Protokoll der Sitzung vom 18.05.2016

Von Ihnen kommen doch überhaupt keine Initiativen mehr. CDU und GRÜNE haben keine gemeinsamen Inhalte mehr, keine Gesetzesinitiativen mehr, keine Fantasie mehr, wie dieses Land weiterhin regiert werden soll. Das findet doch seinen Ausdruck in der Arbeit hier im Parlament. Deshalb können wir heute über ganze normale Anträge diskutieren, und nicht deshalb, weil diese sich überlebt haben.

(Beifall bei der FDP – Holger Bellino (CDU): Was war das jetzt?)

Das war Ihr Ziel, Herr Kollege Bellino. Das glaube ich gerne.

(Holger Bellino (CDU): Sie brauchen ein Dreivierteljahr, um über Ihren Antrag zu diskutieren!)

Herr Kollege Bellino, wir tagen zu fortgeschrittener Stunde, sodass man einmal erwähnen darf, dass es auch einem ganz normalen Abgeordneten auffällt, dass diese Landesregierung mittlerweile nicht mehr arbeitet.

(Holger Bellino (CDU): Doch, sie arbeitet erfolgreich, wie man sieht!)

Herr Kaufmann, es bleibt einem teilweise die Spucke weg, wie Sie hier über Kollegen herziehen, die eine sachliche Diskussion führen wollen. Herr Kaufmann, nicht alles, was die FDP hier einbringt, bezieht sich unmittelbar auf Sie. Es könnte durchaus sein, dass ich nicht die GRÜNEN meine, wenn ich über diejenigen rede, die das Geschäftsmodell am Frankfurter Flughafen infrage stellen. Davon sind die GRÜNEN mittlerweile nämlich weit entfernt. Das Geschäftsmodell wird inzwischen nicht mehr von den GRÜNEN, sondern vor allem von den Ausbaugegnern infrage gestellt. Deswegen müssen wir darüber diskutieren, was inhaltlich-fachlich passiert, wenn man der Argumentation der Ausbaugegner folgen würde. Wie sieht die Alternative

aus? Ich habe versucht, das zu skizzieren: Wir haben dann keinen internationalen Flughafen mehr, der Teil eines Gesamtkonzepts innerhalb des internationalen Standorts Hessen/Frankfurt ist. Der Frankfurter Flughafen wäre dann ein rein provinzieller Flughafen, nicht mehr und nicht weniger. Darüber können und müssen wir hier im Parlament diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 12 und 67 beendet.

Die Anträge, Drucks. 19/2182 und 19/3401, werden an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung überwiesen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 13 auf.

(Widerspruch des Abg. Hermann Schaus (DIE LIN- KE))

Herr Schaus, zur Geschäftsordnung.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Es gab die Bitte einer Fraktion, diesen Punkt heute nicht mehr aufzurufen! Dem wollte ich nachkommen! – Widerspruch)

Ich komme dem nach, was die Fraktionen wollen. Man hat mir aber nichts mitgeteilt. Kann ich den Tagesordnungspunkt jetzt aufrufen?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Gräber der Verfolgten des Naziregimes erhalten – Drucks. 19/2519 –

Dazu wird Tagesordnungspunkt 39 aufgerufen:

Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Gräber der Opfer nationalsozialistischer Gewalt als Teil der Erinnerungskultur dauerhaft erhalten – Drucks. 19/3368 –

Als Erster hat Herr Kollege van Ooyen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich halte den grassierenden Antiziganismus und die europaweite Geschichtsvergessenheit, was die Bevölkerungsgruppen der Sinti und Roma angeht, für schändlich und beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Tatsache, dass Sinti und Roma seit Jahrhunderten diffamiert, ausgegrenzt, verfolgt, mittels Rassenideologien als „Zigeunerunwesen“ und als „fahrendes Volk“ diffamiert und zwischen den Rädern diverser Rassenhygieneinstitute zerrieben werden, ist keine Sache der Vergangenheit. Diese Bevölkerungsgruppen wurden und werden mit allen Mitteln geächtet und bekämpft, in deren Folge auch jegliche ökonomische, soziale sowie kulturelle Teilhabe verhindert wurde und verhindert wird.

Allein in der Zeit des Faschismus fielen insgesamt geschätzt 500.000 Sinti und Roma unter unmenschlichsten

Bedingungen dem systematisch geplanten Rassenwahn zum Opfer. Wir tragen also eine historische Verantwortung gegenüber diesen Menschen, die den Bevölkerungsgruppen der Sinti und Roma angehören. Wir tragen auch die Verantwortung dafür, dass historisch verfestigte Vorurteile praktisch und faktisch weiterleben.

