Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Man hätte sie rechtssicher stilllegen können, und deswegen haben wir damals auf Bundesebene ein Abschaltgesetz gefordert. Das hätte man in dieser Situation in wenigen Tagen durch den Bundestag bringen können; und das wäre rechtssicher gewesen. Das wollte man damals nicht, und dann hat das hessische Umweltministerium die Lösung des Bundes, die gefunden wurde, auch noch stümperhaft umgesetzt.

Man hätte natürlich auch Biblis rechtssicher stilllegen können. Man hätte genau dafür eine ganze Menge von Sicherheitsmängeln anführen können. Ich will noch einmal daran erinnern: Biblis war nicht gegen Flugzeugabstürze zu sichern. Es hatte keine externe Notstandswarte. Die sogenannten „Weimar-Auflagen“ aus dem Jahr 1987 waren zu großen Teilen nicht umgesetzt worden. Meine Damen und Herren, all das wären gute Gründe gewesen, Biblis stillzulegen, und zwar lange vor dem 11. März 2011.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Da aber die Landesregierung bis Fukushima die Aussage: „Die Atomkraft ist sicher“, wie eine Monstranz vor sich hergetragen hat, war es natürlich nicht möglich, Biblis aufgrund von Sicherheitsmängeln stillzulegen. Das war das Grundproblem. Man hätte auf Bundes- und Landesebene eine saubere rechtliche Lösung hinbekommen können. Das

hat Schwarz-Gelb damals sowohl im Land als auch im Bund verhindert.

Dieses Moratorium wurde damals zwischen der Kanzlerin und den betroffenen Ministerpräsidenten ausgehandelt. Deswegen finde ich es sehr bedauerlich, dass der Ministerpräsident heute nicht da ist und auch letztes Mal im Plenum nicht die Gelegenheit ergriffen hat, einmal aufzuklären, was damals wirklich besprochen wurde und inwieweit der Bund eine Anweisung gegeben hat. Er kann seine Sicht der Dinge noch einmal darstellen. Er war maßgeblich an der Abschaltverfügung beteiligt. Er hat an der Abschaltverfügung sogar noch Änderungen vorgenommen – leider nicht die richtigen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Er hat es auch nicht rechtssicher gemacht. Deswegen finde ich es schon bedauerlich, dass der Ministerpräsident überhaupt nicht meint, sich zu dieser Sache in irgendeiner Form erklären zu müssen.

(Beifall bei der LINKEN – Thorsten Schäfer-Güm- bel (SPD): Das kommt noch!)

Hessen ist das letzte Land gewesen, das damals die Abschaltverfügung erlassen hat. Das heißt, es wäre Zeit genug gewesen. Ich halte es für absolut blauäugig, dass man damals auf eine Anhörung verzichtet hat. Die damalige Ministerin hat erklärt, Klageabsichten hätten bei RWE nicht im Vordergrund gestanden. – Das ist schlicht und einfach nicht wahr. RWE hat schon damals öffentlich angekündigt, dass sie Klagen prüfen und nur auf die Abschaltverfügung warten, um dann eben prüfen zu können, wie sie dagegen klagen.

So blauäugig darf man doch nicht sein, wenn man es mit einem Konzern wie RWE zu tun hat. Da kann man doch nicht eine nicht rechtssichere Abschaltverfügung vorlegen und sich dann wundern, wenn dieser Konzern vor Gericht zieht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Eine entscheidende Frage, die Herr Kollege Schmitt aufgeworfen hat, ist doch, warum man die Bedenken aus dem Justizministerium nicht ernst genommen hat. Wenn man sich die Akten anschaut, die uns die jetzige Ministerin zur Einsicht zur Verfügung gestellt hat, dann sieht man doch, dass es Warnungen aus dem Justizministerium gegeben hat. Sie sind übergangen worden. Warum hat man die Anhörung nicht wenigstens im Nachhinein, als die Klage eingereicht worden ist, nachgeholt?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Auf diese Frage brauchen wir Antworten, und zwar nicht nur von der damals zuständigen Ministerin, sondern auch von der Staatskanzlei und vom Ministerpräsidenten. Das ist sicherlich das Gute am Untersuchungsausschuss. Dann kann sich dieser Ministerpräsident nicht mehr wegducken, dann muss er endlich Stellung beziehen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Die Verantwortung lag damals sicher auch auf Bundesebene. Diese Landesregierung hat aber keinen Piep gesagt, um daran etwas zu korrigieren.

Ich will ein Letztes sagen: Wir werden dem Einsetzungsbeschluss für den Untersuchungsausschuss selbstverständlich zustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich hoffe, dass Sie in diesem Untersuchungs

ausschuss anders agieren, als Schwarz-Gelb das in der Vergangenheit getan hat. Ich hoffe, dass Sie die Minderheitenrechte, die Sie als Opposition zu Recht immer gefordert haben, einhalten und ein Gang zum Staatsgerichtshof nicht nötig ist, weil die Mehrheit meint, das Verfahren diktieren zu können.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Kaufmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen jetzt davor, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, so wie es die SPD gestern mehrfach mit großer Publizität angekündigt hat. Herr Kollege Rock, ich kann Sie gleich exkulpieren, Sie müssen dem nicht zustimmen. Der Einsetzungsantrag der SPD ist nach der Verfassung ausreichend. Wir brauchen gar nicht darüber abzustimmen; sie werden ihren Untersuchungsausschuss einsetzen.

