Meine Damen und Herren, in dieser Regierungserklärung und mit dem heute vorgelegten Antrag wurde nicht die Frage beantwortet, was das Land Hessen konkret macht, damit wir auf diesem Gebiet wirklich besser werden.
Es gilt hier der alte Satz: Die beste Strafverfolgung hilft nicht, wenn niemand sie leisten kann. – Das gilt für das Internet genauso wie für die analoge Struktur.
Ich glaube, wenn wir jetzt über die Frage diskutieren, was wirklich zu tun ist, werden wir feststellen, dass die Landesregierung mit ihrer Initiative gegen Botnetze etwas Richtiges auf den Weg gebracht hat. Ich will das unterstützen. Wir werden deshalb nicht gegen den Antrag stimmen, sondern uns enthalten.
Aber ich sage, man springt mir bei dem Ganzen zu kurz. Man springt mir auch deshalb zu kurz, weil die wirklichen Herausforderungen in der Justiz – das stelle ich fest, wenn ich mit Richtern spreche – ganz andere sind als die, von denen wir heute in dieser Regierungserklärung gehört haben. Deshalb gehört beides zusammen: ein Stück Vision auf der einen Seite und ein Stück Realitätsanerkennung auf der anderen Seite. Die haben wir bisher noch nicht wahrgenommen.
Deshalb möchte ich eine Anmerkung zur Bundesebene machen, auf der die Union zusammen mit den Sozialdemokraten regiert, wie ich schon sagte. Wenn man liest, dass
Deutschland auf der EU-Ebene eine Geldbewilligung für die Cybercrime-Bekämpfung bei Europol blockiert – es waren, wenn ich das richtig nachvollzogen habe, verschiedene Ministerien zuständig, sowohl das Justizministerium als auch das Innenministerium –, muss man sagen: Es ist schön, wenn wir an vielen Stellen über rechtliche Rahmen diskutieren und darüber, was man anders machen kann. Aber es wäre sicherlich gut gewesen, wenn wir für die Cybercrime-Bekämpfung durch Spezialinstitutionen wie Europol, die versuchen, europaweite Netzwerke lahmzulegen – die machen mittlerweile nicht mehr vor nationalen Grenzen halt –, finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hätten.
Dass die Bundesregierung das nicht unterstützt hat, halte ich für einen Fehler. Wie ein prominenter Zeitgenosse sagte: Man kann nur den Kopf darüber schütteln, dass Deutschland eine große Chance, auf europäischer Ebene einen Mehrwert zu erzielen, aufgrund von Diskussionen zwischen Vertretern des Innenministeriums und des Justizministeriums nicht ergriffen hat. Meine Damen und Herren, das sind die wahren Probleme, die bei einer solchen Debatte ebenfalls auf den Tisch gehören.
Die Justizministerin hat die Fußballeuropameisterschaft angesprochen. Es war sicherlich sinnvoll, das zu machen.
Frau Ministerin, ich will zu dem Thema nur eine Bemerkung machen: Sie haben einen Vorschlag gemacht, den wir, wie gesagt, gründlich gelesen haben: Ausreiseverfügung für Hooligans mittels elektronischer Fußfessel durchsetzen und die komplette Europameisterschaft zur Schutzzone erklären. Es wäre eine juristisch spannende Debatte im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel, ob eine solche Maßnahme, ganz abgesehen davon, ob sie in der „Bild“-Zeitung Anklang findet oder nicht, auch rechtlich umsetzbar ist. Ich habe mir überlegt, ob das für die Justizministerin des Landes der richtige Ansatz ist: eine Maßnahme, die, was ihre Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit betrifft, nicht realistisch ist. Sie füllt zwar die Seiten der „Bild“-Zeitung, aber es gibt keine Möglichkeit, sie durchzusetzen.
Wir können im Ausschuss gern noch einmal darüber reden. Ich finde es spannend, darüber zu diskutieren, wie die rechtlichen Einschätzungen der Frau Ministerin seitens des Landes bewertet werden. Ich glaube, das sollte man machen; denn eines ist klar: Man sollte den Bürgerinnen und Bürgern nicht vorgaukeln, dass es eine Lösung gibt, wenn diese nachher rechtlich nicht durchsetzbar ist. Das wäre der völlig falsche Weg. Frau Ministerin, auch wenn die Forderung, die Sie aufgestellt haben, zurzeit sicherlich sehr populär ist, sollten wir in der Diskussion so wahrhaftig bleiben, dass wir nur Positionen formulieren, die nachher rechtlich umsetzbar sind und nicht sozusagen ins Wolkenkuckucksheim gehören.
