Antrag der Fraktion der SPD betreffend die Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht – Drucks. 19/106 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Erhalt deutscher Staatsangehörigkeit unterstützen – Bildung ist der beste Schlüssel für eine erfolgreiche Integration – Drucks. 19/188 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland, und Hessen ist ein Einwanderungsland. Jetzt müssen wir endlich den nächsten Schritt tun und auch ein Einbürgerungsland werden.
Auf Bundesebene hat sich die Große Koalition auf Drängen der SPD dieser Realität gestellt und mit dem Koalitionsvertrag endlich einen ersten Schritt zu ihrer Anerkennung gewagt: Die bisher bestehende Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht, die junge Menschen ab der Volljährigkeit zwingt, sich bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, soll endlich neu geregelt werden.
Mädchen und Jungen, die hier geboren werden, sollen die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und behalten. Es ist ein wichtiger Schritt, dass sich diese Kinder zukünftig nicht mehr bei Eintritt ihrer Volljährigkeit entscheiden müssen. Das ist ein aus unserer Sicht lange überfälliger Schritt, denn die Optionspflicht war ein integrationspolitischer Missgriff und ein bürokratisches Monstrum.
Aber ich verrate Ihnen sicherlich auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass der gefundene Kompromiss im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD nur ein Kompromiss ist, den wir zwar mittragen, der uns als SPD aber nicht weit genug geht. Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, warum man die doppelte Staatsbürgerschaft nicht auch für die erste und zweite Generation zulässt. Nach wie vor akzeptieren wir als SPD die doppelte Staatsbürgerschaft von Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich.
In den letzten Tagen wurde viel über den Vorstoß der Länder Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg debattiert, der an diesem Freitag im Bundesrat wohl noch nicht zur Abstimmung kommt, sondern zunächst im Ausschuss beraten werden soll. Es hat sehr viel Aufregung gegeben. Das wundert auch nicht – schließlich gibt es in Berlin keinen Friedensrichter Günter Rudolph.
Inhaltlich finde ich die Forderung der Bundesländer richtig, dass das Kriterium der Geburt ausschlaggebend ist. Das Staatsbürgerschaftsrecht orientiert sich nämlich grundsätzlich an den Kriterien der Abstammung und des Geburtsortes. Das Kriterium des Aufgewachsenseins passt
systematisch nicht ins Staatsbürgerschaftsrecht und ist aus unserer Sicht schwer zu definieren. Ich habe den Eindruck, dass hier neue Hürden aufgebaut werden sollen, statt dass man alte Hürden abbaut.
Die Debatte über die Bundesratsinitiative zeigt aber auch etwas anderes. In der Presse war zu lesen, dass sich Hessen enthalten wolle; gleichzeitig aber sagte Ministerpräsident Bouffier, dass er generell kein Freund der doppelten Staatsbürgerschaft sei. Das zeigt aus unserer Sicht ganz deutlich die Zerrissenheit der hessischen CDU.
Ich finde – Herr Staatsminister Grüttner hat es eben erwähnt –, da lohnt sich sehr wohl ein Rückblick. Er ist aufschlussreich für die heutige Politik und für das heutige Verhalten. Wir können eben nicht über das hinwegsehen, was wir 1999 während des erbitterten Kampfes gegen die doppelte Staatsangehörigkeit in Hessen erleben mussten. Wir alle erinnern uns an diese unsägliche Unterschriftenkampagne, bei der man wohlwollend in Kauf genommen hat, dass so mancher an die Infostände kam, um sozusagen gegen Ausländer zu unterschreiben.
Jetzt sind Sie von der CDU sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene dazu verpflichtet, die Aufhebung der Optionspflicht und die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit zu unterstützen. Es wundert uns aber nicht, dass es jetzt, da es um die konkrete Gestaltung geht, wieder viel Wirbel darum gibt.
Fest steht aber schon jetzt, dass für viele junge Menschen in Deutschland der Optionszwang in Kürze wegfallen wird. Daher sollten die Landesbehörden nicht noch schnell Fakten nach dem alten Recht schaffen, sondern auf die Betroffenen zugehen und ihnen maximale Möglichkeiten einräumen. Hamburg geht hier mit gutem Beispiel voran. Die Hansestadt hat eine gute Lösung gefunden. Sie bearbeiten dort im Hinblick auf die absehbare Neuregelung keine einschlägigen Anträge mehr. Das ist auch in Hessen möglich, wenn man es will.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es geht hier um reale Schicksale junger Menschen. Herr Innenminister, wir appellieren an Sie, sich die Hamburger Lösung zum Vorbild zu nehmen und die jungen Menschen jetzt nicht zu einer Entscheidung zu zwingen, die bald nicht mehr nötig ist.
Wir können dem Antrag von CDU und GRÜNEN deswegen nicht zustimmen, weil er sich genau um die Aussage herumdrückt, wie sich Hessen jetzt konkret verhält.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Jahren oft und sehr engagiert über Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts und auch über das Thema Optionspflicht diskutiert. Wir, die CDU, haben in den Debatten immer klargemacht, dass uns ein deutliches Bekenntnis zur deutschen Staatsangehörigkeit wichtig ist. An dieser Position hat sich auch nichts geändert.
