Herr Kultusminister, wir fordern auch hierzu eine Kehrtwende von Ihnen. Nicht nur ist der vorliegende Gesetzentwurf zur Beamtenbesoldung völlig inakzeptabel, nein, auch die Eingruppierung von Grundschullehrkräften ist doch unbedingt reformbedürftig. In den Grundschulen werden die Grundsteine gelegt. Noch sind die Kinder nicht nach angeblicher Begabung oder Eignung getrennt. Die Arbeit ist so vielfältig und muss so differenziert angelegt werden, wie auch die jungen Schülerinnen und Schüler vielfältig sind. Wenn die Möglichkeiten, die das gemeinsame Lernen über alle Unterschiede hinweg und das gemeinsame Leben in gut ausgestatteten und die Eltern entlastenden Ganztagsgrundschulen bieten könnten, wenigstens schon in den ersten vier Jahren genutzt werden könnten – zu einem längeren gemeinsamen Lernen werden Sie sich sicherlich nicht durchringen können –, dann hätten wir zumindest eine Basis gelegt, auf der sich das weitere Lernen eventuell entspannter und individuell erfolgreicher abspielen könnte.
Diese wichtige Arbeit der ersten vier Jahre in der Schule muss endlich gewürdigt und damit angemessen bezahlt werden. Es ist unseres Erachtens längst an der Zeit, die Be
soldung der Grundschullehrkräfte von A 12 auf A 13 anzuheben. Ich danke an dieser Stelle der SPD für die Einreichung der Kleinen Anfrage zu genau diesem Thema, nämlich der Besoldung von Grundschullehrkräften.
(Armin Schwarz (CDU): Machen Sie doch einmal einen Vorschlag! Stellen Sie einmal einen Haushaltsantrag!)
Aber es gibt noch weitere Baustellen. Wie schon erwähnt, bleiben Ganztagsschulen Mangelware. Stattdessen werden Ressourcen in den unsäglichen Pakt für den Nachmittag gesteckt, der eine die Eltern und die Städte und Kommunen belastendende Mogelpackung ist und bleibt.
Dabei fordert selbst die Ihnen so nahestehende oder vielleicht nicht mehr so nahestehende Bertelsmann Stiftung, das kann ich nicht richtig beurteilen, nicht erst seit gestern – wir hatten im letzten Jahr einen gemeinsamen parlamentarischen Abend, wo das noch einmal gefordert wurde – ein Recht auf einen Ganztagsschulplatz. Gehen Sie diese Baustelle endlich richtig und grundlegend anders an, statt nur herumzumurksen, Herr Kultusminister.
Insgesamt möchten wir Sie auffordern, der Landesschülervertretung, die so lange auf ein Gespräch mit Ihnen warten musste, den Elternvertretungen aller Schulen, von den Grundschulen bis zu den Berufsschulen, die sich im Landeselternbeirat zusammengeschlossen haben, und natürlich den Experten für Schule, Ihren eigenen Leuten, den hessischen Lehrerinnen und Lehrern, die höchst engagiert eine äußerst gute Arbeit leisten, endlich Gehör zu schenken. Wenn immer mehr Lehrerinnen und Lehrer von nicht mehr zu ertragenden Arbeitsbedingungen, von völliger Überlastung berichten, dann seien Sie alarmiert, denn sie sprechen auch im Interesse der Kinder und ihrer Eltern.
Suchen Sie bitte frühzeitig das Gespräch, statt die Schotten erst einmal dicht zu machen und sich hinter den Mauern des Kultusministeriums zu verkriechen, nach dem Motto: Mal sehen, ob sich der Sturm eventuell von alleine legt.
Herr Lorz, Sie sind ein kluger Mann, Sie wissen, dass vorausschauendes Denken und Handeln so manchen Zickzackkurs überflüssig machen könnte. Mittelfristig – das möchte ich auch noch anschließen – sollten Sie sich einmal überlegen, wie Sie die Bundesebene stärker in die Verantwortung nehmen könnten. Ich sage nur: Kooperationsverbot aufheben. – Ich danke Ihnen.
Danke, Frau Kollegin Cárdenas. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Hartmann von der SPD-Fraktion. Bitte schön Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In unserer heutigen Debatte über die Situation von Grundschulen kommen wir an folgenden Fakten nicht vorbei.
