Protokoll der Sitzung vom 19.05.2016

(Beifall bei der SPD)

Wer es ernst meint mit der Aussage, Bildung vom Kopf auf die Füße stellen zu wollen, muss sich endlich auch in diese Richtung bewegen und Kindern, die mit erheblichen Bildungsbenachteiligungen in die Schule kommen, eine gerechte Chance auf gute Bildung bieten.

Diejenigen – das gilt auch für Ihre Einwendungen –, die meinen, was in den vorliegenden Anträgen gefordert wird, seien typische Oppositionsforderungen,

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

sollten sich einmal genauer die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Arbeit in der Grundschule anschauen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Empfehlungen sind vom 11. Juni 2015, und ich glaube, auch Sie als Hessischer Kultusminister haben dies mit unterzeichnet, Herr Lorz. Dort steht:

Bitte ein letzter Satz.

Letztlich ist für die Arbeit in der Grundschule der Blick auf das einzelne Kind Leitlinie allen Handelns. Die gesellschaftliche Wertschätzung der Grundschule drückt sich in der Sicherung der dafür notwendigen Ressourcen aus. Gemeinsam tragen Familien, Bildungseinrichtungen, gesellschaftliche Gruppen und Politik Verantwortung für eine solidarische Kultur des Aufwachsens und für Bildung.

Dem habe ich auch nichts mehr hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hartmann. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Schwarz von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich danke der Linksfraktion für diesen Setzpunkt. Das ist für mich ein besonderer Moment: In den letzten fünf Jahrzehnten habe ich noch nie einer Linksfraktion innerhalb oder außerhalb eines Parlaments gedankt. Ich glaube, auch in den nächsten fünf Jahrzehnten wird das nie wieder geschehen.

(Zurufe)

Aber Ihr Antrag betreffend Sicherung der Aufgaben von Grundschulen in Hessen bietet auch Gelegenheit, ein paar Dinge, die hier gerade eben völlig verzerrt dargestellt wurden, ein bisschen geradezurücken. Frau Kollegin Cárdenas, Sie haben so eine Tour d’Horizon über alles gemacht, dass alles schwierig sei. Zu Ihrem Antrag selbst haben Sie kaum gesprochen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Der spricht für sich selbst!)

Deswegen eingangs ein paar grundsätzliche Hinweise zu den Grundschulen, wie es den Grundschulen geht und was wir dort machen.

Durch eine gezielte Förderung der Grundschulen sorgen wir seit Jahren dafür, dass alle Kinder in ganz Hessen vom Beginn ihrer Schullaufbahn an die bestmöglichen Bildungschancen haben. Dazu bedarf es einer vorzüglichen Personalausstattung. Wenn Sie auf Personal und Ausstattungsfragen eingehen, würde ich schon gerne einmal Tat

sachen sprechen lassen: Die Grundschüler in Hessen sitzen heute im Durchschnitt mit 19 Kindern in einer Klasse – 19,4, um präzise zu sein. Das sind die drittkleinsten Klassen aller 16 Bundesländer. Damit liegen wir deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von 20,7 und das ist jetzt kein Tagtraum des Abg. Schwarz, sondern das sind Zahlen der eben zitierten Kultusministerkonferenz, die das sehr stark befürwortet.

Diese vorzüglichen Rahmenbedingungen belegen den hohen Stellenwert, den die Landesregierung und die Regierungsfraktionen den Startbedingungen der Schülerinnen und Schüler in den prägenden ersten vier Schuljahren beimessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Primarschüler in Hessen haben Priorität. Ja, Bildung in Hessen hat Priorität. Ja, davon können sich andere Bundesländer eine Scheibe abschneiden und sich ein Beispiel an uns nehmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die bundesweit einzigartigen Vorgaben zu Mindestklassengrößen zeugen überdies von dem festen politischen Willen unserer Fraktionen, den Erhalt von Grundschulen, den sogenannten Zwergschulen, auch im ländlichen Raum langfristig zu sichern. Ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Frau Kollegin Cárdenas, hätten Sie die Große Anfrage der SPD aus dem letzten Jahr in Erinnerung, hätten Sie den Setzpunkt möglicherweise etwas anders gewählt. Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich aus Drucks. 19/1644 zitieren, Frau Präsidentin. Darin wird nämlich ein klares Glaubensbekenntnis zum Stellenwert der Grundschulen geliefert:

Insbesondere ländliche Regionen Hessens stehen angesichts anhaltender Schülerrückgänge vor der Herausforderung, ihr Bildungsangebot in der Fläche weiterhin angemessen zu sichern. Ein Schulangebot vorzuhalten, das den Anforderungen des Hessischen Schulgesetzes genügt, ist die originäre Aufgabe der … Schulträger. Sie haben die planerische Grundlage für ein bedarfsgerechtes und zukunftsfähiges Schulangebot zu schaffen.

