Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Lassen Sie mich das doch gerade erst einmal ausführen. Dann können Sie widersprechen. Dann können Sie an das Mikrofon kommen und mir gerne widersprechen.

Die Zahl der Erwerbsfähigen hat sich im Jahr 2015 noch einmal um rund 1 % erhöht. Mit 3,34 Millionen haben wir einen neuen Rekordwert. Wir sind mit dieser Zuwachsrate unter den Top 3 aller Bundesländer. Das zeigt, wie gut sich unsere Wirtschaft entwickelt.

Eines hat mir bei allen Kollegen gefehlt, die zu diesen Haushaltsfragen jetzt gesprochen haben. Ich möchte dieses Thema hier deutlich angehen. Dabei geht es um den Länderfinanzausgleich. Herr Kollege Schmitt, ich komme da noch einmal auf Sie zu sprechen.

Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass wir die andauernde Belastung des Landes Hessen durch den Länderfinanzausgleich jetzt und in der Vergangenheit mit Sorge betrachten müssen. Für das kommende Jahr sind 1,8 Milliarden € für Zahlungen in den Länderfinanzausgleich vorgesehen. Wir waren im ersten Halbjahr 2016 der größte ProKopf-Zahler in den Länderfinanzausgleich.

Ich glaube, eine Zahl beleuchtet das Ganze sehr gut: Von 1998 bis 2015 hat Hessen insgesamt 36,3 Milliarden € in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Im gleichen Zeitraum betrug die Nettokreditaufnahme 21,8 Milliarden € – also immerhin ein Saldo von plus 15,5 Milliarden €. Der Betrag hätte uns im Haushalt zum Abbau unserer Schulden durchaus gutgetan.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich möchte aber jetzt zu meinem Punkt kommen. Wir stehen sicher alle miteinander zu einer nachvollziehbaren Solidarität unter den Bundesländern. Aber wir brauchen eine wesentliche strukturelle Entlastung Hessens bei den BundLänder-Finanzbeziehungen. Das tut unserem Haushalt ausgesprochen gut. Spätestens mit der notwendigen Anschlussregelung für die im Jahre 2019 auslaufende Ausgleichskonstruktion müssen wir diese Entlastung haben. Da muss doch im Grunde genommen jedem im Moment völlig unverständlich sein, warum es beim derzeitigen Stand der Verhandlungen nicht weitergeht.

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist so, dass sich bereits alle 16 Bundesländer über ein gemeinsames Reformmodell geeinigt haben. Das ist sicherlich keine Selbstverständlichkeit. Dieser Reformansatz würde Hessen wie

gewünscht deutlich und strukturell entlasten. Herr Kollege Schmitt, dabei könnten Sie sicherlich auch einmal mit Ihren SPD-Kollegen dafür sorgen

(Norbert Schmitt (SPD): Sie haben mit Herrn Schäuble auch ein Problem!)

darauf komme ich noch –, dass wir jetzt in der Auseinandersetzung mit dem Bund, der das im Moment noch blockiert, ein Stück weiterkommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Gerne! – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Bei allem Verständnis dafür, dass der Bund seine nun in drei aufeinanderfolgenden Jahren erfolgreiche Finanzpolitik ohne eigene Nettoneuverschuldung fortsetzen will, sind Bundeshaushalt und Länderhaushalte zwei getrennte Vorgänge. Ich fordere, dass der Bund seinen Widerstand aufgibt und endlich in eine von allen Bundesländern und ihm selbst getragene Reformlösung einsteigt, so wie sie jetzt konzipiert wird.

(Günter Rudolph (SPD): Herr Schäuble, ja genau!)

Auch der Kollege Schäuble, auch die hessischen Bundestagsabgeordneten – da nehme ich die der CDU nicht aus, aber auch nicht die der SPD.

(Günter Rudolph (SPD): Wir sind doch nicht das Problem! – Gegenruf des Ministers Stefan Grüttner: Die SPD ist Regierungsfraktion, oder?)

