Frau Wissler, wenn ich Sie wieder die Beschlüsse aus Paris zitieren höre, kann ich Ihnen dazu nur sagen: Das ist echt spannend, wenn man das ernst nimmt. Wir wissen, dass wir die 2 Grad nicht erreichen können, also beschließen wir, 1,5 Grad zu erreichen. – Wir wissen, was das bedeutet. Es würde bedeuten, dass wir bereits im Jahr 2040 70 % unserer Energie CO2-frei erzeugen müssten – nicht den Strom, die Energie. Das würde bedeuten, dass im Jahr 2040 in Deutschland – jetzt halten Sie sich fest –
3.120 TWh Strom über Windräder erzeugt werden müsste. Das ist eine unglaubliche Vorstellung. Das ist bei dem, was wir jetzt vorhalten, überhaupt nicht leistbar. Sie haben sich mit Ihrem Argument selbst die Maske vom Gesicht gerissen. Dies ist überhaupt nicht umsetzbar.
(Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Ich war gar nicht dabei! Ich habe das gar nicht mit verhandelt!)
Wenn ich dann immer von den 30 % Strom reden höre: Frau Wissler, die 20.000 Windräder, die wir in Deutschland gebaut haben, die 28.000 GW Kapazität – das deckt weniger als 3 % des Endenergieverbrauchs in Deutschland ab. Sie sollten einmal versuchen, sich die Dimensionen vor Augen zu führen, um zu erkennen, dass das der falsche Weg ist, auf dem wir uns befinden.
(Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe das Klimaschutzabkommen gar nicht mit verhandelt! Ich war bei den Verhandlungen gar nicht dabei!)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rock, die Art und Weise, wie Sie hier versucht haben, diese Begriffe zu vermischen und uns vorzuwerfen, wir würden für die Abregelungen sein, kann man so nicht stehen lassen. Also erkläre ich es Ihnen noch einmal. Vielleicht wird Ihnen dann klarer, um was es eigentlich gerade geht.
Es war in dem Gesetzentwurf ursprünglich vorgesehen, Netzengpassgebiete zu definieren, also die Ausbauziele da zu drosseln, wo ein Netzengpassgebiet ist. Ein Netzengpassgebiet bedeutet einen Ort, an dem abgeregelt werden muss. Das war am Anfang im Entwurf vorgesehen. Da waren wir sehr entspannt, denn Hessen trägt bundesweit nur 0,5 % zu allen Abregelungen bei. In Schleswig-Holstein sind es zwei Drittel.
Deswegen sagen wir: Wir verstehen diese Diskussion über das Netzengpassgebiet. Herr Kollege Rock, es ist aber falsch, zu sagen, alleine die erneuerbaren Energien sind schuld. Das Problem ist, dass man beim Umbau der Energieversorgung mit dem Netzausbau nicht hinterherkam und dass Kohlekraft und Atomkraft nicht flexibel genug sind. Aber eines stimmt: Der Netzausbau ging zu langsam.
Wir haben zusammen mit der CDU – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Rock, und im Gegensatz zu den Kollegen Lenders und Rentsch, die immer dagegen waren – immer dafür gekämpft und immer gesagt: Wir stehen zu SuedLink.
Wir haben immer gesagt: Wir stehen dazu, auch wenn wir keinen Ein- und Ausspeisepunkt in Hessen haben, und wir stehen dazu, auch wenn es ein Übertragungsnetz ist, denn es ist für die Energiewende insgesamt wichtig. – Wir sind die Einzigen, die immer dafür gekämpft haben. Wir haben zum Gesamtprojekt gestanden.
Herr Kollege Rock, jetzt kommt der Gipfel der Dreistigkeit: Plötzlich wurde nämlich aus einem Netzengpassgebiet – warum darüber nachgedacht wird, können wir nachvollziehen – ein Netzausbaugebiet. Es geht gar nicht mehr um die Frage der Abregelung, sondern es geht darum, wo die Netze ausgebaut werden.