Sollten die in den Verordnungen aus 2012/2013 betreffend Klassen- und Kursgrößen beschriebenen Grenzen gerissen werden, besteht natürlich die Möglichkeit – dieser Spielraum wird eingeräumt –, Verbundschulen zu bilden, jahrgangsübergreifenden Unterricht, also Kombiklassen einzurichten. Die Landesregierung – ich habe nachgefragt – plant keine Festlegung von Ziel- und Mindestklassengrößen, und dabei bleibt es. Darauf können wir stolz sein.

Jetzt will ich Ihnen raten – auch da sind Zahlen hilfreich –, einmal darauf zu schauen: Wir haben in Hessen rund 60 Schulen, die weniger als 50 Schüler haben. Wir haben in Hessen über 200 Schulen mit 50 bis 100 Schülern. Wir haben in Hessen 208 Schulen mit 100 bis 150 Schülern und ca. 160 Schulen, die 150 bis 200 Schüler haben. Dabei bleibt es. Nur Hessen leistet sich den Luxus von Zwergschulen, und es wird kein Ausbluten des ländlichen Raumes geben. Kurze Beine, kurze Wege – das bleibt das Motto. Die Grundschule vor der Haustüre ist identitätsstiftend. Die Grundschule vor der Haustüre hat eine hohe Integrationskraft, und als Vertreter des ländlichen Raums und Jun

ge vom Land darf ich Ihnen sagen: Die Grundschule im Dorf, die Grundschule im Ort zeigt den Menschen: Jawohl, wir haben Zukunft, jawohl, hier geht es weiter.

(Zuruf der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Das ist für mich eine Botschaft, die elementar ist. – Vielen Dank, Herr Kollege May, dass Sie dementsprechend nicken.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind verantwortlich für Ballungszentren, die Mittelzentren und auch den ländlichen Raum. Das halte ich für ganz elementar.

Schauen wir uns einmal die Punkte an, die Sie alle in Ihrem Antrag einbringen, wobei Sie Stellenumlenkungen in Ihrem Antrag fälschlicherweise als Kürzungen bezeichnen: Durch klare Schwerpunktsetzung in den Bereichen Inklusion, Deutschförderung, Sozialindex und natürlich Ganztagsangebote werden hier Zeichen gesetzt, von denen insbesondere Grundschulen profitieren. Allein für den Pakt für den Nachmittag stehen derzeit 2.000 Stellen zur Verfügung, zum kommenden Schuljahr kommen 230 hinzu.

Hier haben wir schon eine andere Überzeugung: Wir wollen – da zitiere ich immer gerne meinen Kollegen Mathias Wagner – ermöglichen, nicht verordnen. Jawohl, der Pakt für den Nachmittag ist attraktiv. Jawohl, der Pakt für den Nachmittag bietet die Chance, dass die Schulgemeinde selbst entscheidet, welcher Weg gegangen wird. Jawohl, zum neuen Schuljahr sind weitere zehn Schulträger mit an Bord.

Weil Sie sich auf diese 140 Stellen beziehen, die umgelenkt werden, bringe ich einen Vergleich des Schuljahres 2012/2013 zum jetzigen Schuljahr. Im Bereich DaZ kommen den Grundschulen 159 zusätzliche Stellen zugute. Im Bereich Ganztag kommen den Grundschulen 279 zusätzliche Stellen zugute. Im Bereich Sozialindex kommen ihnen 124 zusätzliche Stellen zugute. Das sind 562 zusätzliche Stellen. Das ist deutlich mehr als die 140 Stellen. Obendrauf kommen noch die Stellen für die Inklusion.

Ich glaube, daran kann man deutlich sehen, welche Prioritäten wir setzen, wo wir die Akzente setzen. Die Grundschulen – das verheimlicht die Opposition immer gerne – sind heute deutlich besser ausgestattet, als sie es noch in den letzten Schuljahren waren, und das Ganze – darüber kann man auch einmal sprechen – bei deutlich zurückgehenden Schülerzahlen.