Ja, auch das, Frau Kollegin Hofmann. Aber im Ausschuss gibt es noch Möglichkeiten, darüber zu diskutieren. Wir haben genug Juristen und deshalb auch genug Meinungen. Es gibt genug Leute, die das Ganze noch einmal hinterfragen können.
Die Umweltministerin freut sich. Auch dazu habe ich beigetragen. Mehr kann ich an diesem Tag nicht erreichen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Ministerin Priska Hinz: Zwei Juristen, drei Mei- nungen!)
„Zwei Juristen, drei Meinungen“ ist nicht ganz falsch; aber auch die Angehörigen anderer Berufsgruppen, die ich in meiner Fraktion erlebe – ich weiß nicht, wie das bei den Kollegen ist –, tragen nicht gerade zur Meinungsarmut bei. Das möchte ich einmal so formulieren. Ich glaube, auch die sind in der Debatte sehr munter.
Ein bisschen Kollegialität unter den Juristen finde ich sehr angemessen. Kollege Weiß, vielen Dank, dass Sie geklatscht haben. – In der ersten Reihe meiner Fraktion wird nicht geklatscht. Der Grund ist wahrscheinlich die falsche Berufswahl, wie ich einmal sagen möchte.
Zurück zum Antrag. Der Antrag der Landesregierung beinhaltet viel Richtiges. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung enthalten. Wir hätten uns in dieser Frage ein ganzheitliches Konzept gewünscht. Trotzdem wünschen wir der Landesregierung bei dem Unterfangen, Zustimmung im Bundesrat zu finden, viel Erfolg. Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn aus diesem Antrag am Schluss etwas werden würde. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Als Nächster spricht Kollege Honka für die CDU-Fraktion. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als letzter Redner im Anschluss an eine Regierungserklärung zu sprechen ist nicht immer das Allereinfachste.
Ich höre, dass sich zumindest einige Kollegen darauf freuen. Das ist doch schon einmal etwas wert. – Dass Daten die Währung des 21. Jahrhunderts sind, ist inzwischen zum Allgemeingut geworden. Wir alle wissen aber auch, dass die angeblich kostenlosen Angebote im Internet gar nicht so kostenlos sind, sondern dass sie in einer Währung bezahlt werden, derer wir uns häufig gar nicht bewusst sind: mit unseren Daten, mit den Informationen, die wir dort preisgeben.
Darüber dürften eigentlich nicht nur die Rechtspolitiker diskutieren. Ich glaube, wenn man ab und zu dem Datenschutzbeauftragten des Landes Hessen zuhört, erkennt man sehr genau, wo in unserer Welt die Probleme liegen und an welchen Stellen es vielen Nutzern an Bewusstsein mangelt.
Da Frau Justizministerin Kühne-Hörmann in ihrer Regierungserklärung einen sehr breit angelegten Ansatz gewählt hat und das auch in den Stichworten klar wurde, die man uns vorab zur Verfügung gestellt hatte, möchte ich bei dem Thema ebenfalls gern in die Breite gehen.
Zunächst gehe ich auf das Thema Zivilrecht ein. Das Zivilrecht ist das, was uns – jeden Bürger in diesem Land – am meisten betrifft. Wir müssen feststellen, dass im materiellen Recht einiges an Änderungen notwendig ist, damit die digitale Welt nicht nur eine schöne, virtuelle Spielwiese ist, sondern auch auf Dauer in unsere Wirtschaft und in unsere Häuser gesund und munter einzieht. Der Kühlschrank, der die Milch bestellt – egal welche Menge Herr Dr. Wilken gern hätte –, ist da sicherlich noch ein einfaches und sehr nettes Beispiel.
Das Thema kann aber, wie wir feststellen, wenn wir an die automatisierte Wirtschaft und an große Unternehmen denken, auf einmal ganz andere, existenzbedrohende Dimensionen annehmen, wenn dort etwas schiefgeht. Von daher halte ich es für klug und für richtig, dass der Ansatz unserer Landesregierung, so, wie ihn die Frau Justizministerin dargestellt hat, ein sehr breit angelegter und ganzheitlicher ist.