Deshalb begrüßen wir den Antrag der Landesregierung vom 10. Mai dieses Jahres, der zumindest den Versuch unternimmt, sich dem Problem zuzuwenden. Allerdings haben sich nach unserem Antrag im Oktober des vergangenen Jahres die Probleme für Sinti und Roma verschärft. Unser Antrag vom 14. Oktober ging auf die energischen Bemühungen der Interessenverbände deutscher Sinti und Roma zurück, die ihr Anliegen auch in Hessen mehr anerkannt haben wollten und noch immer wollen.

In Ihrem Antrag vermissen wir jedoch die Bescheidenheit und die Empathie für das Anliegen der Sinti und Roma. Ihr Antrag verschleiert die aktuellen Probleme dieser Bevölkerungsgruppen, indem Sie so tun, als sei alles in Ordnung. Denn wir tragen selbstverständlich Verantwortung für die Erhaltung der Gräber der von Faschisten verfolgten und ermordeten Sinti und Roma. Wenn wir unserer Pflicht Rechnung tragen, sollte das ebenso als eine Selbstverständlichkeit behandelt und keine Lobeshymne daraus gemacht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Gräber – die Gräber von allen Verfolgten des Naziregimes – gehören als dauerhaft zu pflegende Mahnmale zur historischen und politischen Landschaft Deutschlands und zu unserem kollektiven Gedächtnis. Der vom Gräbergesetz vorgesehene Stichtag, 13. März 1952, trägt dazu bei, dass paradoxerweise die Gräber von Tätern und deren Angehörigen weiterhin gepflegt werden, während die Gräber von Opfern fristgerecht beseitigt werden. Deshalb, und aufgrund der seit Längerem gestellten Forderungen der Interessenverbände deutscher Sinti und Roma, fordern wir von der Landesregierung die Bereitstellung der für die Pflege und Sicherung benötigten Mittel.

Bei der Bereitstellung von finanziellen Mitteln darf es sich nicht um eine einmalige Maßnahme handeln. Vielmehr müssen in den Haushalten auch für die kommenden Jahre entsprechende Mittel eingeplant und Mittel für die Kommunen bereitgestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die Sinti und die Roma, die als Minderheiten so viel Elend erduldet haben, jetzt von der brutalen Abschiebepraxis am meisten betroffen sind. Den verheerenden Auswirkungen der aktuellen deutschen und europäischen Außenpolitik, der langen und schmerzhaften Austeritäts- und Abschottungspolitik, den menschenrechtsverletzenden Grenzregimen und der immer stärker rassistischen Abschiebepraxis dürfen wir nicht widerstandslos zusehen.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Rassistische Abschiebepraxis? Das ist eine Unverschämtheit!)

Rassistisch. Das hatte ich gesagt.

(Zurufe)

Die Berichte von Betreuungs- und Beratungsstellen, von kirchlichen Einrichtungen, Verbänden, EU-Menschenrechtskommissaren, Amnesty International und Pro Asyl

lassen keine Zweifel zu, dass die Abschiebungen unter äußerst inhumanen und menschenrechtsbeugenden Bedingungen vollzogen werden.

Seit der Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien – Sommer 2014 –, Albanien, Kosovo und Montenegro – Oktober 2015 – als sichere Herkunftsländer sind die Sinti und Roma die Hauptleidtragenden. Die mehrfache Diskriminierung lässt die Menschen verzweifeln. Familien, die seit 20 Jahren hier leben, werden den Abschiebeeskapaden ausgesetzt. Christliche Gemeinden sind unter dem Kirchenasyl von Schutzsuchenden überlaufen.

Herr van Ooyen, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Wir wissen, dass es keine sicheren Herkunftsländer auf dem Balkan gibt. Wir sollten ein Zeichen der Wiedergutmachung setzen. Es wird aber nicht ausreichen, die Gräber der Verfolgten zu würdigen. Aber in Erinnerung an die Opfer und das aktuelle Leid von Sinti und Roma sollten wir alles unterlassen, was die Diskriminierung der betroffenen Menschen verlängert, und wenigstens ein kleines Zeichen setzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Zur Geschäftsordnung, Kollege Bellino.

Frau Präsidentin, ich habe in dem Wortbeitrag des Kollegen eben gehört, dass hier eine „rassistische Abschiebepraxis“ stattfinde. Ich halte das für eine unparlamentarische Ausdrucksweise.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist die Wahrheit!)

Herr Kollege Bellino, Sie sind bereits nach vorne zum Präsidium gekommen. Ich hatte die Äußerung nicht gehört. Sie ist bestätigt worden. Ich bin der Auffassung, das ist eine politische Wertung, der sich niemand anschließen muss. Deswegen werde ich das nicht rügen.

(Holger Bellino (CDU): Gut, dann geht das zu Protokoll! Ich finde es gut, dass das im Protokoll steht! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Als Nächster hat Kollege Utter, CDU-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als 600 Jahren leben Sinti und Roma in Deutschland. Leider mussten Sinti und Roma in der Vergangenheit und zum Teil auch heute noch zahlreiche Diskriminierungen erdulden. Trauriger Höhepunkt

war die systematische Verfolgung und Ermordung während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft.