Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Ich habe als erste Wortmeldung Herrn Kollegen Utter, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erneut ist die Situation in der Ukraine Thema einer Aktuellen Stunde im Hessischen Landtag. Mit großer Sorge verfolgen wir die Nachrichten der letzten Tage. Vor einem Monat befürchteten wir einen Bürgerkrieg in der Ukraine, nun droht ein militärischer Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs, 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und 23 Jahre nach dem Beginn des Jugoslawienkonflikts geht erneut das Gespenst eines Krieges in Europa um.

Man darf sich nicht täuschen, ein Krieg in Europa hätte erhebliche Auswirkungen auf Hessen. Die Ukraine und Russland sind eben nicht weit weg. Sie sind in einer globalisierten Welt ganz in unserer Nähe. Somit sind auch die Ängste vieler hessischer Bürgerinnen und Bürger durchaus verständlich, denn die Situation spitzt sich gefährlich zu.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kommentierte gestern das Vorgehen Russlands auf der Krim als „skrupellos“. Alle Möglichkeiten, den Konflikt friedlich zu lösen, werden systematisch ignoriert. Man muss es einmal deutlich sagen: Russland verletzt die Souveränität der Ukraine. Das Einschleusen irregulärer Truppen verstößt gegen das Völkerrecht. Und die Blockade ukrainischer Truppen auf der Krim ist illegal und eine Provokation.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei Abgeordneten der SPD)

Unter diesen Umständen ist das Referendum am Sonntag zur Farce geworden. Das wird auch nicht dadurch geheilt, dass Russland nun rechtsradikale Abgeordnete aus ganz Europa einlädt, als Wahlbeobachter teilzunehmen. So kann man dieses Referendum nicht mehr heilen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die große muslimische Minderheit auf der Krim fürchtet um ihre Sicherheit. Die schrecklichen Verfolgungen wäh

rend des Stalinismus sind in lebendiger Erinnerung. In dieser schweren und gefährlichen Zeit gilt unsere Solidarität den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine und allen Menschen in der Region, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzen.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland muss friedlich und unter Beachtung des Völkerrechts beigelegt werden. Wir dürfen die Geschehnisse auf der Krim nicht einfach ignorieren oder gar verharmlosen. Ich finde es beschämend, wenn in dieser Situation Vertreter der LINKEN das Vorgehen Russlands auch noch rechtfertigen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Janine Wissler (DIE LINKE): Deswegen haben Sie eine Aktuelle Stunde beantragt, es geht Ihnen ja nicht um die Ukraine!)

Ich finde es auch unverantwortlich, wenn ein hessischer MdB der LINKEN die Schuld an der Eskalation der EU und der NATO in die Schuhe schieben will.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wo ist denn der hessische Bezug?)

Es ist ein hessischer Abgeordneter. – Und wenn in der aktuellen Debatte im Bundestag die linke Abgeordnete Dagdelen auf unflätige Weise die GRÜNEN beschimpft, finde ich das unter Demokraten wirklich nicht mehr zulässig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Europäische Union muss weiterhin zum Dialog bereit sein. Das bekundet sie auch. Es kommt jetzt darauf an, dass alle Seiten Gesprächsbereitschaft beweisen und alles vermeiden, was zu einer weiteren Eskalation führt. Die Bundesregierung verhält sich in diesem Konflikt ausgesprochen umsichtig. Die Kanzlerin hat vollkommen recht: Ein militärisches Vorgehen ist absolut keine Option.

(Beifall bei CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich wünsche mir, dass von dieser Debatte das klare Signal ausgeht, dass wir als Demokraten keine gewaltsame Lösung und völkerrechtswidrige Durchsetzung von Machtansprüchen akzeptieren können.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Aber überall!)

Als Europäer müssen wir nun zusammenstehen und zeigen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Eine Politik der Drohungen und Erpressungen darf nicht erfolgreich sein.

(Beifall bei CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Danke schön. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Waschke, SPD Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits im Februar haben wir uns hier im Hessischen Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde, die auch damals die CDU beantragt hatte, mit der Ukraine befasst. Die Situation ist unterdessen weiter eskaliert: Mehr als 80 Menschen sind gestorben und Hunderte sind verletzt worden, als die Scharfschützen auf die Demonstranten auf dem Maidan geschossen haben.

Die Außenminister von Polen, Frankreich und Deutschland haben zwischen der damaligen ukrainischen Führung und der Opposition vermittelt, und es ist gelungen, die Eskalation der Gewalt auf dem Maidan zu stoppen und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Das war ein Erfolg der deutschen Außenpolitik, und das war auch ein Erfolg unseres Außenministers Frank-Walter Steinmeier.

(Beifall bei der SPD)

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, verbitten wir uns auch jegliche Belehrung einer Bundestagsabgeordneten der LINKEN Sahra Wagenknecht.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Für Steinmeier applaudieren Sie nicht, aber wenn es gegen Wagenknecht geht, dann schon!)

