Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Der Hessische Landtag begrüßt die Entscheidung der Kommissarin für Wettbewerb Margrethe Vestager, dänische Liberale, die sich endlich beim Thema Google mit einem Mitgliedstaat der Europäischen Union anlegt.

(Beifall bei der FDP)

Das wäre genauso kleinkariert gewesen. – Ich will schon darauf hinweisen, weil hier immer die Bilder gestellt werden, dass die Liberalen ein etwas lockereres Verhältnis mit Steuerhinterziehern haben. Nein.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Was soll dieser Zwischenruf, Frau Dorn, mit „Nein“? Kommen Sie vor, und sagen Sie bitte, wo und wie. Ich kann es nicht mehr hören, wenn die scheinbar moralisch so integren GRÜNEN meinen, hier Noten verteilen zu müssen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP)

Schamesröte über diesen Antrag, schweigen, hinsetzen, aber nicht solche Zwischenrufe machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine Liberale, Frau Vestager aus Dänemark, die festgestellt hat, dass es nicht mehr so weitergeht, dass man mit einem geschickten Steuertuning Firmen wie Google, Facebook usw. die Möglichkeit gibt, Steuern zu sparen.

Ich will nicht darauf hinweisen, dass ein Land, das bis vor drei Jahren auch so ein Geschäftsmodell hatte, Luxemburg ist. Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass der ehemalige Premierminister von Luxemburg, Jean-Claude Juncker, ein führender Vertreter – ich glaube, er war sogar Spitzenkandidat – der Konservativen in Europa, also auch der CDU, gewesen ist.

Dieser moralische Überbau, den wir uns hier mit diesem Antrag anhören müssen, ist in unseren Augen voll nach hinten gegangen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Eine vorletzte Bemerkung. Ich weiß nicht, ob es Herr Kummer oder Herr van Ooyen gewesen ist, aber es wurde schon darauf hingewiesen: Man kann jede Statistik nutzen, wie man möchte. Es ist mir vollkommen klar, dass der hessische Finanzminister diese Statistik, eine Abfrage der Finanzverwaltung im Frühjahr 2016, nicht vorlegt. Dort geht es um die Frage, wie viele Tage es dauert, bis ein Steuerbescheid kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei Arbeitnehmern liegt Bremen bei 78 Tagen. Dann kommt – ich gehe von hinten vor – Hessen mit 56 Tagen.

(Norbert Schmitt (SPD): Aha!)

In Hessen dauert es am zweitlängsten in der gesamten Republik, bis ein Arbeitnehmer einen Steuerbescheid bekommt. Das habe ich nicht in dem Vortrag von Frau Ar

noldt gehört. Frau Erfurth wird dazu auch nichts sagen, und der Finanzminister wird einfach eine andere Statistik vorlegen, die dann deutlich macht, dass das falsch ist.

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer so aggressiv Öffentlichkeitsarbeit betreibt, wie das Dr. Schäfer macht – ich sage noch einmal, dass ich zu einem großen Teil die Professionalität bewundere, die dahintersteht –, dem darf so etwas wie jetzt nicht passieren. Er sollte sich dringend daranmachen, dass die Steuerbescheide für die Arbeitnehmer flotter bearbeitet werden. Das nennt man übrigens Hausaufgaben machen. Es ist nicht immer nur Öffentlichkeitsarbeit angesagt, sondern teilweise ist auch Hausaufgaben machen angesagt. Das hier ist ein klassisches Beispiel.

(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei Abge- ordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Letzte, das ich noch sagen möchte: Es gibt ein Fünf-Punkte-Programm der damaligen Landesregierung. Ich kann mich daran erinnern, ich war dabei. Liebe Landesregierung, wieso wird sich jetzt ausschließlich auf die Finanzverwaltung konzentriert? Wieso fehlt das Justizministerium dabei? Das Justizministerium fehlt auch vollständig bei dieser Debatte. Das ist beachtlich; denn für eine Straftat – das steht im ersten Absatz Ihres Antrags – ist letztlich das Justizministerium zuständig, weil es für die Staatsanwaltschaft und die unabhängige dritte Gewalt zuständig ist. Hier wird also auch nur fokussiert.

Umso mehr wird deutlich: Es ist eine Öffentlichkeitsarbeit des Finanzministers. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier hat man von Schwarz und Grün und Thomas Schäfer schlicht und ergreifend überdreht. Deshalb werden wir dem Antrag auch nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei Ab- geordneten der SPD)

Vielen Dank. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Erfurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bei dem Redebeitrag vom Kollegen Hahn immer gewartet, ob er auch auf Hessen eingeht. Für mich schwankte Ihr Beitrag zwischen Bewunderung für den Finanzminister und dessen Öffentlichkeitsarbeit und Neid, nicht mehr dabei zu sein. Aber das müssen Sie mit sich ausmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, der Umgang und der Zusammenhalt in einer Gesellschaft sind nach meiner Wahrnehmung ganz entscheidend davon geprägt, ob die herrschenden Verhältnisse von den Menschen als hinreichend gerecht empfunden werden. Für die Beantwortung dieser Frage, was gerecht ist, gibt es unterschiedliche Aspekte. Ein paar können sein: Sind die Sozialleistungen, die ein Staat leistet, angemessen? Kommen sie dort an, wo Bedürftige Hilfe brauchen? Ein Anspruch ist auch: Ist die Bezahlung

gerecht? Spiegelt sie Erfahrung, Können und Arbeitseinsatz wider?

