Ich komme zum Schluss. Noch zwei Sätze. – Das Ausreichen der deutschen Staatsangehörigkeit ist das Ergebnis eines erfolgreichen Integrationsprozesses, und es ist erfreulich, dass sich laut Bundesinnenministerium 98 % derer, für die bisher die Optionspflicht galt, für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben. Das ist ein starkes Zeichen für unser Land. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit unserem Einzug in den Landtag im Jahr 2008 sind die Abschaffung der Optionspflicht und die Hinnahme – für uns ist es eher eine Begrüßung – von Mehrstaatigkeit eine zentrale Forderung. Wir LINKE setzen uns für diejenigen ein, die – unabhängig vom Geburtsort – aufgrund unserer Kriege und unserer Waffenlieferungen, wegen Ausbeutung und Unterdrückung oder aus Armut und Hoffnungslosigkeit aus ihrer Heimat geflohen sind.
Diesen Menschen geht es nicht um die Nationalitätsfrage, sondern um die nackte Existenz, um Arbeit, Lohn und Brot. Das ist für uns das zentrale humanitäre Anliegen, dem wir gerecht werden müssen.
Integration bedeutet eigentlich das Gegenteil von Ausgrenzung. Tatsächlich sind gesellschaftliche Ausgrenzung, Rassismus und Diskriminierung für Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland immer noch alltäglich. Wir haben vorhin darüber gesprochen. Deutschland ist für viele dieser Heimatvertriebenen ein Einwanderungsland.
Wir lehnen eine Migrations- und Integrationspolitik ab, die soziale und politische Rechte danach vergibt, ob Menschen für das Kapital als nützlich oder unnütz gelten. Wir wollen die soziale und politische Teilhabe für alle in Deutschland lebenden Menschen erreichen. Es ist deshalb mutig, und dafür sind wir dankbar, dass die hessische SPD hier ein Thema auf die Tagesordnung setzt, das bundesweit, leider auch SPD-intern, für große Widersprüchlichkeit sorgt.
Nach dem voraussichtlichen Scheitern des ersten Anlaufs am kommenden Freitag im Bundesrat kommt mit diesem Antrag so etwas wie linkes sozialdemokratisches Südhessen-Gefühl auf. Deshalb werden wir auch dem sozialdemokratischen Antrag zustimmen.
Die nunmehr von der Koalition in Berlin geplante Neuregelung der Staatsbürgerschaft für Zuwandererkinder stößt aber nicht nur in den Reihen der SPD auf Kritik. Wenn Kinder von Zuwanderern hier geboren und aufgewachsen sind, dann soll ihre Verpflichtung, sich spätestens mit 23 Jahren für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, künftig wegfallen. Als Nachweis dafür, hier aufgewachsen zu sein, sollen Betroffene neben der Geburtsurkunde eine deutsche Meldebescheinigung oder ein deutsches Schulabschlusszeugnis vorlegen.
Damit befeuert die Bundesregierung bestehende Ressentiments und Vorbehalte in der Bevölkerung. Die bisherige ideologische Borniertheit der CDU hinsichtlich der Optionspflicht lässt den Schluss zu, dass es um die Verhinderung von Einbürgerung geht, und zwar offensichtlich insbesondere um die von Türken in Deutschland.
In Deutschland geboren zu sein, reicht offenbar nicht aus, um von der Optionspflicht entbunden zu werden. Geht es nach dem Willen von CDU und CSU, dann bedarf es hierzu einer Verwurzelung in der deutschen Gesellschaft.
In der Enquetekommission des Hessischen Landtags war es ein zumindest unausgesprochener Konsens, dass hier dringend Änderungen notwendig wären. Für den neuen Aufschlag zur Optionspflicht gilt der Satz: Alles wird anders, aber nichts wird gut. – Wie befürchtet, entpuppt sich der angebliche Doppelpasskompromiss aus der Koalitionsvereinbarung nun als faul. Die Optionspflicht bleibt und wird sogar noch bürokratischer. Das Fallen der Optionspflicht ohne Wenn und Aber, wie es die LINKE, die SPD und die GRÜNEN in ihren Wahlprogrammen gefordert haben, wäre damit obsolet.
Die Mordserie des NSU und die Behandlung durch die Sicherheitsbehörden haben den institutionellen und strukturellen Rassismus, den es in der Bundesrepublik gibt, nur offensichtlich gemacht. Dieser Rassismus, die Begrenzung der doppelten Staatsbürgerschaft, die Optionspflicht für junge Doppelstaatlerinnen, die nach wie vor bestehenden Zugangs- und Durchlässigkeitsschranken auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich fördern Desintegration, nicht Partizipation und Gleichstellung der Menschen mit Migrationshintergrund.
