Jetzt komme ich zu der CDU und der SPD, die immer wieder neue Symptomlinderungen für ein Grundproblem suchen, das sie selbst erst geschaffen haben, nämlich das, dass die gesetzliche Rente nicht mehr zum Leben reicht. Gut, das ist anders als bei der FDP. Die FDP sieht nicht einmal das Problem.
Die Leute, die es am Nötigsten haben, versichern sich doch nicht zusätzlich. Denn ihnen fehlt das Geld. Daran wird Ihre Deutschland-Rente überhaupt nichts ändern. Sie wollen jetzt die Menschen mit der Deutschland-Rente und Ihrem automatischen Opt-out-Modell dazu bringen, es doch zu tun. Sie tun so, als ob die Leute aus Trägheit keine private
Altersvorsorge abschließen. Sie glauben doch nicht, dass die Menschen nicht vorsorgen, weil sie leichtsinnig sind oder weil sie zu faul sind, einen Vertrag abzuschließen. Nein, sie haben das Geld nicht.
Wie soll denn eine alleinerziehende Verkäuferin, die einen Minijob hat, privat vorsorgen? Wie soll denn ein Normalverdiener, der vielleicht den Kredit für das Häuschen abbezahlt und zwei Kinder hat, noch Geld haben, um privat vorzusorgen? Das Problem werden Sie mit der Deutschland-Rente überhaupt nicht lösen.
Das ist auch nicht der einzige Unsinn. Sie wollen jetzt die Versicherungskonzerne quasi durch den Staat ersetzen. Sie wollen einen Staatsfonds einführen, der bis zu 60 % der von den Versicherten kassierten Gelder für ein quasi neues Riester-Produkt in Aktien anlegen soll. Das soll also in Aktien angelegt werden.
Ja, wir glauben, dass der Staat für die Menschen vieles besser als die Privatwirtschaft regeln kann. Aber dass er besser als die Banken an den Finanzmärkten zocken kann, das glauben nicht einmal wir.
Diese neue Rente würde wieder auf Spekulation basieren. Bei der nächsten Finanzkrise hätten wir wieder die gleichen Probleme. Das wäre ein erneutes Zocken mit der Rente. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Rente von den Finanzmärkten entkoppeln.
Deswegen ist ganz klar: Das Dreisäulenmodell funktioniert nicht. Wir brauchen eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Dazu muss das Sicherungsniveau wieder auf 53 % angehoben werden, also auf den Stand vor den rot-grünen Reformen ab dem Jahr 2001. Das ist selbstverständlich finanzierbar, auch dann, wenn alle Erwerbseinkommen in die Rentenversicherung einzahlen, also auch die Selbstständigen, die Beamtinnen und Beamten – und auch wir. Denn die Abgeordneten zahlen gar nicht ein. Wir brauchen uns auch keine Sorgen um Altersarmut machen. Wir müssen auch nicht bis 67 Jahre arbeiten. Auch das ist eine Ungerechtigkeit. Die Menschen, die über die Rentenkürzungen entscheiden, sind davon selbst gar nicht betroffen. Deswegen brauchen wir eine Rente, in die alle einzahlen.
Natürlich müssen auch die Arbeitgeber wieder ihren paritätischen Beitrag zahlen. Um der Altersarmut vorzubeugen und einen Mindeststandard zu sichern, brauchen wir eine solidarische Mindestrente in Höhe von 1.050 €. Die private und betriebliche Altersvorsorge kann die gesetzliche Rente nicht ersetzen. Sie kann es auch nicht teilweise.
Wir brauchen eine Rückabwicklung der Riester-Rente. Die 3,6 Milliarden € Förderung der Riester-Rente pro Jahr aus Steuermitteln täten der Rentenversicherung gut. Ich finde, so könnte man aus dem Irrweg wieder herauskommen.
Wer die Altersarmut bekämpfen will, der muss sich für höhere Löhne einsetzen. Er muss sich vor allem dafür einsetzen, dass die gesetzliche Rente repariert wird.
Die Demontage der letzten 15 Jahre muss rückgängig gemacht werden. Die gesetzliche Rente muss endlich wieder gestärkt werden. – Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass es uns über weite Strecken der Debatte gelungen ist, uns trotz unterschiedlicher Sichtweisen und unterschiedlicher Facetten, die wir beleuchtet haben, weitestgehend auf die Sache zu konzentrieren. Frau Kollegin Wissler, Ihre Verschwörungstheorien, die Sie hier vorgetragen haben, helfen jedenfalls bei der Lösung des Problems nur sehr begrenzt.