Wir sind durchaus der Meinung: Wenn es sachgerecht ist, kann man mit einem Engpassgebiet so verfahren, keine Frage. Aber so zu tun, als ob wir daran schuld seien, dass der Netzausbau nicht weit genug geht, geht einfach nicht. Wir können unseren dezentral vor Ort erzeugten Strom auch verbrauchen. Das Übertragungsnetz erstreckt sich von Norden nach Süden. Das hilft uns für die Energiewende insgesamt. Wir nutzen vor allem unser Verteilungsnetz.
Deswegen ist es völlig ungerecht, wenn Hessen plötzlich zum Netzausbaugebiet erklärt wird und gesagt wird, dass wir jetzt weniger Energie erzeugen müssten. Wir können unsere Energie verbrauchen, die wir hier erzeugen. Wir können mehr ausbauen. Es kann nicht sein, dass wir, nur weil in Schleswig-Holstein abgeregelt werden muss, darunter leiden müssen – gerade wir, die wir uns für den Netzausbau immer eingesetzt haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – René Rock (FDP): Frau Dorn, Hessen ist keine Insel!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte uns alle an das erinnern, was wir auf dem Hessischen Energiegipfel unterschrieben haben – die FDP hat es übrigens auch unterschrieben –: Wir wollen unsere Energieziele erreichen, nämlich Hessen im Jahr 2050 zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Daher brauchen wir 2 % der Landesfläche für die Nutzung der Windenergie. Wir müssen ganz nüchtern feststellen, dass es, wenn das EEG kommt, wie es derzeit geplant ist, sehr schwierig wird, dieses gemeinsame Ziel zu vertreten – egal wer in Berlin regiert,
Es ist in diesem Landtag unser aller Aufgabe, zu schauen, wie wir – jeder an seiner Stelle – die hessischen Interessen in Berlin vertreten können.
(Florian Rentsch (FDP): Was sind denn die hessischen Interessen? – Gegenruf von der SPD: Die Ziele des Energiegipfels umzusetzen!)
Dazu sage ich auch: Die Landesregierung muss die hessischen Interessen im Bundesrat vertreten und nicht in irgendwelchen dubiosen Ministerpräsidentenkonferenzen. In unserem Staatsaufbau sind das Besprechungsrunden, aber keine demokratisch legimitierten Organe. Das muss im Bundesrat ordentlich behandelt werden.
Wir sollten als Parlamentarier gemeinsam dafür kämpfen, dass ordentliche Verfahren gewählt werden, und dafür, dass das, was wir nach Fukushima vereinbart haben, auch umgesetzt wird.
Liebe FDP, da kann es nicht sein, dass einer von der Fahne geht – wie Sie –, weil er populistisch meint, dem einen oder anderen Wähler hinterherlaufen zu müssen. Das geht auch nicht.
Bis heute ist mir nicht klar, wie Sie Hessens Energieversorgung überhaupt sicherstellen wollen. Woher wollen Sie denn den Strom bekommen? Dazu höre ich von der FDP überhaupt nichts. Dann stellen Sie sich hierhin und sagen: Wir möchten das Atomkraftwerk Biblis wieder anfahren; wir möchten das wieder aufbauen. – Herr Rentsch, was wollen Sie denn? Sagen Sie Ihren Wählern doch einmal, woher die Energie für Hessen kommen soll. Kein Wort dazu von Ihnen, noch nicht einmal ein kluger Zwischenruf. Das sagt doch alles.
