Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, wir reden hier nicht über das Wahlprogramm der GRÜNEN, sondern wir reden über die Politik dieser Landesregierung, und die ist richtig.

(Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Die Wahlprogramme der GRÜNEN haben mit der Politik der Landesregierung nichts zu tun! Das ist etwas anderes! – Norbert Schmitt (SPD): Die Wahlprogramme haben mit der Politik der Regierung nichts zu tun! Das ist noch am besten!)

Herr Kollege, der Unterschied zwischen uns beiden ist unter anderem folgender: Sie möchten auch gern einmal regieren. Das ist auch zulässig. Das ist absolut zulässig.

(Günter Rudolph (SPD): Großzügig!)

Herr Kollege Rudolph, auch für Sie ist das zulässig. – Sie arbeiten daran, dass das vielleicht einmal gelingt. Ich arbeite daran, dass das nicht gelingt. Geschenkt. Aber einen Unterschied zwischen uns beiden gibt es schon: Ich habe relativ viel Erfahrung, und zwar mit unterschiedlichen Koalitionen.

Was mich wirklich besorgt und wo ich wirklich hoffe, dass wir einmal einen Schritt weiterkommen, ist folgendes: Die Rituale kennt doch jeder hier. Sie nützen null.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Die FDP hat sich entschlossen, sich die CDU vorzunehmen, weil die irgendwie in der Gefangenschaft der GRÜNEN ist. Früher war es genau umgekehrt, Rot und Grün

haben uns beschimpft. So war es auch immer. Die SPD sitzt noch immer in der Opposition und ist der Auffassung, die Weltgeschichte ist falsch gelaufen – auch geschenkt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Günter Rudolph (SPD): Nur die CDU macht alles richtig! – Heiterkeit bei der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Kollege Rudolph, es tut mir leid. Ich habe Ihnen etwas zu dem Beispiel SPD oben und unten gesagt.

Meine Damen und Herren, aber bei diesem Thema versuche ich jetzt einmal zusammenzuführen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Zusammenzuführen nach dieser Rede!)

Glauben Sie im Ernst – wenn Sie Gelegenheit haben, mir noch zwei Minuten zuzuhören –, dass irgendjemand, der dort oben wohnt, der vielleicht in der dritten Generation dort arbeitet, der sich berechtigte Sorgen macht, nach dieser Debatte weiß, wie es weitergeht, dass er nach dieser Debatte den Eindruck hat: „Die verstehen mich, die verstehen, was mich umtreibt“? Da ruft der eine: Mensch, mach doch, da muss man doch einmal den Hammer in die Hand nehmen, und dann geht es los. – Typisch: Politik versagt.

(Nancy Faeser (SPD): Was ist denn die Schlussfolgerung, die Sie daraus ziehen: hier nicht mehr darüber zu reden?)

Da ruft die andere: Alles falsch. – Zwischendrin haben Sie sämtliche Zwischenmelodien.

(Nancy Faeser (SPD): Was ist denn die Schlussfolgerung: dass sich dieses Haus nicht mehr damit beschäftigt? – Gegenruf von der CDU: Hör doch einmal zu, Mensch!)

Dann werden Hoffnungen begründet, die in einem Rechtsstaat niemand erfüllen kann. Das ist das, was mich am meisten bedrückt. Wenn man jemandem gegenübertritt und die Debatte solche Anklänge hatte, dass, wenn man nur wollte, man doch ganz einfach die Probleme lösen könnte,

(Nancy Faeser (SPD): Was ist denn die Schlussfolgerung: dass dieses Haus sich nicht mehr damit beschäftigt? – Glockenzeichen des Präsidenten)

und wenn die Probleme eben nicht einfach gelöst werden, was ist denn das Ergebnis? Das Ergebnis ist Enttäuschung, das Ergebnis ist Frust, und das Ergebnis ist Abwendung vom politischen Betrieb, jedenfalls dem, wie er hier stattfindet.

