Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Insofern zeigt der Blick auf den Krankenhausbedarfsplan – Lindenfels war im Übrigen 50 Jahre lang darin enthalten und ist es immer noch, insofern kann es nicht sein, dass es sich dabei um ein überflüssiges Krankenhaus gehandelt hat, sonst wäre es nie in den Krankenhausbedarfsplan hineingekommen –, dass dieses Krankenhaus in verkleinerter Form erhalten bleiben kann.

(Florian Rentsch (FDP): Was bedeutet das im Umkehrschluss?)

Deshalb noch einmal zu den Zahlenspielen: Die Auslastung eines Krankenhauses mit 120 Betten – soweit ich das im Kopf habe – lag bei 39 %; das ist zumindest gesagt worden. Angestrebt war ein Krankenhaus mit 60 Betten, also der Hälfte, als Belegkrankenhaus in Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten. Nach Adam Riese könnte ich sagen, wenn ich so wie Sie argumentieren würde: Na ja, dann wäre die Auslastung theoretisch bei 78 % –. Das will ich nicht tun.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Die Auslastung wäre möglicherweise höher, und sie wäre möglicherweise auch kostendeckend gewesen. Zur Kostendeckung würde ich gerne einmal mit der FDP über die DRGs und das, was sie in den Krankenhäusern landauf, landab anrichten, diskutieren. Das ist aber heute nicht unser Thema.

Mein Thema ist und bleibt, darauf hat auch Herr Bartelt hingewiesen, es seien Krankenhäuser der Maximalversorgung in der Nähe vorhanden: in Heppenheim, in Bensheim, in Lampertheim. – Geht es noch weiter? Das sind 50 bis 60 km.

(Judith Lannert (CDU): In Erbach ist auch eines, das sind keine 60 km!)

Frau Lannert, wenn wir beim Rettungsdienst über einen Einsatz innerhalb von zehn Minuten reden, dann erklären Sie bitte einem älteren Patienten, wie er von Lindenfels oder der Umgebung im Odenwald innerhalb von zehn Minuten in Heppenheim, in Bensheim, in Lampertheim oder in Mannheim sein soll. Das geht nämlich nicht.

(Judith Lannert (CDU): Was für ein Quatsch!)

Sie schaffen eine Versorgungslücke. Ich finde, das ist fahrlässig.

(Judith Lannert (CDU): Es ist fahrlässig, was Sie machen!)

Frau Lannert, hier geht es um 3 Millionen € Bürgschaft. Das Kreiskrankenhaus im Hochtaunus, das sich glücklicherweise dafür entschieden hat, in 15 km Entfernung von Bad Homburg auch in Usingen ein Krankenhaus neu zu bauen, hat vom Land zusätzlich 20 Millionen € erhalten, nur damit ein PPP-Projekt gemacht wird.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Schluss kommen.

Erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht in der Lage gewesen wären, diese 3 Millionen € als Bürgschaft zur Verfügung zu stellen, um den Standort Lindenfels zu erhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Norbert Schmitt, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem der Minister das länger ausgeführt hat, möchte ich, weil ich als Wahlkreisabgeordneter besondere Interessen für das Kreiskrankenhaus Heppenheim habe und somit in einer gewissen Konkurrenzsituation zu Bensheim und zum Südhessischen Klinikverbund bin, aus dieser Perspektive heraus sagen: Wir müssen aufpassen, was im ländlichen Raum passiert. Herr Minister, ich glaube, dass in zweierlei Hinsicht eine Chance vertan worden ist.

Erstens. Der Chefarzt, Herr Dr. Wahlig, hat mit großem Sachverstand und großem Elan ein Konzept für Lindenfels erarbeitet, das möglicherweise Modellcharakter für andere ländliche Räume in Hessen gehabt hätte. Auch wenn man zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es nicht sofort wirtschaftlich ist, hätte man anhand dieses Konzepts lernen können. Wir diskutieren heute über Projekte, bei denen es um ganz andere Fragen der Rentabilität geht. Weil das Stichwort „Erbach“ gefallen ist: Das Land hat das Schloss Erbach gekauft, das uns jährlich ungeheure Summen kostet.