Im Schuljahr 2000/2001 gab es 260.000 Schüler an Grundschulen. Im Schuljahr 2014/2015 waren es 214.000. Wenn man jetzt schaut, wo wir die Priorität setzen: bei den jungen Menschen, Priorität für Primarschüler, Priorität für Bildung grundsätzlich, die drittkleinsten Klassengrößen in ganz Hessen, Ausbau Ganztag, Ausbau Sprachförderung, Ausbau Sozialindex – den gab es vor drei Jahren noch nicht – und natürlich die Inklusion. Das sind klare Zeichen, gute Botschaften für die Grundschulen.

Sie wundern sich, dass es an den Grundschulen nicht rumort. Da ist die Welt, soweit wir das in den jeweiligen Fällen sagen, in Ordnung. Wir könnten natürlich nach dem Prinzip „Wünsch dir mehr, dann haben wir noch mehr Spaß“ immer etwas obendrauf setzen. Ich hätte gerne einmal einen Haushaltsantrag von der SPD für die Stellenhe

bung oder einen Haushaltsantrag der Linksfraktion gesehen. Der ist mir nicht bekannt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Jedes Jahr stellen wir ihn! – Marjana Schott (DIE LINKE): Sie müssten die Anträge einmal lesen!)

Insofern sage ich noch einmal: Bei uns sind die Grundschulen gut aufgehoben. Das ist so, das bleibt so, und wir werden den Grundschulen weiter mit großer Wertschätzung gegenüberstehen und ihre Arbeit weiterhin kraftvoll unterstützen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Greilich von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Cárdenas hat vorhin gesagt, man habe den Setzpunkt wohlüberlegt ausgesucht. Das kann ich nicht beurteilen, das will ich auch glauben. Aber nicht wohlüberlegt war die Formulierung Ihres Antrags. Das ist deutlich festzustellen, allein wenn man die Ziffer 1 liest, in der Sie die Landesregierung dafür loben, sie habe die Stellenkürzungen für die Oberstufen rückgängig gemacht.

Ich darf Sie auf die Tatsachen hinweisen. Hier ist nichts rückgängig gemacht worden, sondern die 160 Stellen, die man im laufenden Schuljahr gestrichen hat, sind einfach weg. Da ist nichts rückgängig gemacht worden.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Turgut Yüksel (SPD))

Das Einzige, was man gemacht hat, ist, dass man keine weiteren Lehrer im nächsten Schuljahr wegnehmen will. Genauso ist es bei dem zweiten Fehler. Es geht nicht um Förderstunden bei den Grundschulen, sondern es sind 140 Stellen der Grundunterrichtsversorgung bei den Grundschulen gestrichen worden. Das ist der wesentliche Fehler. Der Kultusminister kann nachher wieder versuchen, das zu relativieren.

Insgesamt ist der Antrag der LINKEN wieder einmal geprägt von der Theorie „Freibier für alle“. Das ist haushaltsmäßig so, wie es dort steht, nicht zu machen. Insbesondere was das Ganztagsschulprogramm angeht, will ich sehr deutlich sagen: Wir stehen nicht dafür, das bisschen, was jetzt passiert, im Zuge des Pakts für den Nachmittag wieder rückgängig zu machen und in einen halbherzigen Ausbau der Ganztagsschulen in rhythmisierter Form zu stecken. Wir stehen dafür, dass möglichst viel Potenzial auch in den Pakt für den Nachmittag fließt. Nur, er muss mit seinen Geburtsfehlern fertig werden. Das bedeutet insbesondere, dass Sie nicht nur die Stellen zur Verfügung stellen – das sind wenig genug –,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doppelt so viele wie bei Ihnen, Herr Greilich!)

sondern dass Sie darüber hinaus auch die Beschwerden aufnehmen. Herr Kollege Wagner, Sie reden immer davon,

dass Sie zuhören. Nehmen Sie die Beschwerden auf, die Sie aus den Kommunen hören, dass die vorhandenen kommunalen Angebote im Wesentlichen umgestrickt werden müssen, um sie passgenau zu machen für das, was Sie sich vorstellen. Das ist zusätzlicher bürokratischer Aufwand, ohne dass es zu viel Entwicklung und Zusatzleistung kommt.