Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

(Beifall bei der SPD)

Aber ich finde es nett, dass Sie trotzdem unterschrieben haben.

Sie fordern – und das finden auch wir richtig, da sind wir einer Meinung – eine Verbesserung des Sexualstrafrechts; das ist richtig. Richtig ist auch, dass das Bundesjustizministerium im Sommer einen Entwurf vorgelegt hat. Ferner ist es richtig – und damit stimme ich ausdrücklich überein –, dass dieser Entwurf noch Luft nach oben hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann soll man das aber bitte inhaltlich diskutieren, statt das Ganze erst einmal im Bundeskanzleramt zu versenken und über ein halbes Jahr zu blockieren.

(Beifall bei der SPD)

Man sollte sagen, was man geändert haben möchte – da gibt es einiges –, und dann muss man so vorgehen. Es ist angesprochen worden: Frau Erfurth, es geht nicht, dass man sagt: „Es ist eben Bundesgesetz, und da kann man nichts machen“, sondern es gibt nun auch noch den Bundesrat, es gibt die Bundesratsinitiative von Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, der sich auch NordrheinWestfalen und Thüringen angeschlossen haben. Das hätten Sie auch gut machen können; denn Hessen fehlt.

(Beifall bei der SPD)

Dann steht in Ihrem Antrag: Wir „bitten die Landesregierung“, diesen Prozess „zu begleiten“. Werden Sie doch mal aktiv, nach dem Motto: „Wir fordern die Landesregierung auf, diesen Prozess voranzutreiben.“

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich höre Sie nicht, ich bin lauter als Sie.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir brauchen eine bessere Strafgesetzgebung in diesem Bereich. In den bisherigen Reden wurden zu Recht die Strafbarkeitslücken aufgeführt. Wenn ich allerdings immer höre und auch in diesem Antrag lese: „Nein heißt Nein“, dann muss ich sagen, dass „Nein heißt Nein“ nicht reicht. Frau Erfurth hat ein Beispiel gegeben. Es ist wirklich pervers, wir müssen uns das einmal überlegen: Die Juristen könnten es vielleicht begründen, aber der gesunde Menschenverstand kann es nicht verstehen: Wenn jemand einen Juwelier überfällt und ihm ein Collier abnimmt, wird hinterher niemand zum Juwelier gehen und fragen: „Hast du auch ausreichend deutlich gemacht, dass du das nicht wolltest?“,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

und ob das nicht vielleicht eine einvernehmliche Handlung gewesen sei, dass er das Collier ausgehändigt habe. – Niemand würde das verlangen. Aber im Sexualstrafrecht ist das durchaus noch üblich. Auch die Tatsache, dass es eine große Dunkelziffer gibt, kann man nicht genug betonen. Während Psychologen sagen: „Wehrt euch besser nicht, um es nicht noch schlimmer zu machen“, steht man dann bei der Polizei, die sagt: „Ihr habt gar keine Chance mit eurer Anzeige, ihr habt euch ja nicht gewehrt“, weil die Gesetzeslage ist, wie sie ist. Ich glaube, wir stimmen alle darin überein, dass das dringend geändert werden muss.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Jetzt kommen wir zu dem Absatz über den kulturellen und religiösen Hintergrund, der soziale und individuelle Dispositionen in einer patriarchalischen Gesellschaft befördert.

(Zuruf von der SPD: Oho!)

Das ist nicht von mir, ja?

(Zuruf von der SPD: Wissen wir doch!)

Warum stört man sich daran? Ich versuche einmal zu vermitteln, warum man sich daran stört, Frau Dorn: Es geht doch um das Sexualstrafrecht. Da gibt es Täter.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Was Sie zu beschreiben versuchen, könnte man – teilweise hat man es schon getan – soziologisch-gesellschaftspolitisch aufarbeiten und es als Handlungsanweisung für eine Prävention, für eine Aufklärungspolitik nutzen. Aber mit der Strafe hat es nichts zu tun; denn es kann uns völlig egal sein – –

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Präsident, ich warte jetzt, bis die Abg. Dorn fertig ist.

(Heiterkeit bei der SPD)

Frau Kollegin, Sie haben weiterhin das Wort.

Es muss für die Strafe und die Gesetzgebung völlig egal sein, ob am Kölner Hauptbahnhof Nordafrikaner junge Mädchen belästigen oder in Berlin ein Promi eine Journalistin. Das ist strafrechtlich das Gleiche. Die Schwierigkeit bei unserem Sexualstrafrecht ist die, dass wir immer auf das Verhalten des Opfers schauen statt auf das Verhalten der Täter. Das sollten wir nicht zum Maßstab nehmen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen, wir sind ja bei Ihnen. – Deswegen fordern Sie die Landesregierung dazu auf, entsprechend tätig zu werden. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, das machen wir gern. Aber wir können keine Verantwortung für das Agieren im Kanzleramt übernehmen, so weit ist es nun noch nicht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So billig würden wir es auch gerne einmal machen!)