Herr Rock, Sie haben gerade die Stadtwerke als Beispiel genannt. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Lesen Sie einmal die aktuellen Stellungnahmen, unter anderem die von Vertretern der Städtischen Werke Kassel und Oberbürgermeister Hilgen gemeinsam abgegebene. Hilgen hat deutlich gesagt: Wir brauchen ein EEG, das es den Städtischen Werken ermöglicht, die Pläne, die sie im Hinblick auf die erneuerbaren Energien haben, weiterzuverfolgen. – Die Städtischen Werke und die Energieversorger vor Ort haben sich ganz klar dahin gehend positioniert, dass wir in Zukunft eine dezentrale Energieversorgung brauchen.
Sie und andere erzählen, dass bei Windkraftanlagen gegebenenfalls eine Abregelung nötig sei: Ich kann Ihnen das anhand der Windkraftanlage in der Söhre beschreiben. Das ist bei mir im Wahlkreis. Dort stehen fünf Windkraftanlagen. Die speisen den Strom nicht in das Übertragungsnetz ein, sondern in das Stadtnetz der Stadt Kassel. Das heißt, es kommt gar nicht dazu, dass diese Windkraftanlagen mit dem von ihnen eingespeisten Strom das deutsche Übertragungsnetz blockieren und wegen dessen Überlastung abgeregelt werden. Das ist ein Ammenmärchen. Ich finde, das muss man hier einmal so deutlich sagen. Wir brauchen da eine Korrektur.
Natürlich gibt es für diese Energiewende keine Blaupause. Es ist ein zähes Ringen, und es gibt unterschiedliche Interessen, die sich mitunter nicht an Parteigrenzen festmachen lassen, sondern an Ländergrenzen, weil die Länder aufgrund ihrer unterschiedlichen Potenziale unterschiedliche Ideen und Vorstellungen haben.
Deswegen sage ich: Lassen Sie doch das parteipolitische Klein-Klein, und lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass das, was wir 2011 in einem großen Konsens beschlossen haben, eine Zukunft hat: eine dezentrale Energiewende, die Wertschöpfung schafft, die Bürger beteiligt und die Kommunen stärkt. In diesem Sinne: Glück auf.
Meine Damen und Herren, es liegen drei Anträge vor: ein Entschließungsantrag und zwei Dringliche Anträge. Wir stimmen über sie ab. – Herr Kollege Rock.
Wir möchten, dass über unseren Antrag unter Tagesordnungspunkt 78 abgestimmt wird und dass unser anderer Antrag unter Tagesordnungspunkt 36 an den Ausschuss überwiesen wird.
Wir überweisen Tagesordnungspunkt 36 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. – Dem widerspricht niemand. Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 73: Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend erneuerbare Energien weiter ausbauen und Einbeziehung Hessens in ein Netzausbaugebiet verhindern, Drucks. 19/3512. Wer diesem Dringlichen Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und GRÜNE. Wer ist dagegen? – Die FDP und DIE LINKE. – Die SPD und Frau Kollegin Öztürk, fraktionslos, haben sich enthalten. Damit ist der Antrag beschlossen.
Tagesordnungspunkt 78: Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Landesregierung in grundlegenden energiepolitischen Themen uneinig, Drucks. 19/3520. Wer diesem Dringlichen Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – FDP und SPD. Wer ist dagegen? – CDU und GRÜNE. Wer enthält sich der Stimme? – Frau Öztürk und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag abgelehnt.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Flughafen Kassel-Calden als Verkehrslandeplatz erhalten – Vergabeverstöße ahnden – Drucks. 19/3477 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Vergabeverfahren beim Bau des Regionalflughafens Kassel-Calden sachgerecht analysieren, Vergabeverstöße aufklären und Betriebskonzept 2017 evaluieren – Drucks. 19/3518 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Ich erteile das Wort Herrn Abg. Willi van Ooyen, Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit 280 Millionen € hätte man die Breitbandversorgung im ländlichen Raum verbessern können. Das Geld wäre für den Ausbau des ÖPNV und die finanzielle Absicherung der Inklusion an den Schulen oder für eine angemessene Finanzierung der Kommunen deutlich sinnvoller eingesetzt gewesen.