Geändert hat sich die Koalition im Bund. Wir haben dort jetzt eine Große Koalition. Die Koalitionsfraktionen haben sich in Berlin auf eine Formulierung geeinigt, die ich Ihnen kurz mitteilen möchte; denn den Wirbel, Frau Gnadl, gibt es nicht innerhalb der CDU, sondern innerhalb der SPD.
Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang, und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht.
So und nicht anders steht es im Koalitionsvertrag. Ein Koalitionsvertrag ist natürlich kein Gesetz. Das, was dort steht, muss zum Schluss mit Leben erfüllt werden. Das aktuell gültige Recht ist selbstverständlich anzuwenden.
Eine Abschaffung der Optionspflicht kann naturgemäß nur durch ein Bundesgesetz erfolgen. Von Landesseite in eine bundesgesetzliche Regelung einzugreifen wäre falsch. Es wäre im Übrigen rechtlich auch nicht zulässig, dass man ein Bundesgesetz beispielsweise durch einen ministeriellen Erlass außer Kraft setzt. Uns allen ist doch klar, dass es bald eine Regelung geben wird. Aber diese Regelung muss von der zuständigen Stelle kommen, und die zuständige Stelle ist nicht das Land, sondern der Bund.
Erst im Januar hat die Große Koalition in Berlin einen Antrag der Opposition abgelehnt, in dem eine Übergangsregelung bis zur offiziellen Beendigung des Optionsmodells gefordert wurde.
Wie aktuell der Presse zu entnehmen ist, gibt es im Bundesinnenministerium inzwischen einen Gesetzentwurf, der bestimmte Kriterien vorsieht. Es heißt, die Kinder von Einwanderern müssen mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben – sie müssen einen wichtigen Teil ihrer Jugend hier verbracht haben – und einen Schulabschluss vorweisen. Solche oder ähnliche Kriterien sind aus Sicht der CDU absolut sinnvoll. Es wird spannend sein, zu erfahren, auf welche konkreten Beurteilungsmaßstäbe sich die Große Koalition und damit der Bundesgesetzgeber einigen.
Mit diesem Verfahren, nämlich Kriterien anzuwenden, sind nicht alle einverstanden. Das ist mir klar; das ist hier auch deutlich geworden. Aber was ist am Schluss die Alternative? Das ist die spannende Frage.
Über das alte Staatsangehörigkeitsrecht mit seinem Abstammungsprinzip, dem ius sanguinis, sind wir inzwischen hinaus. Heute gilt, dass hier geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Mitbürger Deutsche werden und einen Anspruch auf einen deutschen Pass haben. Diejenigen, die das Abstammungsprinzip über Jahrzehnte als Kriterium für die deutsche Staatsbürgerschaft abgelehnt haben, halten an ihm fest, wenn es um die Beibehaltung der alten Staatsbürgerschaft geht.
Das ist doch ein Widerspruch in sich. Das müssen auch Sie zugeben. Es kann doch kein Schritt zur Integration sein, jemanden in seinem an Blutsverwandtschaften orientierten Denken zu unterstützen, nachdem wir selbst uns im Jahr 2000 beim Staatsangehörigkeitsrecht von dem reinen Abstimmungsprinzip verabschiedet haben.
Eine Anmerkung zu dem bisher praktizierten Verfahren: Es scheint auch bei der SPD im Bundestag bereits angekommen zu sein, wie gut das hier in Hessen gehandhabt wird. Der Bundestagsabgeordnete Veit aus Hessen – ich glaube, der Kollege Veit kommt aus Gießen – hat in der Bundestagsdebatte über das Thema Optionspflicht die vorbildliche Art und Weise, wie das Regierungspräsidium Darmstadt mit den Anträgen auf Beibehaltung umgeht, ausdrücklich gelobt.
Zum Abschluss ein paar grundsätzliche Anmerkungen: Wir, die CDU, lehnen – das wird Sie nicht wundern – eine generelle Zulassung der Mehrstaatigkeit ab. Das heißt, eine automatische, generationenübergreifende Weitergabe einer Mehrfachstaatsangehörigkeit ist für uns nicht akzeptabel.
Aber einer Regelung, die die Mehrstaatigkeit für jene vorsieht, die in unserem Land aufgewachsen und verwurzelt sind – das, und nichts anderes, ist die konkrete Regelung, um die es im Berliner Koalitionsvertrag geht –, werden wir zustimmen. Der deutsche Pass – die deutsche Staatsangehörigkeit – ist, zumindest für uns, mehr als ein Legitimationspapier. Das ist für uns auch ein Bekenntnis.
Ich komme zum Schluss. Noch zwei Sätze. – Das Ausreichen der deutschen Staatsangehörigkeit ist das Ergebnis eines erfolgreichen Integrationsprozesses, und es ist erfreulich, dass sich laut Bundesinnenministerium 98 % derer, für die bisher die Optionspflicht galt, für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben. Das ist ein starkes Zeichen für unser Land. – Vielen Dank.