(Lachen der Abg. Barbara Cárdenas und Marjana Schott (DIE LINKE) – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Herr Minister, es weiß doch jeder, wie das gelaufen ist! Das ist doch keine Verschwörungstheorie! – Glockenzeichen des Präsidenten)
Wir wollen einmal versuchen, uns ein bisschen auf die Arithmetik, die Mathematik und gelegentlich den Dreisatz zu konzentrieren. Es ist doch relativ klar, dass wir alle drei Säulen brauchen, nämlich die gesetzliche, die betriebliche und die private Altersvorsorge. Denn die Risiken, die hinter den einzelnen Elementen stehen, sind jeweils andere.
Die Risiken der gesetzlichen Altersvorsorge, die wir unweigerlich sehen, sind im Wesentlichen demografische. Es sind auch Risiken hinsichtlich der Funktionsweise des Arbeitsmarktes, also hinsichtlich des Verhältnisses der potenziellen Beitragszahlerinnen und -zahlern zu den Leistungsempfängern. Die Risikopositionen der privaten Altersvorsorge sind die des Kapitalmarktes. Da wir aber sehen, dass es jeweils unterschiedliche Risiken sind, spricht relativ viel dafür, alle Säulen gemeinschaftlich zu betrachten und sich die Wirkung in der Addition anzuschauen, um dann zu einer Bilanz zu kommen, die zeigt, wo etwas zu tun ist und an welcher Stelle nichts zu tun ist.
Meine Damen und Herren, an der demografischen Entwicklung wird sich relativ wenig ändern lassen. Mit folgendem persönlichen Beispiel habe ich den Hessischen Landtag gelegentlich schon einmal belästigt: 1966 war der mit 1,4 Millionen Jahrgangskameradinnen und -kameraden drittstärkste Jahrgang in Bezug auf die Anzahl der Geburten. Im Jahrgang der Geburt meiner Tochter, dem Jahr 2008, waren es nur noch 700.000. Das ist gerade einmal die Hälfte.
Da bekommt der Begriff „Halbstarke“, den unsere Elterngeneration verwendet hat, plötzlich eine völlig neue Dimension – aber Scherz beiseite.
Meine Damen und Herren, wenn wir es dieser Generation „auf den Buckel laden“, dass sie uns auch noch finanzieren muss, wenn wir älter sind und den festen Vorsatz haben, mindestens zehn Jahre älter als unsere Eltern zu werden, dann funktioniert das nicht. Das ist am Ende ein erweiterter Dreisatz. Der Kultusminister hat mir einmal gesagt: 8. Klasse, zweites Halbjahr.
Wenn Sie dieses Problems Herr werden wollen, müssen Sie die Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zu der Zahl der Beitragsempfänger erhöhen. Das bekommt man am Anfang dadurch hin, dass mehr Menschen in den Prozess einzahlen.
Nur: Aus den Einzahlern der ersten Generation werden die Leistungsempfänger der zweiten Generation, und Sie verschieben wieder nur ein Problem in die Zukunft.
Sie können also nur höhere Beiträge erheben, die Leute länger arbeiten lassen oder aber den Beitragsempfängern ein geringeres Leistungsniveau zur Verfügung stellen – oder Sie erhöhen den Steueranteil an der Finanzierung.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das machen aber die Rentenversicherungen nicht mit den zusätzlichen Lasten mit! – Janine Wissler (DIE LINKE): Wie wäre es denn, wenn die Arbeitgeber wieder ihren Anteil zahlten?)
Meine Damen und Herren, es geht um den Steueranteil an der gesetzliche Rente. Im Moment sind wir dabei, dass 80 Milliarden € aus dem Bundeshaushalt in die gesetzliche Rente überwiesen werden. Führen Sie sich die Anteile einmal vor Augen: 1995 gingen 17 % des Bundeshaushalts in die Rente, 2015 waren es bereits 31 %. Selbst wenn wir an der gesetzliche Regelung nichts ändern, werden wir – 80 Milliarden € Bundeszuschüsse im Moment – im Jahre 2060 bei 130 Milliarden € sein. Ich glaube, diese Periode muss man in den Blick nehmen, wenn man über Generationengerechtigkeit redet. Der Anteil der Steuerfinanzierung an der gesetzlichen Rente steigt von momentan etwa 30 % auf dann 38 % an, wenn wir nichts daran verändern.
Meine Damen und Herren, das sage ich zu all denjenigen, die fordern, dass wir an der gesetzlichen Rente Substanzielles tun müssen: Es ist verdammt teuer, wenn man da etwas tun will. Derjenige, der sagt, wir wollen an der gesetzlichen Rente etwas Substanzielles verändern bzw. verbessern, muss sagen, wie er es bezahlen will – sonst ist die Diskussion unseriös.
