Protokoll der Sitzung vom 19.05.2016

Deswegen geht es darum: Wie gehen wir mit dem Tatbestand um, dass wir mehr Anbieter haben? Aber wenn Sie hier die Backen so aufblasen und sagen, Sie würden notfalls einen hessischen Sonderweg gehen, ist die Frage: Wie wollen Sie das denn gewährleisten? Wie kanalisieren wir mögliche Einnahmen für den Staat aus Sportwetten? Wie gewährleisten wir – wie beim Toto-Lotto-Monopol – die Einnahmen, damit wir für Destinatäre – vom Sport bis zur Wissenschaft – keine Steuergelder aufwenden müssen, sondern davon profitieren? Wie verhindern wir, dass sich bestimmte Anbieter, z. B. „bet and win“ oder andere, die in Gibraltar oder auf Malta sitzen und relativ wenig bis keine Steuern zahlen, ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung entziehen? Wie erreichen wir da etwas, ohne das zu skandalisieren?

Kriegen Sie das hin, indem Sie den Markt öffnen, wie FDP, GRÜNE und die CDU das behaupten? Ich wäre sehr dafür, wenn es uns gelänge, diesen Markt zu ordnen. Davor stehen aber hohe Hürden. Deshalb ist der Ansatz richtig, dass die Bundesländer gemeinsam etwas zu tun versuchen. Ich könnte Ihnen übrigens die Presseerklärung des damaligen und heutigen Hessischen Ministerpräsidenten Bouffier zum Abschluss des Staatsvertrages vorlegen. Er hat den Abschluss des Staatsvertrages ausdrücklich begrüßt. Dabei stand er nicht unter einem Zwang, der von der SPD oder den LINKEN ausgeübt worden ist, sondern er hat es freiwillig getan. Deshalb sollten Sie so fair sein, zu sagen: Wir haben uns grundlegend geirrt, das, was wir damals gemacht haben, war falsch, aber wir haben es halt gemacht. – Auch das gehört zu einer redlichen Diskussion.

Wir sollen heute einem Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom letzten Herbst zustimmen und damit Leitlinien der Landesregierung begrüßen und unterstützen. Diese Leitlinien liegen dem Landtag aber noch gar nicht vor. Es geht hier auch um den Stil, wie Sie mit dem Landtag umgehen.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt sagen Sie: Schaut auf der Internetseite des Innenministeriums nach. – Ich finde, wenn man etwas vom Parlament verlangt, dann erfordert ein sachgerechter Umgang

mit dem Parlament, ihm diese Leitlinien offiziell zuzuleiten. Das ist mehr als eine Stilfrage.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Herr Frömmrich Probleme hat, wenn es um Fragen des Stils geht, sei geschenkt. Das interessiert mich an der Stelle nicht. Aber ich kann nichts begrüßen, was mir nicht vorliegt.

Herr Innenminister, die spannende Frage ist: Wie wollen Sie das umsetzen? Wie wollen Sie suchtfördernde Angebote, insbesondere Onlinepoker, Kasinospiele sowie Live-Ergebniswetten beim Sport unterbinden? Man kann heutzutage auf jeden möglichen Blödsinn wetten, z. B. darauf, ob in der letzten Minute eines Fußballspiels ein Tor fällt. Das fördert in der Tat die Spielsucht und kann auch nicht im Interesse des Sports sein. Die Frage ist: Wie bekommen wir solche Auswüchse kanalisiert?

Ich will einen weiteren Punkt anführen. Was tut der hessische Innenminister eigentlich, wenn es darum geht, konsequent nicht erlaubnisfähige Glücksspielangebote und illegale Spielhallen zu bekämpfen? Auf diese Frage sagen Sie immer, Ihnen seien die Hände gebunden. Auf der anderen Seite sagen Sie, bei den Sportwetten müsse man nur die Konzessionierungen aufheben, schon sei der Markt geregelt.

(Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Klee, gehen wir einmal gemeinsam durch die Wiesbadener Innenstadt, oder gehen wir durch Frankfurt. Insbesondere sehen wir Geschäfte, deren Scheiben abgedunkelt sind. Das sind die klassischen Anbieter, Tipico, oder wie sie heißen mögen. Die müssen wir bekämpfen, denn von diesen Einrichtungen, von deren Spielangeboten geht eine große Gefahr aus, genauso wie von Internetangeboten. Herr Innenminister, wie lauten dazu Ihre Vorschläge?

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist um.