Ich möchte gerne versöhnlich schließen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich möchte gerne versöhnlich schließen zum Weltfrauentag mit den Kolleginnen und Kollegen. Bei allen solchen Initiativen haben Sie die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag auf Ihrer Seite. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Alex. – Als Nächste hat Frau Abg. Ravensburg für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorgestern war Weltfrauentag. Das haben meine Vorrednerinnen schon gesagt. Frau Schott hat auf den Feiertag in 25 Ländern hingewiesen, ein fröhlicher Feiertag – wir haben uns schon einmal darüber ausgetauscht –, ein Zwischending zwischen Valentinstag und Muttertag in Russland, der zu Ehren der Frauen genutzt wird.

Wenn ich aber in die Welt schaue, sehe ich, dass in vielen Ländern für Frauen leider keinerlei Anlass zum Feiern besteht, ganz im Gegenteil. Frauen werden noch immer in vielen Ländern dieser Erde diskriminiert. Von Gleichberechtigung sind wir in vielen Ländern der Erde weit entfernt. Frauen sind ausgeschlossen von Bildung. Sie haben keine Rechte. Sie werden zwangsverheiratet oder verstüm

melt. Ganz perfide finde ich, dass Mädchen radikalisiert werden und als Selbstmordattentäterinnen benutzt werden, wie es im Februar in Nigeria geschehen ist.

Die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen bleibt deshalb ein dringliches Anliegen der Vereinten Nationen. Deshalb sollten wir in Deutschland weiter den Weltfrauentag nutzen, um auf die Rechte von Frauen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau aufmerksam zu machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Gleichberechtigung muss gelebt werden und braucht Vorbilder. Hier in Hessen – das hat meine Kollegin Frau Erfurth vorhin ausführlich dargestellt – geht die öffentliche Verwaltung richtigerweise mit unserem fortschrittlichen Gleichberechtigungsgesetz voran. Es ist am 1. Januar in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist wegweisend für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen und für die Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Karriere, was wir uns als politisches Ziel für diese Legislaturperiode gesetzt haben.

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Vermeidung von jeder Form von Diskriminierung, das sind unsere gemeinsamen Ziele sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch sonst in unserer Gesellschaft.

Deshalb will ich ein weiteres Thema ansprechen: die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, gleich ob sie im häuslichen Umfeld oder in der Öffentlichkeit passiert. Hinweisen – das haben die Vorrednerinnen auch getan – möchte ich auf die gewalttätigen und sexualisierten Übergriffe vor allem auf Frauen in der Kölner Silvesternacht. Sie müssen aufs Schärfste verurteilt werden. Es kann keine Toleranz gegenüber solchen Tätern geben.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Im öffentlichen Raum muss sich jeder und jede sicher und frei bewegen können. Deshalb bedanke ich mich bei der hessischen Polizei, die besonders bei größeren Ereignissen Stärke und Präsenz zeigt und die mittels Videoüberwachung dokumentiert, damit sexuelle Übergriffe besser geahndet werden können. Dadurch sorgen sie in der Öffentlichkeit für besseren Schutz. So war es eine richtige Entscheidung, dass Hessen, übrigens als erstes Bundesland, die Bodycams eingeführt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß aber auch, dass es einen hundertprozentigen Schutz nicht geben kann. Deshalb bedanke ich mich jetzt schon bei unserer Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, dass sie sich schon frühzeitig für die Verschärfung des Sexualstrafrechts eingesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Wo denn?)

Sie hätten vielleicht einmal die Pressemitteilungen des Justizministeriums lesen sollen, dann hätten Sie es auch erfahren. – Die aktuelle Reform des Sexualstrafrechts – da sind wir uns einig – sollte deshalb zum Ziel haben, dass auch im Strafrecht eindeutig klargestellt wird, dass ein Nein auch ein Nein bedeutet, auch wenn es keine aktive Handlung gibt – wie Kollegin Alex das eben gefordert hat.

Diese bestehenden Lücken im Sexualstrafrecht müssen geschlossen werden. Das ist natürlich auch unsere feste Meinung. Dazu brauchen wir aber nicht den Antrag der LINKEN; denn der jetzt vorgelegte Referentenentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas ist der erste Schritt. Gleichzeitig – das wurde noch nicht erwähnt – gibt es eine Expertenkommission. Sie wurde berufen, um eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts vorzubereiten.