Ich möchte jetzt auf das Thema Strafrecht zu sprechen kommen. Das Strafrecht ist das Recht, das wir immer gern bemühen und von dem wir sagen, es sei das schärfste Schwert des Staates, das sehr einschneidende Wirkungen habe. Wir haben in den vergangenen Jahren häufig über Lücken im Strafrecht diskutiert, was die digitale Welt betrifft. Der frühere Justizminister Hahn hat bei dem Thema Datenhehlerei angesetzt. Mit Frau Kühne-Hörmann als Justizministerin diskutieren wir aktuell über das Thema Botnetze und auch über das Thema digitaler Hausfriedensbruch.
Das sei nur als kleine Anmerkung am Rande an die gerichtet, die über das Thema Botnetze und die Initiativen gesprochen haben: Dabei geht es genau um das Thema Datenschutz; es geht um den Schutz der Daten der privaten Nutzer, deren Computer auf einmal gekapert werden.
Es gibt in diesem Bereich – ich habe es bereits dargestellt – noch die eine oder andere Strafbarkeitslücke. Ich finde, als aufgeklärte Gesellschaft können wir es nicht zulassen, dass eine Tat zwar strafbar ist, wenn sie in der realen Welt begangen wird, aber nicht, wenn sie in der virtuellen Welt begangen wird. Das heißt, diese Lücken müssen wir schließen, um unser Rechtssystem kongruent darzustellen.
Ich finde, wir Hessen haben allen Grund, mit erhobenem Haupt vorneweg zu gehen; denn wir haben mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bereits im Jahr 2010 den Grundstein dafür gelegt, dass die hessische Justiz bei der Bekämpfung der Internetkriminalität federführend ist. Wie gesagt: im Jahr 2010.
Es ist eine Außenstelle der Generalstaatsanwaltschaft, die in Gießen tätig ist. Es sind Staatsanwälte, Polizisten und Techniker, die dort ganz eng zusammenarbeiten, immer nur unter einem Gesichtspunkt: in der digitalen Welt das Recht durchzusetzen. Es ist von Frau Justizministerin Kühne-Hörmann auch geschildert worden: Die Erfahrungen, die diese Experten dort machen, wo noch Löcher in unserem Rechtssystem sind, an die Ministerien zurückzuspiegeln und dann entweder hier oder über den Bundesrat einzubringen, damit diese Löcher gestopft werden und damit die Flicken im Netz unseres Rechtssystems aufgesetzt werden, sodass dort die Strafbarkeiten durchgesetzt werden können – darauf können wir stolz sein.
Denn die Zentralstelle, die wir in Gießen haben, ist von bundesweiter Bedeutung. Sie gilt für das Bundeskriminalamt als erste Anlaufstelle, wenn es Probleme im Internet gibt und wenn es dort Straftaten gibt und man noch nicht genau die Hintergründe weiß, wo der Täter sitzt und was im Internet los ist. Dann geht man nach Gießen. Ich glaube, das ist ein Aushängeschild für uns. Dafür können wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr dankbar sein.
(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. h.c. JörgUwe Hahn (FDP))
Insofern kann ich an dieser Stelle feststellen: An Hessen führt kein Weg vorbei. Auch wenn das Justizministerium diesen Spruch nicht erfunden hat – an dieser Stelle passt er ganz gut. Ich glaube, wir sind insgesamt in der hessischen Justiz im Strafrecht gut aufgestellt. Unsere Landesregierung macht auch immer wieder entsprechende Gesetzesvorschläge, um die Lücken, die noch im Strafsystem herrschen, zu schließen.
Aber – da ist dann der Bundesgesetzgeber gefragt – für den ganzheitlichen Ansatz dabei, gerade auch im Verfahrensrecht, was Frau Kühne-Hörmann dargestellt hat, ist nun einmal der Bundesgesetzgeber zuständig. Es wäre sehr hilfreich, wenn man nicht, wie es der derzeitige Justizminister getan hat, eine Wahlperiode damit verbringt, dass man versucht, die lebenslange Freiheitsstrafe bei Mord abzuschaffen, sondern wenn man stattdessen eine Kommission zu der Frage einsetzen würde, wie man z. B. die Strafprozessordnung für das 21. Jahrhundert und auch für die virtuelle Welt komplett fit macht.
