Protokoll der Sitzung vom 15.09.2016

Meine Vorredner haben es schon deutlich gemacht: Die geschilderte Negativentwicklung kommt nicht von ungefähr.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Seit dem Jahr 2000 sind 44 Schwimmbäder geschlossen worden. Das konnte auch das kurzfristig aufgelegte Hallenbad-Sanierungsprogramm nicht verhindern. Die „hessenschau“-Umfrage hat gezeigt, dass viele Kinder keine Chance haben, im Rahmen des Schulsports das Schwimmen zu lernen. Ich bin dem Herrn Kollegen Greilich dankbar, dass er aufgeführt hat, was in den Rahmenrichtlinien für den Schulsport definiert ist. Ich würde Ihnen empfehlen, sich diese Rahmenrichtlinien einmal anzuschauen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Darin ist nämlich genau geregelt, dass Kinder am Ende der 4. Klasse die Anforderungen für den Erwerb des bronzenen Schwimmabzeichens, also des Freischwimmers, erfüllen können sollten und dass insbesondere in den Jahrgängen 5 und 6 flächendeckend Schwimmunterricht angeboten werden soll. Es ist nicht damit getan, dass eine Meldung an das Staatliche Schulamt oder an das Kultusministerium erfolgt, wenn dies nicht gewährleistet werden kann. Auch hier würde ich vom Kultusminister erwarten, dass er darauf drängt, dass insbesondere sein Kollege Finanzminister einen Beitrag leistet, damit die in diesen Rahmenrichtlinien genannten Anforderungen umgesetzt werden können.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Aus der Umfrage ist auch deutlich geworden: Gerade in ländlichen Regionen ist eine Entfernung von 25 km zum nächsten Hallenbad keine Seltenheit. Es darf aber nicht sein, dass auch das Schwimmenlernen vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Wenn man sich die aktuelle Bertelsmann

Studie zur Kinderarmut anschaut, dann wird einem klar, dass rund 20 % der Kinder, die in Armut aufwachsen und zum Teil aus Familien kommen, wo die Eltern selber nicht schwimmen können, wohl nicht in der Lage sind, in einem Spaßbad oder in einem teuren Schwimmkurs das Schwimmen zu lernen. Daher erwarte ich, dass Sie, die Sie in der Verantwortung stehen, dieser auch gerecht werden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es genügt nicht, wenn der Anspruch auf Erteilung von Schwimmunterricht allein auf dem Papier, in den Rahmenrichtlinien für den Sportunterricht, steht. Er muss auch umgesetzt werden.

Lieber Kollege Peter Beuth, wenn Sie schon die Opposition nicht ernst nehmen, täten Sie als Sportminister gut daran, unseren geschätzten ehemaligen Landtagskollegen und Präsidenten des Landessportbunds Dr. Müller ernst zu nehmen,

(Horst Klee (CDU): Der macht es sich zu einfach!)

der der Landesregierung massive Versäumnisse beim Erhalt von Schwimmbädern vorwirft und kritisiert, dass billigend in Kauf genommen wird, dass Hessen zu einem Land der Nichtschwimmer wird. Ich bin der Auffassung, dass Herr Dr. Müller das Handeln der schwarz-grünen Landesregierung bei der Finanzierung der Städte und Gemeinden zu Recht kritisiert. Diese Landesregierung hat leider versäumt, bei der Reform des KFA den Kommunen mit Schwimmbädern oder den Kommunen, die im Rahmen von Zweckverbänden Schwimmbäder betreiben, einen Bonus zu gewähren.