Deshalb halten wir an unseren Forderungen fest: die Öffnung des Staatsbürgerschaftsrechts für Mehrfachstaatsangehörige für alle dauerhaft hier lebenden Menschen, die das wünschen, die endgültige Abschaffung der Optionspflicht, die grundlegende Reform des Bildungswesens, um soziale Ausgrenzung abzubauen und die interkulturelle Öffnung des gesamten Verwaltungsapparats auf Landesund kommunaler Ebene.
Ja. – Es ist ein guter Antrag, der sich aber auf ein Vorhaben der Bundesregierung bezieht, welches in seiner politischen Bedeutung längst überfällig ist und war. Dass sich die hessischen GRÜNEN mit dem hier vorgelegten gemeinsamen Antrag mit der CDU zu einem Verhinderer ihrer eigenen Programmatik machen, wundert uns seit einigen Plenarsitzungen gar nicht mehr. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich schon ein bisschen gewundert, als ich der Rede der Kollegin Gnadl gelauscht habe. Liebe Lisa Gnadl, ich fand es putzig, um es eingangs zu sagen, dass man von der Hessischen Landesregierung verlangt, etwas zu tun und zügig zu handeln, es aber selbst in der eigenen Koalition in Berlin nicht hinbekommt, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das finde ich in der Tat etwas putzig, Frau Kollegin Gnadl, und da kann man Sie nicht aus der Verantwortung entlassen.
Ich bin sofort bei Ihnen, wenn ich sage: Wir brauchen in dieser Angelegenheit eine schnelle Lösung. – Sie haben im Bund gemeinsam mit der CDU und der CSU eine Vereinbarung getroffen. Es ist bei Koalitionen so, dass man nicht 100 % der eigenen Programmatik durchsetzt. Dafür habe ich sehr viel Verständnis. Wir haben in der Frage der Optionspflicht – Herr Kollege van Ooyen hat es gerade gesagt – auch eine andere Auffassung,
aber wir haben uns genau wie Sie mit der CDU auf eine Formulierung geeinigt. Ich finde, es kann nicht sein, dass Sie in Berlin in dieser Frage nicht zu Potte kommen, sich aber im Landtag hinstellen und von uns fordern, dass wir Ihre Probleme in Berlin lösen. Das geht so nicht, Frau Kollegin Gnadl.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich begrüßen wir, dass sich die Große Koalition im Bund darauf geeinigt hat, die Optionspflicht für hier geborene und aufgewachsene Kinder abzuschaffen. Das ist ein gutes Zeichen. Nur sollte dort jetzt auch schnell gehandelt werden. Wir können die zuständigen Bundestagsfraktionen nur auffordern, in der Großen Koalition rasch und zügig zu handeln, damit wir eine gesetzliche Regelung haben, die den Betroffenen weiterhilft.
Die derzeitige Regelung setzt meines Erachtens junge Menschen unnötig unter Druck, sich zwischen dem Herkunftsland der Eltern und dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, zu entscheiden. Das politische Ziel der Regierungskoalition in Hessen ist, dass sich weiterhin viele Menschen für unseren Staat, für die deutsche Staatsbürgerschaft mit allen Rechten und Pflichten entscheiden. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ist für uns Teil eines erfolgreichen Integrationsprozesses, mit dem im Übrigen auch die Übernahme von Pflichten verbunden ist.
Herr van Ooyen hat gerade auch über Integration geredet. Ich finde, man sollte einmal die Tatsachen zur Kenntnis nehmen; und das muss man einmal betonen: Gelungene Integration ist bei uns der Normalfall. Integrationsprobleme sind die Ausnahme. – Wenn Sie den Bericht der Enquetekommission „Migration und Integration“ nachlesen, dann werden Sie das auch so sehen. Das soll nicht bedeuten, dass wir vor den Problemen die Augen verschließen, sondern man muss einfach Realitäten und Fakten zur Kenntnis nehmen.
Fakt ist in Hessen und in ganz Deutschland – ich will aber auf Hessen eingehen –: Von 6 Millionen Hessinnen und Hessen haben fast 1,5 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund. Das ist ein Viertel unserer Bevölkerung. Die Mehrheit der Hessinnen und Hessen mit Migrationshintergrund, nämlich 775.000 Menschen, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die deutsche Staatsangehörigkeit beinhaltet auch die volle politische Teilhabe an politischen Prozessen.
Aber weder endet mit der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit der Integrationsprozess, noch hängt von ihm allein der Erfolg der Integration ab. Viele ausgezeichnete und gut integrierte Menschen in Deutschland leben hier ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Die haben gar kein In
teresse, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, aus welchen Gründen auch immer. Ich erinnere an die vielen EU-Ausländer, an die Menschen, die bei internationalen Konzernen arbeiten und seit vielen Jahren bei uns leben; die haben kein Interesse an der deutschen Staatsangehörigkeit. Aber denen, die das Interesse haben und in diesem Zwang sind, sich zwischen den Herkunftsländern ihrer Eltern und dem Land zu entscheiden, in dem sie geboren sind, wollen wir helfen. Deswegen haben wir in der Koalition auch vereinbart, dass wir die Regelungen, die in Berlin gefasst werden, unterstützen und umsetzen wollen.
