Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite entscheidende Punkt, der den Untersuchungsausschuss intensiv beschäftigt hat, betrifft die Frage: Gab es eine Weisung, oder gab es keine Weisung? Das ist im Innenverhältnis für die Verursachung des Schadens relativ entscheidend.

Ich glaube, für jeden, der im Untersuchungsausschuss war, ist deutlich geworden, dass es keine Weisung gab. Ich habe

auch die Mitglieder der Regierungsmehrheit am Ende so erlebt, dass sie nicht mehr an der These festgehalten haben. Nach dem, was wir herausfinden konnten, gab es keine Weisung des Bundes an das Land Hessen oder das Umweltministerium, der zufolge diese Form der Umsetzung vorausgesetzt wurde. Von daher ist das eine schwierige Situation für das Land Hessen. Das ist der zweite wichtige Fakt, den wir feststellen mussten.

(Beifall der Abg. Florian Rentsch und Nicola Beer (FDP) sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt könnte ich mich noch sehr lange an den Details der Umstände im Umweltministerium abarbeiten. Ich werde aber nur noch versuchen, das an einem Thema darzustellen.

Es gab die Einbeziehung anderer Ministerien. Es gab die Einbeziehung des Justizministeriums. Es gab einen Vermerk, der uns zur Verfügung gestellt wurde. Über den Vermerk wurde ausführlich öffentlich berichtet. Den Inhalt muss ich hier jetzt nicht noch einmal darstellen.

In dem Vermerk wurde darauf hingewiesen, dass eine Anhörung notwendig sei und dass man sie auch nachholen könnte. Auch über das Nachholen wurde hier schon genug gesagt. Ein Punkt daran ist mir wichtig. Auf den möchte ich hinweisen. Das ist der Umstand, dass man diesen Vermerk im Umweltministerium in den Papierkorb geworfen hat,

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist unglaublich!)

um ihn nicht in den Akten zu haben. Denn dann hätte wiederum die Gefahr bestanden – oder sie hätte sich davon ableiten lassen –, dass man Probleme bekommen würde, wenn es zu einer Schadenersatzklage käme.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist unglaublich!)

Das ist für mich immer noch unvorstellbar. Es ist für mich unvorstellbar, dass es so einen Umgang in einer hessischen Verwaltung, in einem Ministerium gegeben hat. Eine solche Aktenführung ist für mich immer noch absolut nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es ließe sich dazu noch sehr viel sagen. Ich werde es abschließen, indem ich einfach sage: Die Ministerin hat im Untersuchungsausschuss für die Vorgänge im Ministerium die fachliche Verantwortung übernommen. Damit ist die Frage, wer in diesem Ministerium am Ende die Verantwortung getragen hat, klar beantwortet. Frau Ministerin Puttrich hat im Untersuchungsausschuss klar gesagt, dass sie die Entscheidung allein getroffen habe. Sie übernehme die politische Verantwortung. Der Ministerpräsident sei nicht eingebunden gewesen. Sie hat sozusagen erklärt, dass es ihre alleinige Entscheidung gewesen sei.

Alles Weitere kann man detailliert im Bericht nachlesen. Ich glaube, das ist eine klare politische Botschaft, die man zur Kenntnis nehmen muss.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich glaube, man muss dennoch in diesem Zusammenhang die Rolle Volker Bouffiers, unseres Ministerpräsidenten, noch einmal beleuchten.

(Holger Bellino (CDU): Von der FDP!)

Selbstverständlich. Sie waren auch dabei. Auch Sie haben das ausführlich gemacht.

Wir haben von dem Ministerpräsidenten erfahren, dass man von etwas ausgehen konnte. Die Formulierung von Frau Merkel war angeblich: „Wir lassen die Länder nicht im Regen stehen.“ – Daraus wurde abgeleitet: Im Zweifel wird der Bund die Verantwortung übernehmen. Er wird dann auch den Regress, der entstehen könnte, übernehmen.

