Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Es wird Sie nicht überraschen, dass meine Fraktion Ihren Antrag ebenso ablehnen wird, wie wir damals Ihr Gesetz abgelehnt haben. Warum? – Erstens. Es ist schlicht unnötig, weil Gesetzesverstöße schon jetzt geahndet werden können. Tierquälerei ist strafbar. Wenn das jemand sieht und es beweisen kann, steht der Rechtsweg offen, dann ermittelt die Staatsanwaltschaft. Dazu braucht man kein Verbandsklagerecht.

Zweitens. Sie wollen den Verbänden ein Recht geben, das ihnen nach unserer Rechtsordnung nicht zusteht. Der Verweis auf die Naturschutzverbände ist falsch. Außerdem hat das Land hier schlicht und einfach gar keine Rechtsetzungskompetenz. Das haben Ihnen die Experten schon im Jahr 2011 ins Stammbuch geschrieben, aber das haben Sie inzwischen wohl vergessen. Deshalb waren 2011 die Juristen gegen Ihren Vorschlag.

Drittens. Sie würden damit zwar sicher keine unbewältigbare Flut, aber eine Vielzahl von Verfahren provozieren. Sie schaffen Rechtsunsicherheit für diejenigen, die täglich mit Tieren zu tun haben. Sie verzögern und verteuern Maßnahmen, z. B. in der Landwirtschaft, aber auch in der Forschung. Deshalb waren 2011 Landwirtschafts-, Wirtschaftsunternehmen und Universitäten gegen Ihren Vorschlag.

Viertens. Sie belasten die Kommunen, weil sie ihre Entscheidungen in allen Phasen mit Verbänden aus Ehrenamtlichen rückkoppeln und verteidigen müssten. Deshalb waren 2011 alle Kommunalen Spitzenverbände gegen Ihren Vorschlag.

Herr Dietz, kommen Sie zum Schluss.

Nicht weil uns das Wohl der Tiere nicht am Herzen liegt, sondern aus all diesen Gründen waren wir damals gegen Ihren Vorschlag und sind es auch heute noch. Wir können das im Ausschuss weiter besprechen; es wird aber nichts daran ändern, dass wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Dietz. – Für die GRÜNEN erteile ich Frau Hammann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, sehr geehrte Frau Müller! Auch wir GRÜNE halten die Einführung einer Verbandsklage für den Tierschutz für notwendig. Diese Position vertreten wir seit vielen Jahren; das ist belegbar.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt prüfen Sie das auch noch!)

Wir haben damals zu diesem Thema einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht – das hat Frau Müller ebenfalls schon erwähnt –, weil wir der Meinung sind, dass auf der Seite, die für den Tierschutz die rechtlichen Möglichkeiten einklagen will, kein Klagerecht vorhanden ist. Das gibt es nicht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt kommt es! Ich habe es befürchtet!)

natürlich; lieber Kollege Rudolph, es gibt natürlich auch immer eine andere Seite –,

(Günter Rudolph (SPD): Sie sind jetzt in einer Koalition mit der CDU!)

ich frage Sie: Warum agieren Sie nicht auf Bundesebene, wo Sie diese Möglichkeit haben? Immerhin sind Sie eine Regierungspartei und hätten natürlich die Möglichkeit, dort Veränderungen voranzubringen.

(Günter Rudolph (SPD): Wenn nichts hilft, kommt das! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Weitere Zurufe)

Ich möchte Sie daran erinnern, dass gerade Frau Dr. Martin in der letzten Umweltausschusssitzung darauf hingewiesen hat, dass es notwendig wäre, hierfür eine bundesweite Regelung zu treffen.

(Günter Rudolph (SPD): Die GRÜNEN waren auch schon einmal offensiver!)

Deshalb frage ich Sie noch einmal: Warum nutzen Sie nicht diese Chance, statt einen Antrag in den Hessischen Landtag mit dem Ziel einzubringen, eine Verbandsklage einzuführen?

(Günter Rudolph (SPD): Ihr könnt es doch machen! Ihr habt die Mehrheit in Hessen!)

Ich muss Sie außerdem darauf hinweisen, dass es auf der Bundesebene, beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik vom März 2015 gibt, mit dem Titel „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“. Genau darin wurde dieses Verbandsklagerecht im Tierschutz gefordert. Also haben Sie auf der Grundlage dieses Gutachtens eine Möglichkeit, auch auf der Bundesebene vorzugehen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass gerade Heiko Maas gesagt hat, er wird sich für eine Tierschutzverbandsklage einsetzen. Nur, wenn man sich die Aktivitäten, die dazu vonseiten der SPD auf Bundesebene entwickelt wurden, anschaut, muss man feststellen: Fehlanzeige.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Sie finden gerade in dieser Richtung keine Aktivität. Deshalb sage ich Ihnen – das werfe ich Ihnen direkt vor –: Sie haben diesen Antrag nicht eingebracht, um dem Tierschutz eine Chance zu geben, sondern Sie sehen für sich eine parteipolitische Chance, wenn Sie für den Tierschutz in Hessen punkten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Wenn das den Tieren hilft! – Heiterkeit bei der SPD)

