Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

den man auf der Innenministerkonferenz gefunden hat, war: Wir schieben die Verantwortung nach Berlin ab. – Der hessische Innenminister sagt, der Bundesjustizminister, die Bundesregierung seien jetzt am Zug, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den Schutz der Einsatzkräfte messbar zu verbessern.

Wir erinnern uns daran: Der Innenminister hat den hessischen Vorstoß damit begründet, dass es die Ausschreitungen bei der Eröffnung der Europäischen Zentralbank im März 2015 gegeben hat. Diese sind uns in der Tat in Erinnerung. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Exzesse hätten Sie mit der hessischen Bundesratsinitiative garantiert nicht verhindert. Das ist wohl eindeutig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Bauer, geholfen hätte etwas anderes. Sie hätten vielmehr die bewährte hessische Polizeistrategie nicht aufgeben dürfen. Jahrzehntelang, vor allem unter Ihrem Vorgänger, Herr Minister – da sitzt er, der jetzige Ministerpräsident –, galt in Hessen das klare Signal der Polizei an Rechtsbrecher: Die Straße gehört uns.

(Beifall bei der FDP)

Das ist seit zweieinhalb Jahren vorbei. Sie haben es auf Druck Ihres neuen Koalitionspartners aufgegeben. Ich sage das sehr deutlich, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es auch so ist und dass es bei der Polizei z. B. ganz genauso gesehen wird – das zeigt sich, wenn Sie mit Polizeibeamten, die im Einsatz waren, reden –: Das war das falsche Signal gegenüber der Eskalation der sogenannten Blockupy-Proteste in Frankfurt, die, mit Verlaub gesagt, nichts anderes als organisierte Gewaltorgien waren. Diese waren ein Stück weit auch die Folge dieser Aufgabe der bewährten hessischen Strategie.

Die Erkenntnis ist relativ einfach, und Sie werden mir zustimmen, wenn Sie genauer nachdenken: Toleranz gegenüber Intoleranz kann es nicht geben.

(Beifall bei der FDP)

Deeskalationsstrategien, lieber Kollege Boddenberg, gegenüber zu Gewalt entschlossenen Krawallmachern und Krawalltätern funktionieren nicht. Das, was Sie dort gemacht haben, ist das Gegenteil einer Politik zum Schutz unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Da helfen auch keine Ablenkungsmanöver, wie sie heute versucht werden. Polizisten schützen Sie eben nicht mit Worten, sondern nur mit entschlossenem Handeln.

Deswegen meine Aufforderung an Sie: Kehren Sie zurück zur bewährten Politik. Schützen Sie unseren Rechtsstaat, und zwar gegen alle Angreifer, auch auf der Straße, und das nicht nur mit Worten, sondern vor allem auch mit Taten.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Holger Bellino (CDU): Vorratsdatenspeicherung!)

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat der Abg. Jürgen Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt aber! Deeskalieren!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir nicht akzeptieren können, dass diejenigen, die bei uns Recht und Gesetz verteidigen, die andere Menschen retten, die anderen Menschen in Notsituationen helfen, bei Demonstrationen oder bei Großlagen, die wir ja des Öfteren beobachten können, angegriffen werden. Das können wir wohl alle gemeinsam nicht akzeptieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, oft setzen diese Rettungskräfte oder die Polizisten die eigene Gesundheit oder das eigene Leben ein. Angriffe gegen Polizei, gegen Feuerwehr, gegen Rettungskräfte dürfen wir nicht tolerieren. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir jeden Angriff auf Einsatzkräfte verurteilen und dass der Staat mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen diese Gewalttäter vorgehen muss. Ich denke, darin sollten wir uns einig sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben alle noch die Bilder im Kopf: brennende Autos, angegriffene Polizeiwachen, Behinderung von Rettungskräften. Es war einmalig, dass aktive Sanitäter angegriffen worden sind, dass Feuerwehrleuten der Weg versperrt wurde. Das sind Bilder, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wollen wir nicht sehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Es muss klar sein, dass der Rechtsstaat derartige Gewalt nicht toleriert und dass die Straftäter vor Gericht gestellt werden müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Debatte über die gesetzlichen Änderungen brauchen wir meiner Auffassung nach auch eine breite gesellschaftliche Debatte über dieses Thema.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir müssen alle darüber nachdenken, warum die Hemmschwellen derart sinken, warum der Respekt vor Einsatzkräften schwindet und warum vermehrt Gewalt zum Mittel politischer Auseinandersetzungen wird. Ich glaube, darüber müssen wir gemeinsam nachdenken.

