Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Lenders das Wort.

Lieber Kollege Marius Weiß, ausdrücklich an Sie gerichtet: Rechtswidrig war die Vergabe beim Flughafen KasselCalden eben nicht. Du hast eben den Eindruck erweckt, man könne einen Flughafenauftrag rechtssicher oder rechtswidrig vergeben. Den Eindruck, den du hier erweckt hast, kann man einfach nicht so stehen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist ganz klar, dass die EU die Sektorenvergabe vorschreibt. Ich empfehle der SPD, sich einmal mit den Flughafenbetreibern auseinanderzusetzen. Die werden einem bestätigen – auch an die Adresse des Rechnungshofs –, dass europaweit genau nach diesem Vergabeprinzip die Aufträge bei Flughäfen vergeben werden.

Da stellt sich mir die Frage: Soll das denn alles rechtswidrig sein? – Nur allein die Frage, dass der Rechnungshof bei der Vergabemethode eine andere Auffassung vertritt, wie vergeben werden soll – –

(Zuruf)

Das ist doch nicht wahr. Die Praxis ist genau das, was beim Bau des Flughafens Kassel-Calden stattgefunden hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein, das stimmt nicht!)

Der Rechnungshof gibt uns die Empfehlung, anders zu vergeben. Ich will Sie daran erinnern, dass wir hier mit großer Mehrheit das Vergabegesetz geändert haben. Denn wir verfolgen als Haushaltsgesetzgeber eine andere Zielrichtung, wenn wir Aufträge öffentlich vergeben. Das ist etwas anderes als das, was der Rechnungshof aufgrund seiner Aufgabe oftmals vertritt.

Lieber Kollege Marius Weiß, da wird jetzt doch wieder dieser Fall konstruiert. Dann kommt hierher und erklärt

uns, wann Dieter Posch jemals konkret Einfluss auf einen Auftrag genommen hat und wer ihn bekommen hat. Das hätte ich gerne gewusst.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Zur Antwort erhält Herr Kollege Weiß das Wort.

Herr Präsident! Lieber Kollege Jürgen Lenders, ich glaube, wenn du das noch einmal nachgelesen hast, wird sich die Aufregung ein bisschen legen. Denn ich habe nicht von rechtswidriger Vergabe gesprochen. Ich habe das Gegenteil gesagt. Ich habe eben gesagt, dass der Rechnungshof nicht festgestellt hat, dass diese Praxis rechtswidrig ist. Er hat lediglich festgestellt, dass diese Praxis praxiswidrig ist.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Denn das hat der bisher gängigen Praxis widersprochen.

(Jürgen Lenders (FDP): Das stimmt nicht!)

Das ist das, was ich eben gesagt habe, und das ist das, was der Rechnungshof festgestellt hat. – Ich habe auf etwas hingewiesen und habe übrigens bis heute keine Antwort darauf bekommen. Es gibt keine Begründung für das Abweichen von dieser Verwaltungspraxis, die im Wirtschaftsministerium herrschte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Lenders (FDP): Die Sektorenverordnung!)

Es gibt dafür keine Begründung. Weder wurde dem Rechnungshof eine genannt, noch wurde uns eine während der Sitzungen des Wirtschafts- und des Haushaltsausschusses genannt. Es gab dafür schlichtweg keine Begründung.

Lies noch einmal nach, was ich gesagt habe. Ich glaube, dann wird der Schaum vor dem Mund weg sein.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Finanzminister, Herr Dr. Schäfer.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mit der gleichen Unterscheidung beginnen, mit der Kollege Weiß eben begonnen hat. Das betrifft natürlich das Thema, das wir heute zu diskutieren haben, nämlich dass der Inhalt des Berichts des Hessischen Rechnungshofs eigentlich nichts damit zu tun hat, mit welcher grundsätzlichen Einstellung und mit welcher grundsätzlichen Einschätzung man sich diesem Projekt aus der Vergangenheit nähert.

Vielleicht machen wir einmal gemeinsam die Kontrollüberlegung. Stellen wir uns vor, es hätte einen vergleichbaren Bericht des Rechnungshofs – meinetwegen, um in Nordhessen zu bleiben – zu der Errichtung und Sanierung der Museumslandschaft in Kassel gegeben. Auch das ist ein Projekt, bei dem das Land gut 200 Millionen € investiert hat. Glauben wir gemeinsam, dass der Rechnungshof

bericht eine solch hohe mediale wie auch parlamentarische Beachtung gefunden hätte?

(Zurufe: Nein!)