Sie versuchen auch – das sage ich ganz deutlich; das ist Ihnen auch bekannt, und es ist politisch legitim –, einen Keil zwischen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu treiben: einen Keil, der nicht angebracht ist, denn zusammen machen wir eine sehr gute Tierschutzpolitik. Man kann genau darstellen, was wir getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Versäumnisse, die Sie eben angesprochen haben: Das, was zu regeln wäre – liebe Kollegin Müller, gerade das von Ihnen angesprochene Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken –, hätte über die Änderung des Bundestierschutzgesetzes geregelt werden können. Das ist nicht der Fall gewesen. Das hessische Ministerium hat dazu einen Erlass herausgegeben, der den Inhalt hat: Sobald die Geschlechtsbestimmung im Ei Praxisreife hat, wird es dieses

sinnlose Töten der Eintagsküken nicht mehr geben; das wird verboten.

Das Gleiche kann ich Ihnen zum Schenkelbrand bei Pferden sagen. Auch das hätte über das Bundestierschutzgesetz geregelt werden können, doch den Schenkelbrand gibt es weiterhin. Was haben wir mit unseren begrenzten Möglichkeiten getan? – Das Ministerium hat einen Erlass herausgegeben, in dem steht: Bei der Staatsprämierung werden nur noch die Pferde und Ponys prämiert, die keinen Schenkelbrand haben. Das gilt für alle Tiere, die ab 2015 geboren wurden.

Meine Damen und Herren, die unabhängige Landestierschutzbeauftragte Frau Dr. Martin hat dem Tierschutz in Hessen ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie war in der letzten Umweltausschusssitzung anwesend. In der Sitzung wurde dieser Bericht diskutiert, und es gab viele Nachfragen zu diesem Bereich. Aus dem Bericht ist erkennbar, dass Schwarz-Grün eine sehr gute Tierschutzpolitik aufweisen kann. Es ist hier viel umgesetzt worden, und darauf sind wir sehr stolz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich werde nicht alles erwähnen können, aber Sie geben mir durch Ihren Antrag die Gelegenheit, auf ein paar Dinge hinzuweisen. Es gibt in Hessen eine neue Stiftung Hessischer Tierschutz. Sie unterstützt die Tierheime in Hessen. Eine Entlastung der Tierheime gibt es auch über die Rechtsverordnung zur Kastration von Katzen. Sie gibt den Kommunen endlich die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass Freigängerkatzen registriert, gekennzeichnet und kastriert werden. Das Katzenelend kann damit eingedämmt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben im Hochschulgesetz einen neuen Paragrafen aufgenommen, der Alternativen zu Tierversuchen vorschreibt.

Frau Hammann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Wir können durch die Einrichtung der zwei Stiftungsprofessuren für die Erforschung solcher Alternativen sehr viel Gutes bewirken, und die Tierversuchszahlen werden zurückgehen. Ich kann Sie nur auffordern: Wenden Sie sich an die, die zurzeit auf Bundesebene die Verantwortung haben. Was wir in Hessen tun können, das tun wir; denn wir haben ein Herz für den Tierschutz, und wir werden all das umsetzen, was in unseren Möglichkeiten steht. Ich fordere Sie mit Nachdruck auf: Gehen Sie diesen Weg, da er sehr Erfolg versprechend ist. Das Bundestierschutzgesetz könnte bessere Regelungen vertragen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Frau Hammann. – Für DIE LINKE hat sich Frau Cárdenas zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit 13 Jahren steht der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz. Die Situation der Tiere hat sich aber seitdem nicht verbessert, eher im Gegenteil. Woran liegt das? – Geht es in einem Gesetz um den Schutz der Schwächeren, steht und fällt die Umsetzung der für sie geschaffenen Schutznormen mit ihrer gerichtlichen Absicherung.

Deshalb haben wir bereits direkt 2008 einen Antrag zum Verbandsklagerecht in den Tierschutzbeirat eingebracht. Das war einer unserer ersten Anträge überhaupt, damals unterstützt von den GRÜNEN und der SPD. Sie alle kennen Berichte über das Grauen in der Massentierhaltung oder bei Tierversuchen. Die meisten Menschen verschließen davor ihre Augen, schalten den Fernseher ab oder auf ein anderes Programm um. Das ist das Bequemste. Die Bilder von Tieren, die noch leben, während sie zerteilt werden, die Bilder von Affen mit Hauben auf dem Kopf, über die Elektroschocks ins Gehirn geschickt werden, sind auch wirklich nur schwer zu ertragen.