Es geht nicht, dass diejenigen, die unsere Grundwerte schützen, die die Demonstrations- und Meinungsfreiheit ermöglichen, die die Sicherheit, Schutz und Hilfe gewährleisten, derartigen Angriffen ausgesetzt werden. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass derartige Angriffe nicht akzeptabel sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Bauer hat es schon gesagt. Beleidigungen, Verunglimpfungen und das Bespucken gehören fast schon zum Alltag vieler Einsatzkräfte. Ich meine, das ist ein schlimmer Befund. Wir können das nicht tolerieren. Wir sind aufgefordert, uns vor

unsere Einsatzkräfte zu stellen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Respektlosigkeit und dieser Gewalt zu begegnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir haben uns mit der CDU in unserer Koalitionsvereinbarung gemeinsam darauf verständigt, auf der einen Seite die Kennzeichnungspflicht der Polizeibeamten einzuführen, aber auf der anderen Seite auch eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuchs zu ergreifen, um gerade den Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten, aber auch der sonstigen Einsatzkräfte vor gewalttätigen Übergriffen zu verbessern. Die Landesregierung hat das gemacht.

In der vergangenen Woche hat die Innenministerkonferenz darüber beraten. Sie hat den Bundesjustizminister gebeten, auf der Grundlage der Anträge aus dem Saarland und aus Hessen, lieber Kollege Greilich, einen Entwurf zu erarbeiten.

Ich komme zum Beschluss. Im Übrigen ist das ein einstimmiger Beschluss. Ich will das hier hinterlegen. Die Beschlüsse in der Innenministerkonferenz sind einstimmig. Also haben auch Brandenburg und Thüringen zugestimmt. Das will ich hier nur in Klammern sagen. In dem Beschluss heißt es:

Bei der Prüfung und Erarbeitung des strafrechtlichen gesetzgeberischen Handlungsbedarfs durch das Bundesjustizministerium sind sowohl die hessische als auch saarländische Gesetzesinitiative zu berücksichtigen. Dabei soll der Schutz vor tätlichem Angriff den Personenkreis in Bezug auf dessen Dienst – und nicht mehr nur die Vollstreckungshandlung – betreffen.

Das ist der Auftrag, den der Bundesjustizminister jetzt hat. Der Ball liegt beim Bundesjustizminister. Ich glaube, dass wir demnächst einen Vorschlag vorgelegt bekommen werden. Ich glaube, dass wir dann einen Vorschlag bekommen werden, der gerade auch die minder schweren Fälle im Blick hat. Das haben wir im Landtag diskutiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die hessische Polizei war gut ausgestattet. Wir haben diese Ausstattung in den vergangenen Jahren noch weiter verbessert. Wir haben den passiven Bereich weiter verbessert. Der Körperschutz wurde ausgebaut. Es gibt Überlegungen hinsichtlich des Stichschutzes.

Herr Kollege Frömmrich, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme sofort zum Ende meiner Rede. – Dabei geht es um Angriffe mit Messern. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass sich ein Polizist im Einsatz auch bewegen muss. Also alles geht da nicht. Wir haben im Zusammenhang mit der Bodycam Maßnahmen ergriffen, die präventiv wirken. Sie sind also auch zum Schutz der Poli

zeibeamtinnen und -beamten. Wir haben eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen.

Herr Kollege Frömmrich, kommen Sie bitte zu Ihrem letzten Satz.

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss meiner Rede. – Das wichtige Signal muss sein, dass wir alle gemeinsam solche Angriffe auf Einsatzkräfte nicht tolerieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Vielen Dank. – Als Nächste hat Frau Kollegin Faeser für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Frömmrich, im Jahr 2009 war die Debatte hier noch etwas anders gelagert. Da gab es eine Initiative der SPDFraktion zu diesem Komplex, der unter anderem eine Strafverschärfung vorsah. Es gab dann einen gemeinsamen Antrag. Die Fraktionen der CDU und der FDP haben dem Antrag der SPD-Fraktion zugestimmt. Die Fraktion der GRÜNEN hat damals geschrieben – ich darf aus Drucks. 18/1190 zitieren –, dass eine „Erhöhung der Strafrahmen … keine taugliche Maßnahme“ sei.

(Günter Rudolph (SPD): Was?)

Offensichtlich hat sich die Meinung der GRÜNEN geändert. Herr Kollege Frömmrich, es ist aber nicht das Schlechteste, Meinungen weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, wir sind uns einig. Von den Vorrednern wurde schon gesagt, dass die Einsatzkräfte der Polizei und der Justiz mit ihrer täglichen Arbeit einen unglaublich wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Deswegen kann nicht hingenommen werden, dass gegen diejenigen Gewalt ausgeübt wird. Da sind wir in der Tat als Gesellschaft und Politik gefragt, dem entgegenzuwirken.

Diese Auffassung scheint das Haus offensichtlich nicht mehr zu teilen. Das finde ich interessant.

(Beifall des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Kollege Bauer war so freundlich. – Wir müssen uns in dieser Debatte noch einmal vergegenwärtigen, dass wir gerade in Hessen bei den Ausschreitungen rund um Blockupy in der Tat Gewaltexzesse in einer sehr üblen Art und Weise zu verzeichnen hatten. An Weihnachten gab es sehr üble Auswirkungen für einen Polizeibeamten, der mit dem Leben bezahlen musste, weil mit einem Messer auf ihn eingestochen wurde. Leider sind das die „Höhepunkte“ solcher Gewaltexzesse.

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nicht nur diesen Spitzen der Gewaltexzesse entgegentreten. Ich glaube, es