(Nancy Faeser (SPD): Was ist denn die Konsequenz daraus, Herr Ministerpräsident? – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Parlament auflösen!)

Deshalb sage ich Ihnen auch heute: Wer glaubt, dass er wegen einer oder zweier Schlagzeilen eines Tages alles das verbrennen kann, was er vorher für richtig gehalten hat, der wird auf Dauer nicht erfolgreich sein. Wer glaubt, dass er hier so reden kann und da anders, der wird an Glaubwürdigkeit nicht gewinnen, sondern verlieren.

Meine Damen und Herren, wenn wir hier ehrlich miteinander umgingen, hätte doch einer der Redner einmal sagen dürfen: Dieser Hessische Landtag hat mit guten Argumenten mehrfach beschlossen, dass die Salzablagerung in der Werra zurückzuführen ist. Diese Landesregierung hat im Interesse der Arbeitsplätze und des Unternehmens genau

dies nicht gemacht, sondern wir haben die alte Geschichte fortgeschrieben. – Man hätte erwarten dürfen, dass es irgendwann wenigstens einer erwähnt.

Was nicht geht und was uns allen gemeinsam schadet, ist, hier so reden und da anders reden, in der Hoffnung auf eine schnelle Schlagzeile oder 20 Sekunden im Fernsehen.

Meine Damen und Herren, was die Menschen dort oben brauchen, was das Unternehmen braucht, was unser Land braucht, ist eine ehrliche, eine engagierte und eine verlässliche Politik. Genau darum geht es uns, dort sind wir auf gutem Weg. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir das schaffen. Wir werden aber nichts versprechen, was wir nicht halten können. Jeder, der in diesem Land Verantwortung trägt, muss doch mit uns daran interessiert sein, dass wir möglichst rasch, rechtssicher und zukunftsfähig die Arbeitsplätze auch in dieser Region erhalten. Da geht es um Tausende von Menschen, da geht es um Familien. Ich unterstelle niemandem hier, dass ihm dies egal ist. Dann unterstellen Sie bitte der Landesregierung das auch nicht. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das Wort hat der Abg. Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte vorhin schon angekündigt, dass wir, wenn der Ministerpräsident redet, noch einmal die Gelegenheit haben, ein paar Punkte zu vertiefen. Nach seiner Rede ist das auch notwendig.

Die Methode des Ministerpräsidenten ist seit Jahren immer dieselbe. Am Ende einer Debatte zu einem Thema, das ihn berührt – was für ihn spricht –, kommt er nach vorn und erklärt: Erstens. Ich – das ist dann immer die Perspektive – richte das schon. Ihr braucht euch nicht darum zu kümmern. Alles, was das Parlament macht, ist ritualisiert, insbesondere wenn es aus den Oppositionsreihen kommt. Zweitens. Vertraut mir, ich mache das schon.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen das letzte Jahr schon einmal gesagt: Wir haben miteinander kein Vertrauensverhältnis, wir haben ein Verantwortungsverhältnis. Das ist der große Unterschied.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Deswegen will ich einige der Bemerkungen aufnehmen und gern zurückgeben. Ich finde, Sie haben recht: Manche der Debatten hier im Haus, und nicht nur im Haus, sind verlogen, insbesondere wenn der eine hier so spricht und der andere da so spricht. Das gilt beispielsweise für Fragen des Kalibergbaus. Das soll gelegentlich für Fragen des Frankfurter Flughafens gelten.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach nee!)

Es soll gelegentlich sogar um Fragen der Windenergie gehen, Herr Boddenberg, wo der eine hier so redet und der

andere so. Dabei soll es sogar Leute geben, die das in einer Kabinettsrolle machen, habe ich gehört,

(Nancy Faeser (SPD): Ja, die soll es geben!)

und zwar nicht irgendwann 1846, sondern im Jahr 2014, im Jahr 2015, partiell sogar im Jahr 2016.