Ich fordern Sie auf: Treten Sie an Ihren Kollegen, Herrn Finanzminister Dr. Schäfer, mit der Bitte heran, in den Haushalt 2017 ein sinnvolles Sportstättenprogramm oder wenigstens ein Schwimmbadsanierungsprogramm einzustellen, das es den Kommunen ermöglicht, nicht auch noch die Bäder schließen zu müssen, die es noch gibt. Es gibt einen erheblichen Renovierungsbedarf. Angesichts der Tatsache, dass die allgemeine Finanzdecke, wie wir gestern erfahren haben, hinten und vorne nicht reicht, geht Ihre Aussage, Herr Bauer, dass die Kommunen durchaus in der Lage seien, Schwimmbäder und Sportstätten zu finanzieren, an der Realität vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Es ist eine gute Tradition in diesem Hause, dass wir uns bei sportpolitischen Fragen stets weitgehend einig waren. Ich wünsche mir, dass wir zu dieser Einigkeit zurückkehren und gemeinsam mit dem Landessportbund eine Lösung finden, die es allen Kindern ermöglicht, das Schwimmen zu erlernen, und die Kommunen in die Lage versetzt, ihre Sportstätten zu renovieren bzw. zu erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hartmann. – Als Nächste spricht Frau Abg. Goldbach, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, über zwei Dinge sind wir uns einig: Erstens. Wir machen uns Sorgen, denn es gibt auch in Hessen tödliche Badeunfälle. Zweitens. Es können zu wenige Kinder schwimmen.

Ich möchte meinem Kollegen Greilich von der FDP-Fraktion recht geben – was ich selten tue –: Wir sollten über diese Dinge in Ruhe reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den tödlichen Badeunfällen: Wir hatten in Hessen in diesem Jahr 24 bis 30 derartige Unfälle – es werden da unterschiedliche Zahlen genannt. Aber eines ist klar: Es sind mindestens sechs Unfälle mehr als im Vorjahr.

Es lohnt sich aber, sich anzuschauen, wo Menschen beim Baden tödlich verunglückt sind und welcher Altersgruppe sie angehören. 14 Menschen sind in unbewachten Gewässern – Flüssen und Seen – ums Leben gekommen. Und: Es gibt einen Anstieg der Zahl der Verunglückten in der Altersgruppe der 50- bis 90-Jährigen. Das heißt, es funktioniert nicht, einen kausalen Zusammenhang zwischen den tödlichen Badeunfällen und der derzeitigen Situation beim Schulschwimmunterricht herzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Horst Klee (CDU): Genau so ist es!)

Zu den Kindern, die Nichtschwimmer sind: Es ist zutreffend, dass sich das Freizeitverhalten der Kinder im Vergleich zu früher geändert hat. Wir haben den ganzen Sommer im Schwimmbad verbracht, keine Frage; das ist bei der heutigen Jugend nicht mehr so. Schwimmen muss permanent trainiert, geübt werden. Es in einem fünfstündigen Kurs nur zu erlernen, reicht nicht. Das ist ein Problem. Das Problem liegt also im Freizeitverhalten der Kinder und im Verhalten der Eltern.

Trotzdem haben die Schulen den Anspruch, Schwimmunterricht zu erteilen und jedem Kind das Schwimmen beizubringen. Das steht so in den Lehrplänen. Wir haben schon gehört, dass nur dort geschwommen werden kann, wo ein Schwimmbad vorhanden ist. Das ist klar.

Zutreffend ist auch: Kommunen, die Schwimmbäder unterhalten, haben finanzielle Probleme. Dazu möchte ich jetzt kommen, denn darum geht es eigentlich. Es geht darum: Wer finanziert die Schwimmbäder, und wie funktioniert das ganze System?

Wir haben an der Stelle mehrere Probleme, zum einen den Umstand, dass die Eintrittsgelder nicht kostendeckend sind. Das sollen sie auch nicht sein, sonst könnte sich kaum ein Mensch leisten, ins Schwimmbad zu gehen – außer den Beziehern höherer Einkommen. Selbstverständlich darf der Eintritt ins Schwimmbad nur 2,50 € kosten, damit jedes Kind ins Schwimmbad gehen kann. Es ist in Ordnung, dass dadurch ein Defizit entsteht.

Die Entgelte der Schulträger – jetzt sind wir beim Schulsport – für die Nutzung der kommunalen, der gemeindli

chen Schwimmbäder sind ebenfalls nicht kostendeckend. Wären sie kostendeckend, würde der Schulträger die Kosten für die Nutzung der Bäder über die Schulumlage auf die kreisangehörigen Gemeinden umlegen, die ja vom Schulschwimmen ihrer Kinder profitieren. Das passiert im Moment nicht, und das ist ein Problem.

Es wäre schön, wenn sich auch die Gemeinden, die die Schwimmbäder in ihren Nachbargemeinden nutzen, an den Kosten beteiligen würden. Das ist oft nicht so. Das funktioniert zwar manchmal und teilweise auch in Zweckverbänden, aber längst nicht immer. Auch da könnte man noch viel in Sachen interkommunale Zusammenarbeit tun.

