Auch hierzu liegen der Landesregierung anscheinend „keine entsprechenden Erkenntnisse“ vor; so heißt es jedenfalls in der Antwort. Gerade nach Verabschiedung des Maßregelvollzugsgesetzes wäre es aber wichtig, solche Statistiken einzuführen; denn schließlich werden Zwangsmedikationen dokumentiert. Statistiken wären wichtig, um tatsächlich gewährleisten zu können, dass die Zwangsmedikationen uneingeschränkt das letzte Mittel der Wahl sind und bleiben.
Meine Damen und Herren, der Vollzug der freiheitsentziehenden Maßnahmen, der Besserung und Sicherung, bewegt sich in einem komplexen und sensiblen Spannungsfeld von rechtlichen wie medizinisch-therapeutischen Anforderungen. Aus diesen Forderungen und deren gesetzeskonformer Umsetzung unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erschließt sich die Notwendigkeit einer Dokumentationspflicht aller patientenbezogenen Maßnahmen. Ebenso rücken verstärkt Fragen zur Qualität, zur Effektivität und Effizienz des Systems Maßregelvollzug in den Vordergrund, die nur auf der Grundlage einer solchen Dokumentation beantwortet werden können.
Diese Dokumentation aber scheint der Hessischen Landesregierung nicht bekannt zu sein. Das ist bedauerlich. Andere Landesregierungen haben hierauf schon längst reagiert. Ich möchte nur ein Bundesland herausgreifen, nämlich Sachsen. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales hat 2000 mit der Projektstelle „Entwicklung und Umsetzung eines standardisierten, patientenbezogenen, elektronisch unterstützten Dokumentations- und Kommunikationssystems für den Maßregelvollzug“ die Fragen zur Qualität, Effektivität und Effizienz des Maßregelvollzugs aufgegriffen, um eine gute und angemessene Dokumentation gewährleisten zu können.
Meine Damen und Herren, Dokumentation trägt schließlich auch zur Qualitätssicherung bei, und man kann daraus Handlungsempfehlungen ableiten. Ich würde mir auch in Hessen mehr Informationen bzw. Statistiken wünschen; denn das würde das erst kürzlich novellierte Maßregelvollzugsgesetz und seine Umsetzung in die Praxis noch transparenter machen
und die Rahmenbedingungen für die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Stärkung der Rechtsstellung psychisch Kranker oder behinderter Personen besser operationalisieren.
Transparenz ist wichtig. Ich möchte noch einmal „Einer flog über das Kuckucksnest“ in Erinnerung bringen und an die Orientierung am individuellen Hilfebedarf der psychisch Kranken appellieren. Transparenz hilft nämlich auch, zu zeigen, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, und hilft zudem, Vorurteile zu solchen Missbrauchsvorwürfen zu negieren.
Unbestritten ist, Frau Klaff-Isselmann – die mir gerade nicht zuhört –: Die Einrichtungen arbeiten transparent; denn sie dokumentieren ja. Aber da habe ich die Frage an den Minister: Wenn die Transparenz durch die Dokumentation doch gegeben ist, warum bekommen wir dann keine Antworten auf so eine Anfrage?
Da die Beantwortung der Fragen nicht sehr ergiebig ist, möchte ich lediglich noch einmal auf den Fragenkomplex der Verweildauer unter Punkt IV eingehen. Die Verweildauer der Untergebrachten zeigt ein differenziertes Bild. Zwischen zwei und vier Jahre durchlaufen die meisten Fälle eine Behandlung. Es gibt aber auch Patienten, deren Behandlung fünf bis zehn, über zehn oder auch über 20 Jahre dauert.
Die Beantwortung der Großen Anfrage gibt leider keinen Aufschluss darüber, wie erfolgreich die Behandlung im Maßregelvollzug tatsächlich ist und wie die Resozialisierung gelingt oder ob Rückfälle zu verzeichnen sind. Dies zu eruieren fände ich aber sehr spannend, um gerade Maßnahmen für die Zeit nach der Unterbringung zu bewerten und gegebenenfalls den Bedarfen anzupassen.
Ich empfehle sehr die Dissertation von Herrn Hartl. Er hat Menschen, die von der stationären in eine ambulante Betreuung überführt wurden, begleitet. Er zeigt auf, dass die Situation von ehemaligen §-63-Patienten sehr von Unterstützungsmaßnahmen geprägt ist. Das Rückfallrisiko für alle Straftaten liegt in seiner vorgelegten Studie zwischen 6,3 und 12,4 %, was sehr genau den Ergebnissen entspricht, die auch Bezzel 2008 veröffentlichte. Jehle at al. berichten 2003 im Vergleich dazu von 18,4 % rückfälligen §-63-Patienten nach einem vierjährigen Beobachtungszeitraum. Das offenbart, wie wichtig auch nach der Entlassung aus dem psychiatrischen Krankenhaus die Begleitung, Betreuung und die Hilfen, also ein gutes psychiatrisches Netzwerk, sind. Ich hoffe, dieses werden wir in Hessen unter anderem auch durch das PsychKG optimieren können.