Meine Einschätzung ist eher: nein. Das heißt, wir schaffen es in unseren Köpfen doch nicht immer, die Einschätzung zum Projekt als solches und die Beurteilung der konkreten Rechts- und Sachfragen so voneinander zu trennen, dass man ein Stück innere Unvoreingenommenheit an den Tag legen kann, um sich der Fragestellung jeweils zu nähern. Es war mir wichtig, das eingangs einmal gesagt zu haben, um mich dann konkret mit den einzelnen Punkten auseinanderzusetzen.

Ich orientiere mich wieder gerne an den Gliederungspunkten, die Herr Kollege Weiß vorgetragen hat. Denn ich glaube, dass das genau die Punkte sind, die zu diskutieren sind und bei denen man in der Tat unterschiedliche Einschätzungen haben kann.

Da gibt es zunächst einmal die Frage nach der Kostenkalkulation und der Kostentransparenz gegenüber dem Hessischen Landtag. Herr Weiß, ich bin sehr froh, dass Sie nicht das wiederholt haben, was die beiden Herren Ihrer Fraktion unmittelbar nach Bekanntgabe des Berichts öffentlich geäußert haben. Sie haben nämlich mir in Person vorgeworfen, ich hätte den Landtag bzw. die Öffentlichkeit über die Kostenentwicklung im Herbst bzw. Winter 2014/2015 nicht rechtzeitig informiert. Als sie dann mit ihrem eigenen Dringlichen Entschließungsantrag konfrontiert wurden, mit dem sie genau diese Kostensteigerung im Hessischen Landtag zum Gegenstand gemacht haben, hätten sie vielleicht auch den Mut haben können, hier zu erklären: Sorry, wir haben uns da vertan, wir haben einen anderen Zeitraum gemeint. – Meine Damen und Herren, es wäre schön gewesen, wenn Sie diesen Mut besessen hätten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Jetzt komme ich auf die ursprüngliche Kostenkalkulation zu sprechen. Im Jahr 2010, als ich das Vergnügen hatte, das Amt des Finanzministers zu übernehmen, standen wir unmittelbar vor der Einbringung des Entwurfs des Landeshaushalts für das Jahr 2011. Damals war die vorliegende Kostenkalkulation der Flughafengesellschaft Gegenstand der haushalterischen Veranschlagung.

Wir können jetzt über die Frage der Bringschuld der Regierung und der Holschuld des Parlaments streiten. Das ist ein akademischer Streit. Ich habe mich einmal der Mühe unterzogen und habe mir die einzelnen Beratungszeiten zu den jeweiligen Investitionsfragen in parlamentarischen Gremien angeschaut. Es gab einen Dringlichen Berichtsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aufgrund dessen wir damals im Haushaltsausschuss sehr ausführlich über die Kostensteigerung diskutiert haben. Vielleicht ist das Protokoll unvollständig. Ich habe in den Kursorischen Lesungen zu den jeweiligen Einzelplänen über die erste Kostenveranschlagung jedenfalls keine intensiven Diskussionen wahrgenommen, und zwar weder auf der Ebene der Fragen noch auf der der Mitteilungen.

(Nancy Faeser (SPD): Woher hätten Sie es wissen sollen?)

Ich will nur dokumentieren, dass das Interesse aus dem Parlament heraus, sich intensiv mit dieser Frage zu befassen, jedenfalls nicht feststellbar ist.

(Marius Weiß (SPD): Das ist eine Bringschuld, keine Holschuld!)

Zweitens. Da geht es um die Vorgabe, welche Art des Verfahrens die Flughafengesellschaft zur Anwendung bringen soll. Ich bin dankbar, dass in der Debatte klar geworden ist, dass das von der Flughafengesellschaft angewandte Verfahren, nämlich nach der Sektorenverordnung auszuschreiben, keineswegs rechtswidrig war. Uns allen ist gemeinschaftlich bekannt, dass die Rechnungshöfe seit vielen Jahren bundesweit prinzipiell versuchen, auf die Anwendung des offenen Verfahrens hinzuwirken. Das habe ich während der Sitzung des Haushaltsausschusses auch gesagt: Aus deren Sicht geschieht dies völlig zu Recht. Denn neben der Frage der kostengünstigen Beschaffung müssen auch Fragestellungen wie Transparenz, Korruptionsanfälligkeit und Ähnliches für einen Rechnungshof vielleicht eine andere Priorität haben, als es das für andere staatliche oder private Auftraggeber hat.