Nach derzeitiger Rechtslage ist es grundsätzlich nicht zulässig, neben der deutschen Staatsangehörigkeit weitere Staatsangehörigkeiten zu haben. Allerdings – das muss man auch feststellen, das ist die Realität – durften im Jahr 2009 mehr als die Hälfte der Hessen, die eingebürgert wurden, aus unterschiedlichen Gründen ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten und sind jetzt Doppelstaatsangehörige.
Wir finden es völlig absurd, dass hier geborene und aufgewachsene Kinder, insbesondere von türkischen Eltern, keinen Doppelpass haben dürfen. Kindern aus Spanien, Italien oder Griechenland, also EU-Kindern, oder Kindern von Eltern aus dem Iran, weil der Iran seine Staatsbürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entlässt, gestattet man aber beispielsweise die doppelte Staatsbürgerschaft. Diese Praxis kann ich nicht nachvollziehen, und das können gerade die betroffenen Menschen nicht nachvollziehen. Deswegen brauchen wir in diesem Punkt, glaube ich, dringend eine Regelung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es eingangs schon gesagt, Sie wissen, dass wir durchaus andere, weiter gehende Vorstellungen haben, als wir jetzt in der Koalition vereinbart haben. Wir haben uns darauf verständigt:
Auf bundespolitischer Ebene werden wir die Aufhebung der Optionspflicht und die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit im Staatsbürgerschaftsrecht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern unterstützen.
Das ist ein Kompromiss, das wissen wir alle. Dieser Kompromiss ist nur ein Schritt, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Deswegen werbe ich dafür, dass Sie unseren Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Da steht doch gar nichts drin!)
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Integration und Staatsangehörigkeit ist ein Thema, das diesen Landtag schon lange und sehr intensiv beschäftigt hat. 1999 haben wir dazu einen nicht einfachen Wahlkampf gehabt. Dabei gab es sehr unterschiedliche Positionen der Parteien zu diesem Thema.
Das, was jetzt in Berlin auf den Weg gebracht wird, ist ein echter Kompromiss zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten. Beide haben, wie das bei Kompromissen üblich und notwendig ist, ihre Grundsatzposition verlassen. Anders geht das auch nicht. Die Frage ist aber, ob dieser Kompromiss wirklich den Betroffenen hilft.
Bevor ich dazu komme, will ich aber etwas zur Rede von Frau Kollegin Wallmann sagen. Aus meiner Sicht hat sie den Kern der Debatte am besten beschrieben. Um was geht es denn eigentlich? Es geht doch bei dieser Frage Integration und Staatsbürgerschaft darum, dass wir bei den Menschen, die nicht aus Deutschland kommen, aber hier aufwachsen und hier eine neue Heimat gefunden haben, alles daransetzen müssen, dass sie bei diesem Integrationsprozess unterstützt werden. Irgendwann müssen sie eine Entscheidung treffen – das war auch die Idee der Option –, wohin sie eigentlich gehören. Ich glaube schon, dass es ein wirklich positiver Tatbestand ist, dass sich in Deutschland und gerade in Hessen mittlerweile – die Zahlen sind genannt worden – so viele Menschen für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden. Ein größeres Kompliment kann man für unsere Integrationspolitik nicht ausstellen.
Das ist ein wirklich wichtiger Punkt. Das zeigt, dass das Land in den letzten Jahren massive Anstrengungen und Bemühungen unternommen hat, die sich auszahlen: Unterstützung beim Erwerb der Sprachkompetenz, Integration von Menschen in Vereinen. Wir sehen aber auch das, was Menschen, die nicht aus Deutschland kommen, für unsere Kultur bieten und darstellen. Deswegen finde ich es auch einen weiteren wichtigen Punkt, zu sagen, dass wir in Hessen sehr stark von der Internationalität unseres Landes profitieren, gerade diejenigen, die aus dem Rhein-Main-Gebiet kommen. Das ist für uns kein Nachteil, sondern ein sehr großer Vorteil.
Wir haben das große Vergnügen, Menschen aus aller Herren Länder in diesem Land willkommen heißen zu dürfen. Sie bereichern unser Land, aber sie sind für uns auch notwendig. Alleine mit denjenigen, die hier geboren werden, werden wir uns den künftigen Herausforderungen am Arbeitsmarkt nicht stellen können. Insofern ist es eine sehr gute Situation, dass Hessen so international ist. Es zeigt auch, dass diejenigen, die hierherkommen, sich darauf verlassen können, dass sie hier willkommen sind. Insofern ist der Status quo ein positiver.