Für die §-63-Probanden ergeben sich zwei variable prädiktive Zusammenhänge. Wenn die Straftaten ausgewertet werden, die über den Gesamtzeitraum im Bundeszentralregister zu jedem entlassenen Patienten vermerkt sind, erweist sich die Weisung, an einer ambulanten Nachsorgemaßnahme teilzunehmen, oder die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung als positiv prädiktiv.
Meine Damen und Herren, es gibt das Bundeszentralregister; dort sind solche Daten verzeichnet. Regionalisierte Daten könnten uns in Hessen helfen, psychisch kranken Menschen noch besser zu helfen. Es gibt die Dokumentation. Diese kann man nutzen, wenn man nur will. Mehr Transparenz, Daten und Optimierung, wenn benötigt, das wünsche ich mir. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Maßregelvollzugsgesetz ist im letzten Jahr novelliert worden. Es war ein gutes Gesetz, es ist durch die Novellierung noch besser geworden. Viele Fragen, die eben angesprochen worden sind, sind durch die Antworten auf die Große Anfrage beantwortet. Warum das Maßregelvollzugsgesetz ein besonders gutes Gesetz ist, können Sie meiner Rede entnehmen, die ich zu Protokoll gebe.
Die Aussprache ist beendet, da keiner mehr das Wort ergreifen will. Ich stelle fest, dass die Große Anfrage damit besprochen ist.
Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Zusammenschluss der Deutschen Börse und der London Stock Exchange weiter ordnungsgemäß prüfen – Landesregierung muss Vorfestlegungen vermeiden – Drucks. 19/3789 –
Dazu eingegangen ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Finanzplatz Frankfurt dauerhaft stärken, Drucks. 19/3795. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 49 und wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 48 aufgerufen:
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Finanzplatz Frankfurt dauerhaft stärken – Drucks. 19/ 3795 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! An die Kollegen geht mein Dank dafür, dass wir diesen Punkt noch auf die Tagesordnung setzen konnten. Ich glaube, es ist im Interesse aller Fraktionen im Hessischen Landtag, dass wir die Position des Parlaments des Landes Hessen zu der Frage, was mit unserer Börse passiert, klarmachen.
Der Zusammenschluss der London Stock Exchange mit dem, was wir in Frankfurt als einen der wahrscheinlich wichtigsten Teile der Deutschen Börse im Rahmen der Finanzplatzarchitektur haben, ist ein Thema, das alle Kolleginnen und Kollegen bewegt. Ich will daran erinnern – das sage ich sehr lobend –: Michael Boddenberg, Kollege Klose für die GRÜNEN, Thorsten Schäfer-Gümbel für die Linkspartei – –
Ich entschuldige mich offiziell bei Herrn Kollegen Schäfer-Gümbel, der für die SPD dort war, und bei Frau Kollegin Wissler, die DIE LINKE vertreten hat. In dieser Reihenfolge ist es richtig.
Wir haben gemeinsam in einer Fernsehsendung des Hessischen Rundfunks gesessen und über das Thema „Was passiert mit unserer Börse?“ diskutiert. Eine solche Runde habe ich selten gesehen. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer war die Sendung vielleicht beinahe langweilig; denn wir alle waren der Auffassung, dass es neben der juristischen Prüfung durch den hessischen Börsenminister, den Kollegen Al-Wazir, der die Börsenaufsicht in seinem Haus beherbergt, auch um die politische Frage geht, wo der Sitz der Deutschen Börse ist. Darin waren wir alle, Kollege Schäfer-Gümbel, Kollege Klose, Frau Wissler, Herr Boddenberg und ich, uns einig: Wir hätten es gern – auch wenn es rechtlich möglich wäre, dass sie abwandert; das wird geprüft –, dass die Börse in Frankfurt bleibt.
Wir sind der festen Überzeugung, dass mit dem Hauptsitz in Frankfurt – dieser Schlüsselposition; ich will jetzt keine Diskussion über Frankfurt-Höchst und andere Themen aufmachen – auch die Fortentwicklung eines der wichtigsten Instrumente des Finanzplatzes, nämlich der Börse, gewährleistet wird. Ich sage das auch gerade vor dem Hintergrund, dass es, wie sich zurzeit in den Diskussionen über die Deutsche Bank und die Commerzbank zeigt, wahrscheinlich wichtiger denn je ist, dass sich die Deutsche Börse am Standort Frankfurt befindet.