Wir sollten als Landespolitiker dafür sorgen, dass diese Blockadehaltung endlich einmal beendet wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist offensichtlich ein Punkt, der in Berlin beide Regierungsfraktionen beschäftigt. Wir als Landespolitiker haben allen Grund, im Sinne unseres hessischen Haushalts etwas zu bewirken – davon haben wir alle etwas.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir haben heute von der Opposition aus sehr unterschiedlichen Betrachtungswinkeln einiges an Kritik an diesem Haushaltsplanentwurf gehört. Das war eigentlich zu erwarten. Ich habe auch erwartet, dass mehr Investitionen, mehr Stellen, mehr Ausgaben und mögliche andere Dinge aufgezeigt worden wären. Nur, was wir miteinander nicht vergessen dürfen und was ich von den Oppositionsrednern leider nicht in dieser Deutlichkeit gehört habe, ist: Wenn wir über seriöse Ansätze reden, müssen mögliche Mehrausgaben auch gegenfinanziert werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja!)

Das ist ein entscheidender Punkt. Das verlange ich von meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen, aber auch von allen anderen. Es kann nicht sein, dass die Aufgaben in diesem Hause so verteilt sind, dass die Vertreter der Opposition draußen im Land jedem Bürger so ziemlich alles versprechen, was die gern hören wollen, und wir uns dann darum kümmern müssen, wie das finanziert wird.

(Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Das scheint mir in manchen Aussagen, auch vom Kollegen Schmitt, genau so zu sein.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Günter Ru- dolph (SPD))

Wir werden das in den Diskussionen sehen. Ich hoffe auf eine solide und konstruktive Beratung dieses Entwurfs. Ich hoffe auch, dass wir miteinander dem Verfassungsauftrag, die Schuldenbremse erfolgreich umzusetzen, auch weiterhin nachkommen. Ich hoffe ebenfalls, dass eine solide Haushaltspolitik weiterhin ein Markenzeichen von Hessen ist. Sie ist ein Markenzeichen dieser schwarz-grünen Koalition, dieses Finanzministers und seiner Kolleginnen und Kollegen im Kabinett. Daran wollen wir festhalten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Arnold. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich stelle fest, dass die erste Lesung des Gesetzentwurfs des Haushaltsgesetzes zusammen mit der Behandlung des Antrags der Landesregierung betreffend den Finanzplan erfolgt ist. Sowohl der Gesetzentwurf als auch der Antrag werden vereinbarungsgemäß zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Handelsund Investitionsschutz-Abkommen CETA stoppen – Drucks. 19/3747 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 46:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Freihandelsabkommen CETA sorgsam prüfen und bewerten – Drucks. 19/3783 –

Das ist der Setzpunkt der LINKEN. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster hat Abg. van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am kommenden Samstag werden in sieben deutschen Städten Zehntausende Menschen gegen TTIP und CETA auf die Straße gehen.

Zu diesen Demonstrationen haben zahlreiche Organisationen und Verbände aus unterschiedlichsten Bereichen aufgerufen. Es ist gut, dass sich diesem Aufruf neben dem Landesverband der hessischen LINKEN auch die Partei von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und etliche Ortsgruppen der SPD angeschlossen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Protest gegen die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada ist allerdings auch dringend notwendig. Beide Abkommen setzen den Wert des Freihandels über ökologische und soziale Regeln. Sie setzen Dienstleistungen und Daseinsvorsorge unter Druck und gefährden die Demokratie durch die geplanten Sonderklagerechte für Investoren. Sie sind ein Angriff auf die Umwelt, die kommunale Daseinsvorsorge, die Demokratie und den Sozialstaat sowie auf den Verbraucherschutz.

Auch wenn das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA inzwischen als gescheitert angesehen werden kann, ist es zum Feiern zu früh. Das Abkommen CETA mit Kanada ist bereits ausgehandelt und wäre beim Inkrafttreten schlicht und ergreifend die Einführung von TTIP durch die Hintertür. US-amerikanische Unternehmen können dann ganz einfach über eine Filiale in Kanada in den Genuss des Freihandelsabkommens CETA kommen.