Ganz entscheidend ist aus meiner Wahrnehmung die Frage der Steuergerechtigkeit. Orientiert sich Besteuerung wirklich an Leistungsfähigkeit? Sorgt der Staat ausreichend dafür, dass die starken Schultern eine entsprechend höhere Steuerlast zahlen? – Das haben alle Rednerinnen und Redner in unterschiedlicher Ausprägung auch so gesagt.

Für mich verknüpft sich die Frage der Steuergerechtigkeit mit der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts, weil beides aus meiner Sicht zusammengehört.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Steuergerechtigkeit ist nicht nur eine Frage des Spitzensteuersatzes. Herr Kollege Kummer, ich glaube, wir wissen das beide als ehemalige Finanzbeamte, weil natürlich auch die Durchsetzung des Steueranspruchs eine wichtige Frage ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Da geht es nicht unbedingt um den Spitzensteuersatz, der auf dem Papier steht, sondern es geht auch um das, was in der Staatskasse ankommt. Dann ist wirklich die Frage: Was wird überhaupt steuerlich erklärt? Was wird diesem Steuersatz unterworfen? Schließlich die Frage: Was wird tatsächlich gezahlt?

An dieser Stelle zitiere ich gerne den ehemaligen Bundesfinanzminister der Großen Koalition, Peer Steinbrück, der damals in der Debatte um die Abgeltungssteuer gesagt hat: „25 % von X ist besser als nix.“ Von daher geht es, ganz wichtig, auch um den Vollzug bei Steuern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wissen heute, dass es gerade in den letzten zehn Jahren sehr viele erfolgreiche Maßnahmen gab, die es Steuerpflichtigen aus Deutschland erschweren sollten, Kapital ins Ausland zu schaffen und damit auch der deutschen Besteuerung zu entziehen. Deshalb finde ich es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen. Herr Hahn, Sie haben gesagt, das seien Selbstverständlichkeiten. – Nein, eine Regierung ist auch dazu da, Orientierung und Leitung zu geben. Wenn wir immer wieder klarmachen, Steuerhinterziehung ist nicht so eben en passant, sondern es ist eine Straftat, und damit eine Leitlinie dafür geben, wie man oder frau sich verhält, finde ich das richtig und wichtig. Das ist Aufgabe eines Landesparlaments.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir hätten, glaube ich, alle miteinander vor einigen Jahren noch nicht geglaubt, dass Schweizer Banken eine Weißgeldstrategie betreiben würden. Ich glaube, noch vor ein paar Jahren hätten wir nicht erwartet, dass das mal passiert.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber Ihr Finanzminister wollte das Steuerabkommen abschließen!)

Lieber Kollege Norbert Schmitt, wir haben gemeinsam engagiert dafür gekämpft, auch in diesem Hessischen Landtag haben wir gemeinsam darum gerungen,

(Norbert Schmitt (SPD): Wir schon, aber er nicht!)

wie wir mit Steuerhinterziehung und mit diesen Schweizer CDs umgehen, und wir waren erfolgreich in der Summe. Das kann man doch einmal feststellen. Wir waren insge

samt erfolgreich. Inzwischen verlangen Schweizer Banken Erklärungen über Steuerkonformität. Auch das hätte ich mir nicht vorstellen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich darf auch noch einmal an Peer Steinbrück erinnern, der 2009 bekanntlich die Kavallerie beschwor, die ja nicht ausreiten müsse – Hauptsache, sie drohe.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Für mich ist diese Weißgeldstrategie ein gutes Signal für einen Fortschritt, der bei der internationalen Besteuerung erzielt werden konnte. Diese Fortschritte – auch das bitte ich nicht kleinzureden – haben wir auch der deutschen und der hessischen Steuerverwaltung zu verdanken.

Denken Sie einmal an die Debatte, die wir vor einem guten halben Jahr in diesem Landtag geführt haben. Da ging es um die Panama-Papers. Über 200.000 Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen sind aufgedeckt worden, die über die Kanzlei Mossack Fonseca in den letzten 38 Jahren eingerichtet wurden – Briefkastenfirmen nicht nur in Panama, sondern in über 20 Ländern und Gebieten dieser Erde, zum Teil mit recht klangvollen Namen: Gegenden, in denen man gerne auch einmal Urlaub macht. Vielleicht heißen sie deshalb Steueroasen. Denken Sie an die Bahamas, an die Seychellen, an Zypern, an Malta und Jersey. All das sind Gebiete, in denen man Steuern sparen wollte.

Oder denken Sie an Apple. Es war nicht Google, sondern es ist Apple. Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommissarin die von Irland gewährten Steuervergünstigungen für Apple für unzulässig erklärt und dem Konzern eine Nachzahlung von bis zu 13 Milliarden € angekündigt. Das muss man sich vor Augen führen.

(Norbert Schmitt (SPD): Gibt es vielleicht auch eine Niederlassung von Apple in Hessen?)

Das ist die EU, das ist Irland. Ich finde, man muss auch dorthin schauen, um diese Steuerverlagerungen in der Europäischen Union zu vermeiden.

(Gerhard Merz (SPD): Schauen Sie nach Wiesbaden!)

Die EU-Kommission spricht davon, dass der effektive Körperschaftsteuersatz, den Apple bekommen hat, im Jahr 2003 1 % betrug und im Jahr 2014 – das muss ich ablesen, damit ich mich nicht verlese – 0,005 %. Das ist, finde ich, ein steuerlicher Skandal. Da muss man einschreiten.