Erstens. Die gesellschaftlichen Erwartungen und die zusätzlichen Aufgaben und Belastungen haben an keiner Schulform in den zurückliegenden Jahren so zugenommen wie an Grundschulen. Es ist absehbar, dass mit der Umsetzung von Inklusion und Integration und von Ganztagsangeboten noch weitere große Herausforderungen auf die Grundschulen zukommen.
Zweitens. An keiner anderen Schulform ist der Prozentsatz von Frauen so viel höher als von Männern. Die Eingruppierung hingegen und die damit verbundene gesellschaftliche Wertschätzung sind an Grundschulen deutlich schlechter als an allen anderen Schulformen.
Drittens. Grundschulen sind die einzigen Schulen für alle Kinder. Sie beweisen tagtäglich, dass sie auch ohne Selektion eine hervorragende Bildungsarbeit leisten können.
Auch in internationalen Bildungsvergleichen hat es sich niedergeschlagen und Grundschulen haben es mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie mit einer sehr heterogenen Schülerschaft sehr erfolgreich fachliche Basiskompetenzen, soziale und personale Kompetenzen und Methodenkompetenzen vermitteln können. Gleichzeitig können sie die Kinder sehr gut auf die weiterführenden Schulen vorbereiten.
Es ist unstrittig, dass der von den Regierungsfraktionen so hochgelobte Pakt für den Nachmittag den Grundschulen zwar ein bisschen mehr an Betreuung bringt, aber von einem sinnvoll pädagogisch durchgestalteten Ganztagskonzept, das eine Rhythmisierung des Unterrichts ermöglicht, noch sehr weit entfernt ist.
Bislang lassen die gesellschaftliche Wertschätzung und die Lobbyarbeit für Grundschulen leider zu wünschen übrig. Entgegen den Erkenntnissen von Bildungsforschern wird die Arbeit von Grundschullehrkräften ebenso wie die von Erzieherinnen und Erziehern leider immer noch als weniger qualifiziert eingestuft als die Arbeit von Lehrkräften an weiterführenden Schulen. Dies muss ein Ende haben.
Hier sehe ich, ebenso wie Frau Cárdenas, perspektivisch Handlungsbedarf bezüglich einer Höhergruppierung von Grundschullehrkräften nach A 13.
(Armin Schwarz (CDU): Dann stellen Sie einen Haushaltsantrag! – Alexander Bauer (CDU): Warum nicht A 14? – Günter Rudolph (SPD): Der Kollege Bauer wird immer qualifizierter mit seinen Zwischenrufen! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Der hat Ahnung!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bildungspolitischen Diskussionen der vergangenen Jahre haben sich weitaus stärker auf Gymnasien fokussiert als auf den für den Bildungsverlauf von Kindern ganz wichtigen Bereich von Grundschulen. Es gibt die viel zitierte Aussage, ich will sie auch heute noch einmal benennen: Bildung vom Kopf auf die Füße stellen, Bildung von Anfang an. – Das sind For
derungen, die von allen Fraktionen nach dem PISA-Schock von 2001 vorgebracht wurden. An dieser Forderung sollten wir uns messen lassen.
Bislang hat sich bezüglich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen an hessischen Grundschulen nur wenig getan. Die Klagen von Lehrerverbänden prallen offensichtlich ebenso an dem Kultusminister ab wie Überlastungsanzeigen, Rückgaben von Funktionsstellen und Schwierigkeiten bei der Besetzung von Funktionsstellen, insbesondere von Konrektorstellen.
Diese Problematik kommt doch nicht von ungefähr. Ich bin der Auffassung, dass Grundschulen sich noch viel stärker als andere Schulen mit neuen Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Sie haben dafür leider nicht die notwendigen Gestaltungsräume. Die zur Verfügung gestellten Deputatstunden für Schulleitungsaufgaben können dem nicht gerecht werden, was an Mehraufgaben auf die Lehrkräfte zukommt.
Selbst an kleinen Grundschulen ist die Schulleitung mit einem enorm gewachsenen Verwaltungsaufwand verbunden. Die etwas bessere Vergütung von Funktionsstellen stellt meines Erachtens keine gute Grundlage für den damit verbunden tatsächlichen Mehraufwand dar.