Die jüngsten Entwicklungen auf der ukrainischen Halbinsel Krim haben zu einer der schwersten Krisen Europas seit Ende des Ost-West-Konflikts geführt. 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges droht heute wieder eine Spaltung Europas. Das Vorgehen Russlands auf der Krim ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten inakzeptabel und mit dem Völkerrecht nicht vereinbar.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Russland muss die territoriale Integrität der Ukraine respektieren, und es muss alles unterbleiben, was die Abspaltungstendenzen auf der Krim weiter fördert. Derzeit wird z. B. in der russischen Duma ein Gesetz vorbereitet, das den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation auch ohne Zustimmung Kiews ermöglichen soll. Die Souveränität der Ukraine kann nach unserer festen Überzeugung auch nicht durch ein Referendum untergraben werden.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Die EU hat bereits gestern angekündigt, das Ergebnis des für den Sonntag geplanten Referendums nicht anerkennen zu wollen. Die ukrainische Verfassung verbietet nämlich Volksabstimmungen in einzelnen Teilen des Landes. Die ukrainische Verfassung lässt auch nicht zu, dass die prorussische Regierung auf der Krim die Unabhängigkeit erklären kann, wie es am Donnerstag letzter Woche geschehen ist. Und natürlich muss es Sanktionen geben, die Russland in seiner Wirtschaftskraft treffen, wenn hier gegen Völkerrecht verstoßen wird. Die SPD war dem Frieden immer verpflichtet, und unsere feste Überzeugung ist, dass Gewalt nie wieder ein Mittel der Politik sein darf.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Allein die Tatsache, dass sich auf der Krim ukrainische und russische Soldaten gegenüberstehen, lässt ganz Europa den Atem anhalten. Wir müssen auf Entspannung, Dialog

und Zusammenarbeit setzen, um die Konfrontation zu entschärfen. Deswegen muss es erstes Ziel sein, alle Beteiligten – die Ukraine, die Europäische Union und Russland – an einen Tisch zu holen, um an einer politischen Lösung zu arbeiten, wie wir es bereits im Februar gefordert haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Einsetzung einer hochrangigen internationalen Kontaktgruppe wäre hier ein erster Schritt. Aber die Enttäuschung ist mit Händen greifbar; es scheint bei diesen Gesprächen nicht voran zu gehen. Deswegen appellieren wir an Russland, sich diesem Weg der Deeskalation und der Suche nach politischen Lösungen nicht länger zu verschließen.

Ja, die Ukraine braucht weiterhin Solidarität und Geschlossenheit der Demokraten, wie es die CDU in ihrem Antrag gefordert hat. Aber die Ukraine braucht noch mehr. Die Stabilisierung wird nur gelingen, wenn wir es schaffen, die beträchtlichen wirtschaftlichen Probleme des Landes zu bewältigen. Die Ukraine braucht Unterstützung beim Verwaltungsaufbau, bei der Stabilisierung rechtsstaatlicher Strukturen, und vor allem muss die Grundversorgung für die Menschen, beispielsweise im Gesundheitsbereich, gewährleistet werden. Das sind große Herausforderungen, denen wir uns in Zukunft zu stellen haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Hammann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle haben uns im Februar solidarisch erklärt – solidarisch mit den Menschen, die sich in der Ukraine für Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und für die Wahrung der Menschenrechte eingesetzt haben. Ich glaube, das war ein gutes und wichtiges Signal, das wir vom Hessischen Landtag aus senden konnten.

Heute gilt es erneut, Einigkeit zu zeigen; denn es muss uns gelingen, auch hinsichtlich dieser weiteren Entwicklung auf der Krim zu zeigen, dass das, was dort passiert, nicht Ziel und Interesse der Menschen in der Region sein kann und dass wir wollen, dass eine friedliche Lösung gefunden wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD sowie der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Seit unserer Debatte hat sich die Situation dort zugespitzt. Es gibt dort zwar eine Übergangsregierung und die Ankündigung freier demokratischer Wahlen für den 25. Mai. Aber statt eine Entspannung in der Ukraine zu spüren, müssen wir sehen, dass sich die Lage auf der ukrainischen Halbinsel Krim deutlich zugespitzt hat. Damit steht natürlich auch die Übergangsregierung vor unglaublichen politischen und ökonomischen Herausforderungen. Sie hat einen schier nicht zu bewältigenden Auftrag zu erfüllen.

Wir sehen, dass es ein Problem ist; denn dieses prorussische Parlament auf der Krim hat kurzerhand formal auch

die Abspaltung der Krim von der Ukraine erklärt. Dieses Vorgehen wird ganz deutlich als ein Verstoß gegen das Völkerrecht gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ein Verstoß gegen das Völkerrecht durch eine Besetzung und Annektierung der Krim durch Russland darf jedoch auf keinen Fall akzeptiert werden. Das wäre ein verheerendes Signal für alle weiteren schwelenden Konflikte. Ich nenne hier ganz besonders Georgien und die Republik Moldau. Die sind hier besonders zu erwähnen.

Auch die baltischen Länder Lettland, Litauen und Estland, aber auch Polen schauen mit Sorge auf das zunehmend aggressive Verhalten vonseiten Moskaus. Diese Länder – das wissen Sie – haben sich erst 1991 von Russland losgesagt. Sie fürchten den von Russland begonnenen Weg auf der Krim, und sie hoffen, dass ihr Schutz durch ihre Mitgliedschaft in der EU gewährleistet wird. Sie fordern eine Erhöhung des diplomatischen Drucks auf Russland. Daran ist zu erkennen, dass die Krim-Krise ganz Europa betrifft.