Es ist daher unglaubwürdig, wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel TTIP als gescheitert ansieht, das CETA-Abkommen mit Kanada hingegen in den Himmel lobt. Wir hoffen sehr darauf, dass sich innerhalb der SPD im Parteikonvent am 19. September die Kräfte durchsetzen werden, die – wie der umweltpolitische Sprecher der SPDBundestagsfraktion – erkennen, dass im aktuellen CETAVertragsentwurf die sozialdemokratischen roten Linien überschritten sind. Dieser Parteikonvent ist eine Vorentscheidung zu den Verhandlungen der gegenwärtig in der Diskussion stehenden Freihandelsabkommen.

Die Kritiken an TTIP und CETA sind vielfältig: die intransparenten Verhandlungen, die nur widerwillig und vor allem viel zu gering geöffnet wurden, die viel zu hoch angesetzten Erwartungen an Wachstum, Arbeitsplätze und höhere Einkommen und natürlich das Entstehen eines parallelen Rechtssystems, vor dem nicht zuletzt der Deutsche Richterbund völlig zu Recht und eindringlich warnt.

Aus anderen Freihandelsabkommen sind bereits eindrucksvolle Beispiele bekannt, wie Großkonzerne Staaten wegen der Einführung von Umwelt- oder Sozialstandards erfolgreich vor solchen Schiedsgerichten verklagt haben, wie sie auch bei TTIP und CETA geplant sind.

Die angedachte Änderung, öffentliche Investitionsgerichtshöfe statt privater Schiedsgerichte zu etablieren, würde an diesen Klagen und Urteilen kaum etwas ändern. Es bliebe bei einem parallelen Rechtssystem, maßgeschneidert nach Konzerninteressen, das Entscheidungen, z. B. zu Arbeitsund Umweltstandards, riskant und teuer machen würde.

Es ist gefährlich, wenn nun darüber gesprochen wird, Teile des CETA-Abkommens bereits jetzt in Kraft zu setzen. Ein solches Vorgehen würde Fakten schaffen, deren Rücknahme selbst dann unwahrscheinlich wäre, wenn CETA später durch Bundestag oder -rat abgelehnt würde. Wir warnen daher eindringlich vor einem solchen Vorgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei passt auch ins Bild, dass das Abkommen nur unter äußerst schwierigen Bedingungen einseitig kündbar ist. Zum einen gilt eine 20 Jahre dauernde Übergangsfrist, und das aussteigende Land wäre zudem mit einem Zwangsaustritt aus der EU konfrontiert. In der Privatwirtschaft würde man eine solche Vereinbarung wohl als einen Knebelvertrag bezeichnen.

Die Menschen in den USA, in Kanada und in Europa haben jedoch Besseres verdient als einen solchen Knebelvertrag, der am Ende vor allem den mächtigen wirtschaftlichen Konzernen, Banken und Monopolen dient. Eine gerechte Handels- und Investitionspolitik muss für höhere ökologische und soziale Standards stehen. Sie muss zudem eine nachhaltige Entwicklung in allen Ländern fördern, auch in der sogenannten Dritten Welt und in den Schwellenländern. Anders als in den Freihandelsabkommen TTIP und CETA muss eine solche Politik die Demokratie und den Rechtsstaat fördern. Sie muss Standards zum Schutz

von Mensch, Umwelt und guter Arbeit stärken und die Entwicklung zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung fördern.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher stehen die Demonstrationen am kommenden Samstag nicht nur gegen TTIP und CETA, sondern auch für einen gerechten Welthandel. Immer mehr Menschen – nicht nur Ökonomen – erkennen, dass es ein Fehler war, die Märkte nur zu deregulieren, die Kapitalströme zu liberalisieren und den globalen Konkurrenzkampf immer weiter zu verschärfen. Ohne verbindliche Regeln, und ohne auch die negativen Effekte zu bedenken, führen diese Maßnahmen allesamt ins Chaos.