In diesem Zusammenhang will ich Folgendes sagen: Wenn Sie sich mit Leuten unterhalten, die auf dem privaten Sektor große Bauprojekte betreuen, und sie fragen: „Warum wird es bei der öffentlichen Hand in der Regel teurer als bei den Privaten?“, kriegen Sie von nicht wenigen die Antwort: Ihr müsst im offenen Verfahren immer nur auf den Preis schauen, wir Privaten haben die Chance, mit den Anbietern so lange zu verhandeln, bis es quietscht und bis wir zu Ergebnissen kommen.

Ich will damit nicht dem Verhandlungsverfahren auf allen Ebenen das Wort reden. Ich will nur sagen, dass es auch logische Überlegungen gibt, genau das andere Verfahren anzuwenden, und zwar durchaus mit dem Ziel, zu wirtschaftlich besseren Ergebnissen bei Ausschreibungen zu kommen.

Drittens. Das ist jetzt etwas, was mich unmittelbar in persönlicher Verantwortung betrifft. Dabei geht es um die konkreten Vergaben der Flughafengesellschaft. Ich will das hier noch einmal festhalten, damit da kein Missverständnis entsteht: Die Vergaben wurden von einem im Vergaberecht sehr erfahrenen – das hat bisher niemand bestritten –, insbesondere bei der Herstellung und Errichtung von Flughäfen, Vergaberechtler im Auftrag der Flughafengesellschaft vorbereitet. Sie wurden dann von der Geschäftsführung durchgeführt, bzw. das wurde dem Aufsichtsrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Der Aufsichtsrat ist in keinem einzigen Fall von der Empfehlung der Geschäftsführung abgewichen.

Viertens. Nach dem Abschluss der Vergaben hat der Rechnungshof selbige geprüft und ist zu Feststellungen gekommen. Es kam auch zu Einschätzungen, was dem Vergaberecht gemäß war und wo es Verstöße gab. Ich komme gleich dazu.

Diese Einschätzung des Rechnungshofs hat die Flughafengesellschaft auf meine Bitte hin durch einen Dritten gutachterlich prüfen lassen. Es handelt sich um einen der anerkanntesten Vergaberechtler in Deutschland. Er kommt zu dem Ergebnis, dass von dem, was der Rechnungshof festgestellt hat, seiner Einschätzung nach der überwiegende Teil doch rechtmäßig vergeben worden ist. Diese Einschätzung haben sich zu einem großen Teil die Vergaberechtsexperten des Wirtschaftministeriums zu eigen gemacht.

Ich will jetzt nicht aufrechnen, wie viele Vergaberechtler für das eine und wie viele für das andere sind. Aber man wird mit Fug und Recht annehmen können, dass es jeden

falls hinlänglichen Anlass für die Einschätzung gibt, dass man die Position der Flughafengesellschaft zumindest im allergrößten Teil der Vergaben vertreten kann.

Es bleibt dann ein Vergabevolumen von knapp 2 Millionen € übrig. Alle Beteiligten kommen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu dem Ergebnis, dass dort Vergabefehler passiert sind, die am Ende nicht heilbar sein werden.

Jetzt werden wir in Ruhe abwarten müssen, was die Schlussverwendungsprüfung des Wirtschaftsministeriums im Anschluss an die Abwicklung des Gesamtprojekts ergeben wird. Danach können wir gemeinschaftlich bewerten, was möglicherweise zu Kritik führen wird und was nicht. Dafür und für jede weitere Form von Fragen stehen wir offen und transparent zur Verfügung.

Herr van Ooyen, ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich im Wirtschaftsausschuss nicht nur zweimal gemeldet hätten, sondern Ihre vielen Fragen im Haushaltsausschuss vorgetragen hätten. Ich hatte den ganzen Tag Zeit. Wir hätten alle Fragen gemeinschaftlich beantworten können. Dass Sie sie nicht vorgetragen haben und auch heute nur tendenziell angedeutet haben, lässt eher die Vermutung zu, dass Sie an der öffentlichen parlamentarischen Aufarbeitung ein größeres Interesse haben als an der sachlichen Beantwortung von Fachfragen. Aber das gehört zum parlamentarischen Alltag dazu; damit muss man sich am Ende auseinandersetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen weiterhin dafür zur Verfügung, die Fragen transparent und offen zu beantworten. Es geht um den Umgang mit Steuergeld in beträchtlichem Umfang. Die Landesregierung und der Landtag haben eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Dem stehen wir auch weiterhin sehr offen gegenüber. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.