Ich wollte gerade zum Schluss kommen, Herr Präsident. – Herr Innenminister, deshalb sind wir sehr dafür, dass sich die Bundesländer verständigen, gemeinsam Lösungen finden. Wenn Sie einen hessischen Sonderweg gehen wollen, dann müssen Sie gegenüber dem Parlament darlegen, wie Sie das praktisch umsetzen wollen. So einfach, wie Sie es sich machen, funktioniert es nicht. Wenn Sie den Landtag einbinden wollen: Wir sind gern dabei.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Innenminister Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Glücksspielstaatsvertrag ist gescheitert. Das kann man eindeutig so feststellen. Sogar in dem verschwurbelten Redebeitrag des Kollegen Rudolph, der irgendwie darstellen

musste, dass das, was wir da gemacht haben, nicht so toll ist, war zu erkennen, dass das, was im Glücksspielstaatsvertrag festgelegt worden ist, nicht vernünftig ist und daher geändert werden muss.

(Günter Rudolph (SPD): Zum Thema Sportwetten!)

Ein Fehler im Aufmarschplan zieht sich eben durch die komplette Schlacht. So ist es, und deshalb ist seitens unseres Landes in den Verhandlungen mit den anderen Ländern schon damals deutlich gemacht worden, dass wir, was die Bestimmungen zu Sportwetten angeht, erhebliche Bedenken gegenüber dem hatten, was die Mehrheit der Länder festgelegt hat.

Sportwetten finden statt. Sie finden formell, aber illegal statt. Damit sind wir mitten im Problem. Im Moment sind die Ziele, die wir im Glücksspielstaatsvertrag festgelegt haben, insbesondere was die Sportwetten angeht, aber auch was das Onlinespiel angeht, ineffektiv und funktionieren nicht: Die Suchtbekämpfung funktioniert nicht, Kanalisation und Schwarzmarktbekämpfung funktionieren ebenfalls nicht, ein Jugend- und Spielerschutz findet nicht statt, die Betrugs- und Manipulationsvermeidung ist nicht sichergestellt, und eine Wahrung der Integrität des Sports – das ist das fünfte Ziel – ist ebenfalls nicht vernünftig möglich.

Das heißt, wir haben im Moment die Situation, dass wir die Ziele, die Sie eben noch einmal dargestellt haben, Herr Kollege Rudolph, mit dem Glücksspielstaatsvertrag, den wir im Moment haben, nicht erreichen. Deshalb müssen wir ihn ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Hinzu kommt, dass uns darüber hinaus Steuereinnahmen entgehen – auch das ist in den Redebeiträgen deutlich geworden –, und zwar in einem nennenswerten Umfang. Es entgehen uns aber auch Einnahmemöglichkeiten, die sich insbesondere der deutsche Sport erhofft hat. Es gibt nämlich einen staatlichen Anbieter, ODS, der sich gerne am Sportwettenmarkt beteiligen würde. Das kann er aber im Moment nicht tun, weil diese Wetten nach dem Gesetz formell illegal sind und der Staat sich nicht an illegalen Geschäften beteiligen kann. Der Deutsche Fußballbund und der Deutsche Olympische Sportbund haben sich vorgestellt, dass sie von den Wetten für ihren Sport profitieren können. Das ist nicht möglich, und deswegen sagen wir: Wir müssen das Problem endlich lösen. Wir sind im Moment dabei, das zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir wollen einen transparenten, diskriminierungsfreien und vor allem europarechtskonformen Rahmen für den Glücksspielmarkt in Deutschland schaffen. Der Vorschlag, den wir gemacht haben, bietet einige Vorteile:

Erstens eine Auflösung des Stillstands in diesem Bereich, wie wir ihn im Moment haben.

Zweitens. Wir können mit unseren Vorschlägen die wesentlichen Mängel an den fünf Leitlinien, die ich genannt habe, beseitigen. Das ist unser Angebot an die anderen Länder – übrigens nicht erst heute gemacht, sondern schon im vergangenen Herbst. Ich will Ihnen aber gleich sagen, was wir an der Stelle noch gemacht haben.

Wir können das staatliche Lotteriemonopol – am Lotteriemarkt haben viele ein großes Interesse – nur auf diese Art

und Weise erhalten. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann wird der Glücksspielmarkt am Ende europarechtskonform von den europäischen Gerichten festgestellt werden, und damit hätten wir am Ende vor allen Dingen den Destinatären des staatlichen Lotteriemonopols geschadet.