Damit noch einmal kurz zum Zivilrecht; denn das BGB – so alt es ist; es ist nicht gerade das neueste Gesetz in unserem Land – gilt, egal ob man im Grundsatz ein Brötchen kauft oder ob man ein gesamtes Unternehmen kauft. An dieser Stelle muss der Bundestag noch einmal sehr deutlich Hand anlegen, finde ich. Ich möchte ihm da keine Empfehlung geben, was er im Einzelfall tun soll.
Aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit einmal auf einen eher im Hintergrund ablaufenden Aspekt lenken, auf folgende Frage: Bei der Rasanz der technischen Entwicklung im Internet muss unser Gesetzgeber an dieser Stelle auch mithalten, was eine Formulierung angeht. Ich denke, die eine oder andere Formulierung, die der Gesetzgeber bei Schaffung des BGB gewählt hat, ist zwar heute sprachlich nicht mehr so richtig; aber sie funktioniert immerhin noch.
Wir müssen darauf achten, dass wir eine kluge und wieder richtig abstrakte Rechtssprache finden, damit das BGB an der Stelle nicht jeden Monat erneut korrigiert werden muss, wenn die technische Entwicklung auf einmal wieder vorangeschritten ist.
Ich hatte es vorhin bereits angesprochen: das Thema Industrie 4.0; es ist ein spannendes Thema. Es sind zwar eher die Wirtschaftspolitiker, die sich gern darüber unterhalten, was dort los ist. Aber den Rahmen für all diese Unternehmen setzen am Ende die Gesetzgeber, also in einem Rechtsstaat wir – die Parlamente. Insofern müssen wir nicht nur darauf achten, dass dort kluge technische Standards herrschen. Diese Unternehmer sind vielmehr auch darauf angewiesen, dass wir klare rechtliche Rahmenbedingungen setzen. Wenn Roboter automatisch Bestellungen auslösen, geht es
zwar meist nicht um die Milch – wie vorher genannt –, sondern um große Materiallieferungen; aber da muss der Unternehmer wissen, dass alles sicher abläuft.
Ich glaube, die Unternehmer in unserem Land haben kluge Ideen, auch dazu, wie diese Industrie 4.0 unser Land nach vorne bringen kann, unsere Wirtschaftswelt verändern kann und damit die Arbeitsplätze und unserem Land Wohlstand sichert. Wir müssen aber als Gesetzgeber – da sind der Bundestag und die Landtage aufgefordert – den entsprechenden Rahmen liefern, damit das auf Dauer funktionieren kann.
Ich möchte als letztes Beispiel auch noch einmal den digitalen Nachlass ansprechen. Es gibt inzwischen – die Fachleute werden das wissen – die ersten Urteile zu diesem Thema. Noch ist das alles sehr überschaubar. Aber die Frage, wem diese Inhalte in der virtuellen Welt gehören, ist, glaube ich, ein sehr sensibler Bereich, gerade für Nachkommen, deren Lebenspartner oder deren Eltern vielleicht gestorben sind. In einigen Jahren wird die jüngere, richtig technikaffine Generation leider auch in dieses Alter kommen. Dass der Gesetzgeber dort Rahmen schafft und man weiß, was mit dem digitalen Nachlass abläuft, wer welche Rechte hat, ist, glaube ich, ein sensibles Thema. Dem kann sich der Gesetzgeber nicht verschließen, und dem muss er sich stellen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, abschließend feststellen zu können, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland bisher ein gutes Rechtssystem haben und auch ein gutes materielles Recht insgesamt. Von daher sollten wir daran arbeiten, dass auch in der virtuellen Welt in Deutschland ein gutes Rechtssystem herrscht und gute Gesetze zur Anwendung kommen können.
Ich möchte abschließend all denen danken, die in unserem Land tagtäglich für unseren Rechtsstaat aktiv sind, in erster Linie natürlich den Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Servicekräften – welchen Titel sie auch haben; denn die besten Gesetze nutzen nichts, wenn man nicht gute Mitarbeiter hat, die ihnen ein Gesicht verleihen und die diese Gesetze täglich richtig anwenden.