Herr Minister, Sie haben die Chance vertan, ein solches Modellprojekt aufzugreifen, es auszuprobieren, um für den ländlichen Raum zu lernen. – Das ist der erste Hinweis.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zweitens. Sie haben die Chance in einer Region vertan. Ich glaube, Herr Bocklet wird nachher dazu auch noch etwas sagen. Die Sorge der Bürger ist sehr groß, wie es mit ihrer Gesundheitsversorgung weitergeht. Es gab nicht nur Proteste, sondern es wurden auch Alternativen erarbeitet und die Kosten berechnet. Ich frage mich, warum wir es nicht so machen wie in Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz gibt es Zuschläge für den ländlichen Raum. Dort werden dezentrale Krankenhäuser anders unterstützt als in Hessen. Ich finde schon, dass der Odenwald eine gute Region ist. Aber zwischen Lindenfels und Erbach, das sind ca. 25 bis 30 km, haben wir kein Krankenhaus.

(Judith Lannert (CDU): Das sind 20 km!)

An diese Strukturen muss man auch denken. Das gibt es in Nordhessen an vielen Stellen auch. Dr. Spies, der leider aus unserer Fraktion ausgeschieden ist, hat immer wieder vorgetragen, dass wir an solchen Stellen Zuschläge für die ländlichen Krankenhäuser brauchen. Das wurde immer vom Tisch gewischt und man hat sich der Diskussion nicht gestellt. Darüber müssen wir doch nachdenken. Wir können doch nicht nur die Interessen des Ballungsgebiets in den Vordergrund stellen.

Herr Minister, Sie haben sich der Diskussion verweigert. Sie sind mehrfach eingeladen worden, aber nie nach Lin

denfels gekommen. Deswegen war die Empörung so groß, dass Sie in Winterkasten waren, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Sie hätten sich der Diskussion stellen müssen. Diese Auffassung vertritt nicht nur die SPD, sondern auch Ihre eigene Partei vor Ort. Ich könnte Ihnen einige Zitate vorlesen.

Die Tür ist verhältnismäßig zu. Ich finde das sehr bedauerlich. Trotzdem sollten Sie noch einmal über die Frage des Modellcharakters nachdenken, ob man so etwas in Lindenfels aufbaut, um Erfahrung damit zu sammeln. Das wäre dringend notwendig. Natürlich würde es eine Anschubfinanzierung benötigen, aber man wird von diesem Projekt lernen. Das alles vom Tisch zu wischen und zu sagen, es sei nicht rentabel, das finde ich – das sage ich auch als Haushalts- und Finanzpolitiker – für den ländlichen Raum nicht angemessen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Peter Stephan, CDU-Fraktion.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Luisenkrankenhaus Lindenfels liegt im ländlichen Raum meines Wahlkreises. Es hat auch mich berührt, dass es nicht gelungen ist, dieses neue Konzept „Luise light“ so aufzusetzen, dass es flugfähig geworden wäre. Alle waren sich einig, dass das alte Haus in der Konstruktion, in der es war, nicht mehr wirtschaftlich führbar war. Es ist lange darüber gesprochen worden.

Die Leistungen, die Dr. Wahlig, der Chefarzt der Chirurgie dieses Luisenkrankenhauses, mit seinem Team erbracht hat, um dieses neue Konzept voranzubringen, verdient aus meiner Sicht eine außerordentlich hohe Würdigung.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er hat sich ungeheuer eingesetzt. Er war immer erreichbar, oder wenn er etwas brauchte, war ich für ihn erreichbar. Ich habe auch viel Zeit investiert, um zu helfen, dieses Konzept zum Fliegen zu bringen. Es ist im Endeffekt nicht gelungen. Das müssen wir konstatieren. Es ist sehr viel darüber gesprochen worden, was die Gründe dafür sind. Den Gründen muss man sich auch stellen. Das Konzept, das Landrat Engelhardt schon sehr früh präferiert hatte, nämlich ein MVZ plus, ist das, was wir jetzt für diese Region realisieren müssen.

Da geht es nicht nur um den Kreis Bergstraße. Es geht auch um Regionen im Odenwaldkreis und im Kreis Darmstadt-Dieburg. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Von dort hat mir auch Unterstützung gefehlt. Dort hat Unterstützung für dieses Konzept gefehlt.

Darüber hinaus muss ich zumindest zwei oder drei Dinge als Antwort auf Anschuldigungen sagen, die hier erhoben worden sind. Zum Thema Elan. Ich möchte Sie bitten: Lassen Sie sich von Bürgermeister Helbig sein Schreiben vom 30.03.2016 übersenden, in dem er seine Bedingungen genannt hat, unter denen Lindenfels an dem Konzept mitarbeiten könnte. Lassen Sie sich das einmal schicken. Lesen Sie es nach, dann wissen Sie, was Elan nicht ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Schutzschirmgemeinde!)