Was ich damit sagen will, ist: Ja, es ist so, Herr Ministerpräsident. Es gibt auch Leute hier im Haus, in allen Fraktionen, vielleicht mit einer Ausnahme, die hier so reden und woanders anders. In der Kritik bin ich völlig bei Ihnen. Das macht Glaubwürdigkeit kaputt.

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

Ich bin immer sehr dafür, dass man das stringent hält. Ich will allerdings zur Ehrenrettung des einen oder anderen Kollegen sagen, dass sie das nicht nur hier oder dort irgendwo formulieren, sondern auch in der Fraktion. Es gibt Kollegen in meiner Fraktion, die sagen, dass sie nicht bereit sind, die Belastung aus der Oberweserpipeline zu tragen, weil sie vom wirtschaftlichen Erfolg und vom Ertrag nichts haben. Das finde ich zumindest ein nachvollziehbares Argument. Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die sagen: Die Belastung durch den Frankfurter Flughafen ist für die, die ich in meinem Wahlkreis vertrete, zu hoch. – Ich finde es gut, dass das auch in großen Parteien zum Ausdruck gebracht wird. Das Entscheidende ist, dass am Ende daraus eine gemeinsame Position und Linie wird.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der entscheidende Punkt. Das ist übrigens die Funktionsweise der Demokratie, dass am Ende Mehrheitsbildung ermöglicht wird. Mehrheitsbildung heißt aber nicht, eine Minderheitenposition zu überrollen und ihnen zu sagen, dass sie keine Berechtigung hat, sondern ich nehme die Argumente sehr wohl ernst und komme am Ende trotzdem zu einem bestimmten Ergebnis.

Deswegen haben wir beispielsweise nach erbitterten Debatten auch in meiner Partei dem Ausbau des Frankfurter Flughafens zugestimmt. Deswegen habe ich vorhin ausdrücklich gesagt, dass der Vier-Phasen-Plan eine geeignete Grundlage ist. Aber ich erlaube mir schon auch den Hinweis und kann es Ihnen nicht ersparen, das heute zum wiederholten Mal zu sagen: Mit Ausnahme des einen Punktes, den die Ministerin vorhin versucht hat aufzulisten – Sie haben über vier Punkte geredet, zu einem hat sie etwas gesagt –, hat sie zu den anderen Fragen, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen Vier-Phasen-Plan und dem „Masterplan Salzreduzierung“ ergeben, nichts gesagt. Sie hat keine Bemerkung zur Frage der Nachkalibrierung beim 3-D-Modell und zu den dabei entstehenden Komplikationen gemacht.

Ich will es offen sagen: Man muss zumindest akzeptieren, dass wir fachlich ein paar Bemerkungen dazu machen. Dass es Ihnen als Regierungschef nicht passt, dass es Leute in diesem Hause gibt, die Ihnen nicht nur zujubeln, das werden Sie ertragen müssen, so wie wir solche Erklärungen ertragen müssen wie die, die Sie eben gegeben haben.

(Beifall bei der SPD)

Damit will ich zwei kurze abschließende Bemerkungen machen. Ich teile Ihre Bemerkung zur Auseinandersetzung mit Niedersachsen. Wir haben das in zwei gemeinsamen Präsidiumsklausuren mit der niedersächsischen SPD rauf und runter diskutiert. Eine mit Freude erfüllende Diskussion sieht anders aus. Trotzdem bringe ich den Standpunkt

unseres Landes, unserer Partei in diese Debatten ein, weil es nichts hilft, da wegzutauchen. Es ist nicht einfach. Manche Positionen verstehe ich nicht, schon gar nicht zu industriepolitischen Fragen, die sich im eigenen Land stellen.

Ich will allerdings auch etwas zur Überraschtheit der Unionsreihen sagen. Der Kollege Warnecke hat im Dezember letzten Jahres in der Debatte hier gesagt: Wenn Sie das so machen, wird es am Ende zu Produktionsstilllegungen kommen.