Ich bedanke mich dafür, dass wir in der Präzisierung der Fragen noch eine Einigkeit erzielt haben. Insoweit gibt es darüber kein Vertun. Deswegen müssten wir uns an dieser Stelle eigentlich gar nicht so aufregen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir sind sehr daran interessiert – das können Sie einem GRÜNEN ruhig abnehmen –, dass die Fakten alle aufgeklärt werden und nichts mehr im Verborgenen bleibt. Wir können an dieser Stelle festhalten, dass die Ministerin Priska Hinz bekanntermaßen erst seit dem 18. Januar 2014 das Ressort führt, insofern alle Vorgänge vor ihrer Zeit lagen und sie inhaltlich nur vom Hörensagen vortragen könnte. Sie hat aber in einer Weise, die es bisher noch nicht gegeben hat, den Fraktionen die Möglichkeit gegeben, in die Unterlagen hineinzuschauen.

Deswegen kann ich nur sagen, dass diejenigen, die den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt haben, so kundig sind, wie die Akten es sind. Die Akten konnten Sie bereits einsehen. Dabei ist deutlich geworden, dass sich eine Reihe von Fragen nach Ihrer Feststellung – dem kann ich nicht widersprechen – aus den Akten nicht beantworten lässt. Sie wollen zulässigerweise andere Mittel nutzen, um das herauszubekommen. Darauf sind wir sehr gespannt, und wir werden auch mitmachen, um diese Sache aufzuklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn man die heutige Debatte verfolgt, kommt man zu dem Schluss, dass es schon viele Meinungen zu geben scheint. Das bereitet mir ein wenig Sorgen, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Ich rate Ihnen, sich erst einmal die Unterlagen genauer anzugucken, bevor Sie sich eine Meinung bilden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Anfangsverdacht!)

Frau Kollegin Wissler, das gilt auch für Sie. Sie haben ausgeführt, die Stilllegung der Atomkraftwerke hätte man schon längst durchführen können. Das haben wir über Jah

re, seit unserer Gründung, schon immer gefordert. Darüber müssen wir gar nicht streiten. Die Entscheidungen, die von anderen politischen Mehrheiten, insbesondere in Berlin, davor und auch danach getroffen worden sind, haben wir nicht beeinflussen können. Von daher haben wir überhaupt kein Problem mit der Aufklärung. Ich gehe davon aus, dass wir im Untersuchungsausschuss entsprechend weitere Klarheit bekommen. Ich hoffe, das lässt sich darstellen.

(Zuruf von der SPD)

Wenn ich daran denke, was Sie gerade vorgetragen haben, dann müsste Ihnen schon klar sein, wer daran schuld ist und dass das unerträglich ist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nein, das wissen wir nicht!)

Das haben wir alle gerade gehört. Insoweit gehen wir alle gemeinsam das gleiche Experiment ein, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, und schauen, ob die hier geäußerten Vermutungen sich nach den Vernehmungen im Untersuchungsausschuss auch so darstellen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deswegen sollten wir uns gar nicht länger damit aufhalten, sondern tatsächlich mit der Aufklärung beginnen.

Ich will noch eine Anmerkung machen, die Sie verwundern mag. Ich finde es ein bisschen schade – nicht wegen der von Herrn Rock genannten 100 Tage –, dass wir jetzt schon den Untersuchungsausschuss 19/1 bekommen. In der Koalitionsvereinbarung haben wir eine Vereinbarung getroffen – das war nicht so ganz leicht –, dass wir in Hessen endlich ein Untersuchungsausschussgesetz erarbeiten wollen, damit wir auf einen neueren Stand der Regeln kommen. Es ist nun leider wieder vertagt, weil wir Konsens darüber hatten, dass man das in Zeiten eines laufenden Untersuchungsausschusses nicht machen kann.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Als jemand, der schon die Freude hatte, in diversen Untersuchungsausschüssen sitzen zu dürfen, finde ich das ein Stück weit bedauerlich.

(Günter Rudolph (SPD): Es muss nicht der letzte sein!)

Ich hoffe darauf, dass wir diesen Untersuchungsausschuss sehr stringent, sehr rasch und sehr klar zum Ende bringen werden. Dann kann man sich diese Aufgabe vornehmen. Hessen sollte sich einmal eine klare gesetzliche Regelung zulegen. Das, was wir bisher praktiziert haben, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Damit will ich schließen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir haben zunächst über die beiden von Herrn Abg. Schmitt mündlich eingebrachten Änderungsanträge abzustimmen. Die Texte werden dem Protokoll beigefügt.

(Norbert Schmitt (SPD): Hier wird behauptet, man müsse nicht abstimmen! – Gegenruf des Abg. FrankPeter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wer den beiden vorgetragenen Änderungsanträgen zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE sind sie somit beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Gesamtabstimmung über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Das muss trotz des Quorums von einem Fünftel, das gegeben ist, abgestimmt werden. Das ist die Auskunft derjenigen, die Jura studiert haben.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Deswegen verfahre ich jetzt nach danach, was die juristische Klärung ergeben hat.

Wer dafür ist, dass dieser Antrag der SPD-Fraktion in der geänderten Fassung angenommen wird, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit stelle ich fest, dass der Dringliche Antrag, Drucks. 19/193, in der Fassung der mündlich eingebrachten Änderungsanträge angenommen worden ist. Der Untersuchungsausschuss ist damit eingesetzt.