerium vordringt?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Ab- geordneten der FDP)

Herr Wagner, ich muss schon sagen, Ihre Rede spricht für sich.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)