Wenn man das berücksichtigt, stellt man relativ schnell fest, dass man an den beiden anderen Säulen etwas ändern muss, um dort zu besseren Ergebnissen zu kommen. Ein
Problem dabei ist, dass die Wahrscheinlichkeit extrem hoch ist, dass Sie nicht in den Genuss einer betrieblichen Altersvorsorge kommen, wenn Sie als Bürger dieses Landes zwei Kriterien erfüllen, nämlich entweder ein relativ niedriges Einkommen haben und/oder in einem relativ kleinen Betrieb arbeiten. Es ist ein Versuch, dieses Instrument mit den jetzt diskutierten tariflichen Modellen zu stärken. Aber in einem großen Teil der Unternehmen, in denen die betriebliche Altersvorsorge mangels Tarifbindung gar nicht zum Tragen kommen kann, ist das ein extrem schwieriger Problempunkt.
Deshalb ist unser Ansatz ein anderer. Unser Vorschlag, zur Ergänzung eine Modifizierung aus dem Segment der privaten Altersvorsorge heranzuziehen, könnte zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge von Kleinunternehmen verwendet werden. Unser Vorschlag baut auf der Riester-Rente auf und soll diese nicht ablösen. Wir wollen damit mehr Menschen gewinnen, einzuzahlen. Ja, der Geringverdiener ist qua verfügbaren Geldes ein Problem. Meine Damen und Herren, aber wenn man zwei Kinder hat, die nach 2008 geboren sind, werden aus einem Eigenbeitrag von 5 € im Monat am Ende über 800 € Einzahlung in das Riester-Konto. Das ist eine ziemlich ordentliche Rendite, egal welchen Vertrag man abgeschlossen hat.
Am monetären Anreiz wird es kaum liegen. Es liegt zu einem nicht unerheblichen Teil am menschlichen Beharrungsvermögen, sich auch mit den eigenen Finanzen nicht in der Dimension beschäftigen zu wollen, wie das eigentlich notwendig wäre. Es gibt so eine schöne Geschichte wie: „Ach komm, irgendwie ist das kompliziert. Ich habe etwas anderes vor. Nächste Woche ist auch noch Zeit.“ Wenn ich das aber mehrere Wochen und Jahre mache, versäume ich im Wesentlichen das, was notwendigerweise gemacht werden müsste.
Meine Damen und Herren, da setzt unser Vorschlag an, der auf internationale Beispiele aufsetzt. Großbritannien hat beispielsweise sehr gute Erfahrungen mit dem NESTFonds gemacht, indem es das Verhältnis, dass ich aktiv etwas tun muss, um mitzumachen, dahin gehend umkehrt, dass ich automatisch dabei bin. Einerseits steigt dadurch die Quote derjenigen, die mitmachen, signifikant; andererseits unterlegt der Staat das mit einem passiv gemanagten Fonds, der das Geld anlegt, wenn man sich nichts anderes am privaten Markt sucht.
Frau Kollegin Beer, die Regierung Cameron in Großbritannien ist sicher für vieles verdächtig. Aber dass sie dem Sozialismus zu fröhlichen Urständ verhilft, ist jedenfalls nicht Kern des Vorwurfs gegen diese Regierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war eine Erfindung der Regierung Cameron, es genauso zu machen, wie wir es vorgeschlagen haben.
Deshalb glauben wir, dass es eine gute Chance gibt, das ordentlich zu organisieren. Natürlich gibt es das Argument: Wie schützt man einen solchen Fonds vor dem staatlichen Zugriff? Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ein Grundgesetz, das in Art. 14 individualisierbare Ansprüche von Privatpersonen dem Eigentumsschutz unterstellt. Deshalb glauben wir – die Idee der Einrichtung eines Vorsorgekontos ist übrigens eine gute Idee –, dass die individualisierbaren Ansprüche durch das Grundgesetz vor dem staatlichen Zugriff gesichert werden.
Wenn man die Institutionen, die am Ende die Verwaltung organisieren sollen, noch mit einer Unabhängigkeit ausstattet, wie sie beispielsweise die Deutsche Bundesbank heute schon hat, und wenn man – wie Frau Erfurth schon zutreffend erwähnt hat – unsere Versorgungsrücklage professionell managt, ohne dass dort die Gelder möglicherweise nicht gut zu treuen Händen angelegt werden, kann man sicher eine Institution schaffen, die das am Ende auch gewährleistet.
Es gibt allerdings einen großen Unterschied zu Norwegen: In Norwegen ist das Geld der potenziellen Rentnerinnen und Rentnern nur zum kleinsten Teil in der Rentenkasse. Es ist sehr viel staatliches Geld aus den Ölüberschüssen darin enthalten, das jetzt partiell wieder entnommen wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein völlig anderes System. Deshalb muss man an dieser Stelle genauer hinschauen.