Diesen Eindruck hat Volker Bouffier nicht nur intern vermittelt, sondern er hat ihn auch in der Öffentlichkeit vermittelt. Vielleicht war die Entscheidung der Ministerin von solch einem Denken nicht völlig losgelöst. Das ist zumindest einmal die politische Botschaft, die wir überall empfangen haben und die erst einmal im Raum stand.

Da hat sich ein Bild abgezeichnet. Ich weiß gar nicht mehr, wer von meinen Vorrednern darauf hingewiesen hat. Der Ministerpräsident hat die Ministerin zu einer Pressekonferenz zitiert. Sie hat deshalb an einer wichtigen Sitzung in Berlin nicht teilnehmen können. Das zeigt auch noch einmal ein Stück weit das Verhältnis zwischen der Staatskanzlei, dem Ministerpräsidenten und der Umweltministerin. Da kann man zumindest einmal hinterfragen, ob es eine autonome Entscheidung der Ministerin gab. Das zeigt vielleicht auch den Schwerpunkt, der damals gesetzt wurde. Da ging es um die öffentliche Darstellung oder die fachliche Bearbeitung. Auch das könnte Hinweise geben.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP) und bei Abgeordneten der SPD)

In diesem Zusammenhang ist natürlich der intensive Austausch über E-Mails und anscheinend auch über Telefonate zwischen der Staatskanzlei und dem Ministerbüro hinsichtlich der Frage besonders interessant, ob zu der Stilllegungsverfügung eine Anhörung drin ist oder nicht. Diesen Austausch gab es nachweislich, auch wenn er anscheinend nur informell war und die politische Entscheidung ausschließlich von Ministerin Puttrich gefällt wurde.

Es gibt zumindest Hinweise darauf, dass die Staatskanzlei informiert war und auch an der einen oder anderen Stelle einen Hinweis gegeben haben könnte. Das konnte von uns allerdings nicht erhärtet werden. Wie gesagt, wir haben die Aussage zu der politischen Zuständigkeit im Untersuchungsausschuss klar gehört. Auch Fragen hinsichtlich des Informationsflusses wurden durch die Ministerin klar beantwortet. Dennoch bleiben natürlich ein paar Fragen übrig.

Etwas finde ich besonders interessant. Das wird die Überleitung zu meinem letzten Punkt. Dabei geht es um die Erklärung Volker Bouffiers, dass er in engem Austausch mit RWE gestanden habe. Er habe das in der Pressekonferenz noch einmal deutlich gemacht.

Das Schweigen zu einem Thema zieht sich meiner Ansicht nach durch die Sitzungen des gesamten Ausschusses. Dieses Schweigen ist meiner Lebenserfahrung nach höchst unwahrscheinlich. Das ist das Schweigen zum Thema Schadenersatz.

Ich will das in den letzten drei Minuten meiner Redezeit noch einmal deutlich machen. Frau Puttrich hat erklärt, das Thema Schadenersatz sei in der aktuellen Debatte nicht das zentrale gewesen. Ihr Ministerium, ihre Behörde, das Amt haben erklärt, aus gewissen Gründen wolle man keine Verantwortung übernehmen. Es gab den Vermerk aus dem Justizministerium.

Volker Bouffier ist ein erfahrener Politiker. Er trägt über zwei Jahrzehnte Verantwortung in Regierungsämtern bzw. im Landtag. Sicherlich war er sich des Themas Schadenersatz bewusst. Sonst hätte er es nicht aus eigenem Dafürhalten angesprochen.

Aber auch da ist es so: Als wir nachfragten, ob das in dem Gespräch mit Vertretern der RWE ein Thema war, hat man uns erklärt, dass Schadenersatz nie ein Thema gewesen sei. Auch Herr Dr. Großmann hat noch einmal sehr deutlich erklärt, dass das nie ein Thema gewesen sei.

Ich glaube, das ist interessant: Er führte allerdings aus, dass das Schreiben, das Volker Bouffier an RWE gesendet hat, aus Sicht des Herrn Großmann ausgereicht hat, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Auf Nachfrage erklärte er, das sei auch die Meinung seiner Rechtsabteilung gewesen. Das sei auch notwendig gewesen, da er einer Aktiengesellschaft vorstehe.