Es ist deswegen an der Zeit, im Rahmen der Diskussion bezüglich einer Reform der Lehrerausbildung endlich mit der tradierten Vorstellung aufzuräumen, dass die Besoldung umso kleiner sein darf, je jünger die Kinder sind.
Ich befürchte, dass wir mit dieser Erkenntnis und dieser Forderung bei den Regierungsfraktionen wieder einmal auf taube Ohren stoßen werden.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Punkte, die ich eingangs genannt habe, eingehen. Frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung fallen zwar in die gemeinsame Zuständigkeit von Familien, Kindertagesstätten und Grundschulen. In der Realität verlassen sich aber zunehmend mehr Familien darauf, dass Kindertagesstätten und Grundschulen dem Erziehungsauftrag Rechnung tragen, den sie eigentlich als Familie zu übernehmen hätten, geschweige denn, dass die Familien ihrem Bildungsauftrag nachkommen.
Von Grundschulen wird also nicht nur die Vermittlung von fachlichen Basiskompetenzen erwartet, sondern verstärkt auch die Kompensation von elterlichen Erziehungsdefiziten. Die verstärkte Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsplans halte ich für absolut sinnvoll, aber die dafür zur Verfügung stehenden Stundenkontingente für nicht ausreichend.
Grundschulen, als Schulen für alle Kinder, erfüllen eine ganz wichtige Integrationsaufgabe; beispielsweise dann, wenn es um gegenseitiges Verständnis, Toleranz und letztendlich auch um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft geht. Gerade angesichts der Integration von Flüchtlingen und der Inklusion von Kindern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen bin ich der Auffassung, dass wir Grundschullehrkräfte nicht alleine lassen dürfen.
Um Grundschule zu einem Ort zu machen, wo individuelle Förderung und Kompetenzorientierung nicht nur inhaltsleere Begriffe sind, brauchen wir eine Verbesserung der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung.
Die konstruktive Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams von Lehrkräften, Sozial- und Sonderpädagogen, Schulassistenten und Erzieherinnen und Erziehern zum Wohle der Kinder ist kein Selbstläufer und muss entsprechend organisiert werden. Mit der derzeitigen Unterrichtsverpflichtung von 29 Stunden, oft fehlenden Teamräumen und Arbeitsplätzen kann dies nur schwer gelingen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer anerkennt, dass die Aufgabenkomplexität an Grundschulen auch in Zukunft weiter zunehmen wird, muss konsequenter als bisher zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Lehrkräfte bereit sein. Ebenso muss man dafür bereit sein, die dafür notwendigen Schritte in der politischen Praxis zu gehen.
Wer es ernst damit meint, mehr Bildungsgerechtigkeit herzustellen und Kindern unabhängig vom Elternhaus bestmögliche Bildungschancen zu geben, muss dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.
Die gesellschaftlichen Herausforderungen in der Verwirklichung von Inklusion im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention, die Integration von Flüchtlingskindern, der Umbau von Grundschulen zu kindgerechten Ganztagsschulen erfordern mehr als Versprechungen. Sie erfordern einen klaren Zeit-, Ressourcen- und Finanzierungsplan.
In unserem Antrag haben wir wichtige Stellschrauben für die Verbesserung der Rahmenbedingungen an Grundschulen aufgezeigt. Nicht alle dieser Vorschläge sind mit hohen Millionenbeträgen im Haushalt verbunden.
Deshalb fordere ich Sie als Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen dazu auf, sich einem konstruktiven Diskurs über diese Herausforderung nicht zu verweigern. Ich halte es sowohl unseren Kindern als auch den Grundschullehrkräften gegenüber nicht für verantwortbar, weiterhin darauf zu vertrauen, dass die hinzukommenden Aufgaben auch in Zukunft „irgendwie“ bewältigt werden. Nachdem Sie, Herr Kultusminister, sich dem öffentlichen Druck gebeugt und die Stellenkürzungen für Oberstufen zunächst zurückgenommen haben, wäre es nichts als konsequent, auch die Kürzungen der Zuweisungen für Grundschulen endlich zurückzunehmen.