Wir haben die Chance, neben einem liberalisierten Sportwettenmarkt und einem liberalisierten Bereich „Internetspiel“ das staatliche Lotteriemonopol zu erhalten, weil nur der Staat die Vermeidung von Betrug und Manipulation am Ende so darstellen kann, dass sie im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags trägt. Deswegen sind wir der Auffassung, dass wir das Lotteriemonopol auf der einen Seite und einen liberalisierten Glücksspielmarkt auf der anderen Seite verbinden können – im Interesse der Steuerzahler, aber z. B. auch im Interesse der Sportfamilie. Das ist unser Vorschlag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages mit unseren Vorschlägen Geltung verschaffen. Ich habe schon gesagt: Wir streben eine Regelung an, die europarechtskonform ist. Unsere Planung beinhaltet auch, die Vorschläge, die wir gemacht haben, bis zum 1. Juli des nächsten Jahres in Recht und Gesetz umzusetzen.

Meine Damen und Herren, Kollege Rudolph hat die Frage gestellt, wie wir die Wettsucht und Ähnliches in den Bereich der Regulierung von Kasino und Pokerspiel aufnehmen wollen. Ich glaube, dass die Spielerinnen und Spieler in unserem Lande vor allen Dingen nach legalen Möglichkeiten des Spiels suchen. Diejenigen, die das betreiben möchten, wollen legale Angebote. Wir können sie ihnen aber im Moment nicht bieten, weil das Ganze sozusagen im nicht regulierten Rahmen, eben im illegalen Rahmen, stattfindet.

Deswegen müssen wir das in die Legalität holen. Dann können wir mit den Anbietern z. B. auch die Wettsucht bekämpfen und den Jugendschutz herstellen. Das ist unser Ziel, und dafür müssen wir die Regeln im Lande ändern.

Meine Damen und Herren, es sind bereits viele Punkte angesprochen worden. Deswegen will ich mich nur darauf beschränken, Ihnen zu sagen, dass wir bei der Vergabe der Sportwettkonzessionen von Anfang an auf dieses Desaster zugelaufen sind. Herr Kollege Schaus, Sie haben vorhin gefragt, was wir gemacht haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

Von der ersten Sekunde an, in der ich im Amt war, haben wir versucht, auf die anderen Beteiligten einzuwirken, damit wir die Aufhebung der quantitativen Begrenzung von 20 Konzessionen erreichen können.

Es war klar, dass, wenn wir am Ende dieses Konzessionsverfahrens – in dem wir 79 Anbieter von Sportwetten haben, die in unserem Lande sogar Steuern bezahlen – z. B. die besten 20, wie auch immer, auswählen, der 21. natürlich dagegen klagen wird. In diesem Fall wird am Ende keine Konzession vergeben. Das müssen wir auflösen, indem wir sagen: Nein, in diesem Lande kann nur derjenige Sportwetten anbieten, der sich an die Regeln des Glücksspielstaatsvertrags hält, die wir formuliert haben. – Das reicht uns. Das ist hinreichend. Deswegen müssen wir von dieser quantitativen Begrenzung unbedingt wegkommen. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Herr Kollege, die Fraktionsredezeit ist beendet.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Es gehört offensichtlich zu den Regeln; ich kann es ertragen, wenn Sie den Minister kritisieren. Aber seien Sie mir nicht böse, wenn ich auch einmal sagen möchte: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns im Glücksspielreferat haben in den letzten Jahren Hunderte oder Tausende von Ordnern und von Seiten mit Geschäftsplänen und mit Konzessionsunterlagen, die von Unternehmen eingereicht worden sind, bearbeitet. Sie haben nach bestem Wissen und Gewissen dafür gesorgt, dass wir diese Bestenauslese – in dem bescheidenen Rahmen, den der Glücksspielstaatsvertrag gegeben hat – auf die Reihe bekommen haben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerführer von ver.di!)

Ich finde es einfach ungehörig, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür angegriffen werden. Sie haben ihre Arbeit ordentlich gemacht. Dass sie nicht zum Erfolg gekommen sind, liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Regeln, die wir gemacht haben – diese haben Politiker gemacht –, nicht getragen haben, um dieses Konzessionsverfahren am Ende zum Erfolg zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE), an Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gewandt: Warst du denn da?)

Vielen Dank. – Die Aussprache ist beendet.

Ich gehe davon aus, dass dieser Antrag inklusive des Entschließungsantrags an den Innenausschuss überwiesen wird. – Okay. Es gibt keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Beide Anträge gehen an den Innenausschuss.

(Zurufe)

Wir haben doch Zeit. Die Eintracht spielt erst um 20:30 Uhr.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Einigung bei Finanzierung für den öffentlichen Nahverkehr – Kompromiss nutzt der Verkehrsdrehscheibe Hessen – Drucks. 19/2645 –