Diese unterschiedlichen Einschätzungen werden sich sicherlich vor Gericht endgültig nachprüfen lassen. Hier gibt es zumindest einen deutlichen Sachzusammenhang, den man auch in einem Urteil nachlesen kann.

Es bleibt bemerkenswert, dass Angela Merkel als ehemalige Ministerin für Reaktorsicherheit keinen Ton über das Thema Schadenersatz verloren hat. Ich würde gefühlsmäßig eher vom Ministerpräsidenten erwarten, dass er das angesprochen hat und dass es einen Hinweis der Bundesregierung gab. Das würde ich eher glauben. Aber die CDU hat nicht wirklich nachgehakt, als wir bei Frau Merkel waren. Man hat einmal freundlich eine Frage gestellt, und dann hat man die Befragung von Frau Merkel eingestellt. Ansonsten versuchte man nicht, dort intensiver heranzugehen. Man hat auch nicht widersprochen. Aber es ist nicht sehr glaubwürdig, dass Frau Merkel nicht klar war, es sei auch um Fragen des Schadenersatzes gegangen. Da wäre ich sogar eher beim Ministerpräsidenten. Aber das lässt sich natürlich nicht aufklären. Jedenfalls hat niemand mehr eine Erinnerung an den Zusammenhang, was bei solchen Auseinandersetzungen nicht unüblich ist.

(Beifall bei der FDP)

Der Höhepunkt war die Veranstaltung mit Herrn Pofalla bei Dr. Großmann. Es war der Höhepunkt meiner politischen Aufklärungsarbeit, dass man sich mit Zigarre und Frau zum Abendessen in einer Villa des Großunternehmers trifft, als Beauftragter der Bundesregierung und Vertrauter von Angela Merkel auf den Balkon geht, eine Zigarre raucht und dann über große energiepolitische Entscheidungen spricht.

(Heiterkeit der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist die Form von Politik, die ich mir, ehrlich gesagt, nur in einem Roman vorstellen könnte – aber nicht, dass so etwas wirklich entscheidend sein könnte.

Das Interessante ist: Dabei ging es wieder nicht um Schadenersatz. Dr. Großmann und Herr Pofalla haben gesagt, dass es da um die Bedeutung des Atomausstiegs für die Netzstabilität ging.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wenn man so etwas sieht, bleibt natürlich ein Schmunzeln zurück. Das Verständnis meinerseits über die Zusammenhänge ist ein anderes.

(Norbert Schmitt (SPD): Da haben Sie völlig recht!)

Mir bleiben nur noch wenige Sekunden. – Ich will deutlich machen, dass der Untersuchungsausschuss für mich Zustände im Land Hessen und im Ministerium für Umwelt offenbart hat, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es wird jetzt an den Gerichten liegen, festzustellen, ob und in welcher Höhe Schadenersatz zu leisten ist. Danach muss die politische Bewertung vorgenommen werden. Es ist im Ausschuss klar geworden, wer die Verantwortung übernommen hat. Damit bleiben auch die politischen Folgen jetzt für die zu entscheiden, die die Verantwortung dafür tragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Das Wort hat Abg. Frank-Peter Kaufmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann es nicht oft, deutlich und unüberhörbar genug betonen: Es ist gut und richtig, dass Deutschland den Irrweg der Stromerzeugung durch Atomspaltung endlich verlässt und die Energiewende eingeleitet hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Genau dieser Erfolg der Atomkraftgegner darf unter der hier und heute erkennbar auch stark parteipolitisch gefärbten Debatte zum Biblis-Untersuchungsausschuss nicht untergehen. Denn manche Reden – Herr Kollege Weiß, lachen Sie nicht zu früh – haben so geklungen, als ob der Atomausstieg schon wieder bedauert würde, vielleicht sogar rückgängig gemacht werden soll.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

All diesen Intentionen erteilen wir GRÜNE eine kompromisslose Absage. Atomkraftwerke stellen gegenüber kommenden Generationen bereits ohne Unfälle eine völlig unverantwortliche Technologie dar und sind ethisch überhaupt nicht zu vertreten.

(Zurufe der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))