Wir, die Politikerinnen und Politiker, tragen aber die Verantwortung für diese Quälerei. Wenn wir diese Bilder nicht ertragen wollen, dann müssen wir die richtigen Gesetze machen. So einfach ist das.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Zweck des Tierschutzgesetzes besteht darin, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Es weist damit auf den Wert der Tiere, auf deren ethisch begründeten Schutz hin. Dieser Leitgedanke fordert von uns allen die treuhänderische Wahrnehmung der Interessen der Tiere. Sonst läuft er ins Leere und verkehrt sich ins Gegenteil.

Nach dem Tierschutzgesetz sind Tierhalter verpflichtet, Tieren die Ausübung artgemäßer und verhaltensbedingter Grundbedürfnisse zu ermöglichen, also das eigene Tun an den Interessen der Tiere zu orientieren. Aber wenn der Tierhalter starke wirtschaftliche Interessen verfolgt, fehlt es praktisch allzu oft an dieser Orientierung. Dieser Schutzgedanke steht nämlich in einem Konflikt mit den wirtschaftlichen Interessen der Tiernutzer. Dieser schwerwiegende Konflikt kann aber zurzeit nicht vor Gericht abwägend ausgetragen werden und wird daher automatisch zuungunsten der Tiere entschieden.

Der Grund liegt zum einen in dem hohen Wert, der den wirtschaftlichen Interessen von den im Wettbewerb stehenden Unternehmen gegenüber dem Tierschutz eingeräumt wird, und zweitens darin, dass es bisher nur wenige konkrete rechtliche Vorschriften für die Mindestanforderung an die Haltung der Tiere gibt. Damit haben auch die Behörden nur zu vage rechtliche Vorgaben, die sie durchsetzen können. Während Tiernutzer ein unbegrenztes Klagerecht gegen Verfügungen haben, wurde den gequälten Tieren oder deren treuhänderischen Vertretern bisher kein Klagerecht zugesprochen für den Fall, dass die Behörden nicht in ausreichendem Maße tätig werden, und das trotz grüner Mitverantwortung in der Landesregierung.

Jetzt gibt es Stimmen, die sagen: Wir haben doch die Behörden, die diese Aufgaben sachgerecht wahrnehmen. Da brauchen wir kein Verbandsklagerecht. – Die Exekutivorgane sind aber Irrtümern und vor allem widersprüchlichen Interessen ausgesetzt. Sie sind weisungsabhängig und insofern nicht ausnahmslos als unabhängige Treuhänder der

Tiere zu sehen. Sie sind häufig geradezu darauf angewiesen, eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, wie sie durch das Verbandsklagerecht herbeigeführt werden könnte, zu erhalten, um ihrer Pflicht der Gesetzesanwendung im konkreten Einzelfall und notfalls auch gegen die Bedenken von Vorgesetzten oder gegen massiven Druck durch Tiernutzer nachkommen zu können.

Diese offensichtlichen Konflikte sind in ein widersprüchliches Verhalten des modernen Menschen zum Tier eingebettet: Einerseits verbringen die sogenannten Nutztiere ihr Dasein abgeschottet in großen Produktionsanlagen. Das Brüllen und die Schreie der Tiere etwa vor und bei ihrer Schlachtung ist an die Peripherie städtischer Gebiete und in geschlossene Hallen verlegt worden – nicht ohne Grund. Gleiches gilt auch für Tierversuchsanlagen. Wir alle bekommen davon nichts mit.

Zugleich sind einige Tiere die Mitbewohner des Menschen und überraschen uns immer wieder mit ihrer Intelligenz und Lernfähigkeit. Wir kommunizieren mit Hund und Katze auf der Du-Ebene. Wir teilen mit ihnen Leid und Freud. Während also in der Maschinerie der Agrarindustrie und in Tierversuchslaboren das Tier zu einem anonymen empfindungslosen Sachobjekt degradiert wird, wird dem Haustier nicht selten der Rang eines echten Familienmitglieds eingeräumt.

Es kann deshalb nicht länger als rechtsverträglich gelten, dass wir willkürlich ausgewählten Einzeltieren ein dem Menschen ähnliches Empfindungsvermögen zusprechen, anderen ihnen gleichen oder vergleichbaren Tieren etwa im Bereich der Nutz- oder Versuchstiere lediglich einen theoretischen, aber keinerlei praktischen Schutz gewähren, weil jede unabhängige Kontroll- und Klagemöglichkeit fehlt. Denn ein zwar vom Tierschutzgesetz gewährter, aber rechtlich nicht durchsetzbarer Schutz ist überhaupt nichts wert. Wir brauchen das Verbandsklagerecht jetzt – gern auch auf Bundesebene. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)