Warum sind die Defizite der einzelnen Schwimmbäder überhaupt so hoch? Ein paar Zahlen dazu. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen hat festgestellt: Bei den Hallenbädern liegen die Defizite – je nach Größe – zwischen 400.000 € und 1 Million € pro Jahr. Bei den Freibädern sind es etwa 240.000 € pro Jahr. Jetzt sage ich noch etwas, was die Gesellschaft nicht festgestellt hat: Bei einem Badebiotop liegt der Verlust bei 40.000 € – also einem Bruchteil der sonstigen Defizite.

Man kann zusammenfassen: Große Spaßbäder mit großen Flächen verursachen wesentlich höhere Defizite als reine Schwimmbäder, also Bäder, in denen es Schwimmerbecken gibt, Freibäder oder gar Badebiotope.

Wer trifft die Entscheidung, was für ein Bad gebaut wird? Das sind kommunale Entscheidungen. Die Kommunen entscheiden, ob sie ein Freizeitbad, ein Spaßbad, ein reines Schwimmerbad, ein Freibad, ein Kombibad oder – wie es z. B. die Stadt Ulrichstein getan hat – ein Badebiotop bauen, das einen Verlust von nur 40.000 € verursacht, der im Übrigen, auch das ist ganz interessant, durch Einnahmen aus Windkraftanlagen in Höhe von 556.000 € locker ausgeglichen werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Land Hessen unterstützt die Finanzierung durch die Zuweisung im KFA. Sport wird bei den Defiziten zu 100 % anerkannt. Weiterhin haben wir das KIP. Es gibt auch Kommunen in Hessen, die die Mittel aus dem KIP nutzen, um ihre Hallenbäder energetisch zu sanieren.

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Dazu kommt das Hallenbad-Investitionsprogramm, mit dem das Land Hessen 45 Millionen € in Hallenbäder und Schwimmbäder investiert hat. Genau das wird das Land Hessen weiter tun, nämlich die Kommunen dabei unterstützen, dass sie ihre Infrastruktur verbessern und so dauerhaft niedrigere Kosten haben, um ihre Bäder zu erhalten, instand zu halten und somit auch Schulsport zu ermöglichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach. – Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Beuth das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Frau Kollegin Goldbach sehr dankbar dafür, dass sie die Kausalitätsfrage einmal geradegerückt hat. In einer solchen Debatte von den bedauerlichen Toten bei Badeunfällen zu den kommunalen Schwimmbädern hinzukommen, finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen unpassend.

(Horst Klee (CDU): Sehr richtig!)

Aber das ist meine Einschätzung. Ich bin dankbar, dass Frau Kollegin Goldbach das offensichtlich auch so sieht.

Meine Damen und Herren, wir haben in Hessen eine hinreichende Anzahl an Schwimmbädern, damit hier alle Kinder schwimmen lernen können. Darüber können wir uns sehr schnell einig werden.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nicht überall!)

Wir haben in Hessen eine hinreichende Anzahl an Schwimmbädern, damit alle schwimmen lernen können. Das dürfte unstreitig sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): In welcher Entfernung von der Schule?)

Die Frage ist nicht, ob wir hinreichend Wasserfläche haben, sondern wie das Ganze in unserem Land organisiert wird. Da sage ich, und da bin ganz beim Kollegen Bauer: Das ist eine gesellschaftliche Frage, die alle angeht, nicht nur den Staat, nicht nur die Schule, sondern in allererster Linie ist es Verantwortung und Aufgabe der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder schwimmen lernen. Dazu kann es doch keine zwei Meinungen geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das kann der Kultusminister sagen, aber nicht der Innenminister! – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Die Schulen haben auch einen entsprechenden Auftrag. Auch das ist richtig, die Schulen haben auch einen entsprechenden Auftrag. Die Förderung des Schwimmsports hat in den hessischen Schulen eine besondere Bedeutung. Der Schwimmunterricht ist an hessischen Schulen flächendeckend vorgesehen. Schülerinnen und Schüler erhalten während ihrer Schulzeit vier bis fünf Schulstunden Schwimmunterricht.