Das hat nichts mit Schutzschirm zu tun, Herr Schmitt. Wenn ich mich nicht hinstelle und sage, dass ich alles tue, um das Krankenhaus „Luise light“ zu retten, dann fehlt der Elan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Zweitens. Es ging um die Frage der Trägerschaft einer solchen „Luise light“. Der Gedanke, dass ein anonymer Treuhandrechtsanwalt das machen könnte, war nicht tragbar. Ich habe vorgeschlagen: Macht eine Betreibergesellschaft. Die Stadt soll mit dazu, auch die neue Bürgergenossenschaft. Im Übrigen halte ich das Prinzip der Bürgergenossenschaft für ein exzellentes Modell, das unbedingt weiterverfolgt werden muss. Darum ging es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann, Herr Schmitt, hat die LWG/CDU-Fraktion den Antrag gestellt, dass sich die Stadt mit 150.000 € beteiligt: Verkauf eines alten Gebäudes, Einbringung in die Gesellschaft. Sie hat das eingebracht, und die SPD in Lindenfels hat beantragt: Das machen wir nur dann, wenn irgendeiner da ist, der uns jedes Risiko wegnimmt und eine Bürgschaft gibt. – So viel zur SPD in Lindenfels. Hätten die damals gesagt: „Wir sind bereit, für das für uns und die Region wichtige Haus 150.000 € zu investieren mit dem Risiko, dass das Geld irgendwann weg ist“, dann wäre es sicherlich leichter gewesen.

(Zurufe von der SPD)

Dass man das dem Bürgermeister zweimal in großer Runde sagen musste, das zeigt, Herr Schmitt, wo der Elan nicht ist.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Hätte die CDU nicht damals mit der LWG gemeinsam – ich glaube, die FDP hat es unterstützt; ich kann es aber nicht genau sagen – das zum Laufen gebracht, wären wir an der Stelle schon relativ früh fertig gewesen.

Ein Drittes zum Abschluss. Mich haben auch zwei Dinge gefuchst. Wir hatten im Dezember Kreistagssitzung. Da kommt der Erste Stadtrat, Stellvertreter des Bürgermeisters, SPD, stellt sich ans Pult, hält eine Rede zum Krankenhaus, nimmt seinen Ordner unter den Arm und sagt: Und ich mache das zum Wahlkampfthema. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das weicht deutlich ab vom Vorgehen in Bensheim. Dort ist das Krankenhaus gerettet. Dort hat der Bürgermeister alle Fraktionen zusammengeholt. Man hat sich geeinigt, es wird kein Wahlkampfthema, sondern man hat gekämpft. Dieses Krankenhaus ist gerettet.

Auch das müssen wir sehen: Es gab drei Krankenhäuser im Kreis Bergstraße in der Insolvenz. Eines ist gerettet, Lampertheim wird auch durchkommen. In Lindenfels im ländlichen Raum hat es nicht geklappt. Ich bedauere das. Ich hochachte die Leistung der Menschen dort, die für diese „Luise light“ gekämpft haben.

Wir müssen jetzt schauen – da stimme ich denen zu, die es gesagt haben –, dass wir das Engagement, das die Menschen dort gezeigt haben, federführend Dr. Wahlig, jetzt positiv umsetzen und an dieser Stelle vorankommen und dann ein Krankenhauskonzept haben, dass wir mit einem MVZ plus, möglicherweise mit ambulantem Operieren – das ist meine Idee –, die Gesundheitsversorgung weiter si

cherstellen können. Dazu erwarte ich aber auch die Unterstützung der Nachbarkreise; denn die sind auch davon betroffen. Das ist nicht alleine eine Frage des Kreises Bergstraße.

Wie gesagt, auch mir fällt es schwer, darüber zu reden, weil auch ich enttäuscht bin, dass es nicht gelungen ist, „Luise light“ zum Fliegen zu bringen. Aber ich bin Realist genug, um zu sagen: Es war ein guter Kampf, es war ein sorgfältiger Kampf. Im Endeffekt hat es nicht geklappt, und damit müssen wir leben. Jetzt müssen wir uns das neue Ziel vornehmen, MVZ plus in Lindenfels für die Region zu realisieren. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)