Ich glaube, es ist unbestritten, dass die Diskussion durch den Brexit noch einmal einen gewissen Drive bekommen hat. Dass die Erklärung der Börse – „Jetzt erst recht“ – für viele etwas überraschend kam, stelle ich hier ebenfalls in den Raum. Aber das ist das nicht das Thema, über das wir heute ausschließlich diskutieren müssen.
Ich habe die Meldung in dieser Woche gelesen. Offen gesagt – ich kenne den Finanzminister; diese Woche ist seine gute Pressearbeit schon mehrfach gelobt worden, das ist auch völlig in Ordnung –, die Formulierung, die Thomas Schäfer in einem Bloomberg-Interview verwendet hat, ist auf jeden Fall missverständlich. Sie hat dann durch einen sehr weitgehenden Kommentar in der „Börsen-Zeitung“ eine gewisse Geschwindigkeit bekommen, mit der sie durch die Medien gegangen ist. Ich kann jetzt nicht sagen, ob das so zu interpretieren ist. Unter der Überschrift „Kehrtwende in Hessen?“ steht:
Doch nun signalisiert Hessens Finanzminister Thomas Schäfer, dass der Holdingsitz für die Genehmigung nicht entscheidend sei.
Ich glaube, dass die rechtliche und die politische Debatte hier zusammengehören. Entweder hat Kollege Schäfer es so gesagt und so gemeint – das ist die erste Variante –, oder er ist von den Kollegen von Bloomberg und vor allem dann von den Kollegen vom „Handelsblatt“ völlig falsch zitiert worden. Wenn das so wäre, fände ich es richtig, wenn wir das heute ausräumten,
gerade in einer Zeit, in der die Vertreter und Vertreterinnen der Börse und die der vielen Institutionen, die von der Börse beauftragt sind, überall unterwegs sind. Ich glaube, es ist wichtig, dass das Signal, das wir aus Hessen senden – sowohl von der Exekutive als auch vom Parlament –, ein einheitliches ist. Es ist richtig, dass wir das heute klarstellen. Ich wäre jedenfalls dankbar dafür.
Ich kann dem Antrag der Regierungsfraktionen nichts Negatives entnehmen. Ich hätte mir aber gewünscht, in der politischen Formulierung wäre er etwas klarer.
Deswegen will ich abschließend sagen: Wir Freien Demokraten sind weiterhin der festen Überzeugung – Kollege Schäfer-Gümbel und Kollege Klose haben das in der schon erwähnten Sendung genauso klar formuliert; ich habe die Zitate dabei –, dass der Hauptsitz der Börse in Frankfurt für die Fortentwicklung des Finanzplatzes auch in politischer Hinsicht eine Dimension hat, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Darum bitte ich heute.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen. Wir, die FDPFraktion, haben – abgesehen davon, dass wir bei Prof. Burgard, einem aus unserer Sicht extrem profilierten Börsenrechtler, ein Gutachten zu der Frage, wie der Sachverhalt rechtlich beurteilt werden soll, in Auftrag gegeben haben – einen Fragenkatalog an die Börse geschickt, nachdem Herr Kengeter als CEO gesagt hatte: Wenn Sie Fragen haben, fragen Sie. – Ich will nicht bestreiten, dass wir der Börse am 13. Juni 2016 einen sehr umfassenden Fragenkatalog – Herr van Ooyen, auch für Sie vielleicht – zugestellt haben. Bis heute haben wir keine Antwort erhalten.
Zu der Frage, wie man einen Dialog organisiert. Ich glaube, die Börse sollte ein Interesse daran haben, dass ein solcher Dialog nicht nur im Rahmen von Empfängen und Veranstaltungen stattfindet und mit den vielen Menschen, die für die Börse zurzeit Position beziehen und die auf einen zukommen und fragen: Warum seid ihr denn nicht dafür? – Vielmehr fände ich es richtig, wenn wir mit den Vertretern der Börse in eine inhaltliche Debatte eintreten könnten; denn wir können das nicht im luftleeren Raum entscheiden.
Zum Beispiel geht es um die Frage: Wie sieht die zukünftige Struktur aus? Welche rechtlichen Auswirkungen – Kollege Schäfer-Gümbel hatte das damals angesprochen – hat der Brexit auf die Regulierung? Das sind doch Fragen, deren Beantwortung für die Beurteilung eines solchen Sachverhalts notwendig ist.