Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn Ihr Vorschlag?)

Das ist keine Evolution, das ist Stagnation, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will vorab auch noch etwas zum Verfahren sagen, denn das finde ich schon ein bisschen merkwürdig: Wir wissen, das Kultusministerium arbeitet über ein Jahr lang an diesem Gesetzentwurf. Es war nach dem Bildungsgipfel sogar angekündigt worden, dass die Landesregierung hieraus dann ihre Conclusio ziehen würde. Auf Nachfrage im Ausschuss hieß es, die Landesregierung lege einen Gesetzentwurf vor. Aber jetzt ist es plötzlich ein Fraktionsgesetz. Es ist ein Fraktionsgesetz, weil offenbar Zeitdruck herrscht, da Sie sich nicht einigen konnten.

(Timon Gremmels (SPD): Ja!)

Herr Kollege Wagner, Sie haben über Respekt geredet. Es ist kein Respekt vor dem Parlament,

(Beifall bei der SPD)

wenn man hier Zeitdruck aufbaut und eine Woche vor der ersten Lesung einen Gesetzentwurf mit über 115 Änderungen vorlegt.

(Beifall bei der SPD)

Das ist übrigens auch kein Respekt vor den Verbänden und Akteuren, die sich hierzu einbringen, auch außerhalb des Parlaments, wenn Sie diese umgehen, indem es keinen Regierungsentwurf und keine Regierungsanhörung gibt.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie werden doch angehört!)

Das ist sicherlich nicht der neue Stil.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wenn man dann nach einer Synopse fragt, weil man das gern besser nachvollziehen möchte, hört man, dass nicht einmal die Regierungsfraktionen hierzu eine Synopse haben.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

So ernsthaft können Sie sich damit also gar nicht beschäftigt haben.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Kommen wir jetzt zum Inhaltlichen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre schön!)

Herr Wagner, die GRÜNEN kommen in diesem Entwurf gar nicht vor. Sie haben selbst gesagt, dass Sie eigentlich alles, was in den letzten Jahren von Schwarz und Gelb gemacht wurde, akzeptieren. Also fallen die GRÜNEN hier leider aus.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Das Einzige, was Sie vielleicht noch erreicht haben, ist, dass an diesem Schulgesetz nicht allzu viel kaputt gemacht wird. Das ist dann aber auch schon alles.

Kommen wir zu den konkreten Punkten.

Die Hauptschule. Es wurde vielfach gefeiert: Endlich tut sich etwas in Hessen, die Hauptschule wird abgeschafft. – Schauen wir uns das einmal genau an.

Es dürfen keine neuen Hauptschulen gegründet werden. Wer kennt jemanden, der vorhat, eine neue Hauptschule zu gründen? – Ich glaube, niemand wollte eine neue Hauptschule gründen.

Dann kommen wir zu der Frage, was mit den Schulen ist, die es gibt. Es gibt eine reine Hauptschule, da muss sich der Schulträger Wiesbaden überlegen, wie er künftig damit umgehen wird.

Meine Damen und Herren, was Sie aber allen verschweigen, ist, dass wir im Land noch 27 Grund- und Hauptschulen haben. Das sind Schulen, auf denen vier Jahre Grundschulunterricht angeboten wird, und die Kids danach auf die Hauptschule weitergehen. Das sind faktisch eigenständige Hauptschulen mit einem Unterbau. In der weiterführenden Schule ist es ein einzelner Strang. Diese 27 Schulen dürfen weiter bestehen. Damit fällt an dieser Stelle der Fortschritt in Hessen aus.

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wollen Sie diese Schulen schließen? – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollen Sie diese Schule abschaffen? Dann sagen Sie es doch! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dann kommen wir zum Prinzip der Binnendifferenzierung. Die Schulen sagen, dass sie das alles schon längst machen. So viel Neues ist das also mit der Binnendifferenzierung nicht. Wenn man sich die Relation anschaut, wie viele integrierte Gesamtschulen das betrifft, ist das auch ein bisschen schade. Im grünen Wahlprogramm stand, man wolle die Hälfte aller Schulen in Hessen ermutigen, sich zu neuen Schulen weiterzuentwickeln. Eine grün geführte Landesregierung in Baden-Württemberg hat es vorgemacht. Da gab es seit 2012/2013 an 42 Standorten Gemeinschaftsschulen, die binnendifferenziert unterrichten. Inzwischen sind es über 300 Schulen. Meine Damen und Herren, das ist in Baden-Württemberg ein wirklicher Fortschritt gewesen. Grün setzt sich in Hessen nicht durch.

(Beifall bei der SPD)

Zu den inklusiven Schulbündnissen hat Frau Kollegin Cárdenas schon etwas gesagt. Inklusion heißt, die Kinder, die Jugendlichen besuchen die Regelschule in der Nachbarschaft vor Ort und nicht irgendwelche Schwerpunktschulen irgendwo im Landkreis. Im hinteren Teil Ihres Gesetzentwurfs steht, dass diese inklusiven Schulbündnisse spätestens bis zum Schuljahr 2019/2020 zu realisieren sind. Das ist nach der Landtagswahl. Das bedeutet, die GRÜNEN lassen sich auch hier wieder an der Nase herumführen und wissen genau, dass jemand darauf pokert, dass sich Mehrheiten ändern und man möglicherweise daran vorbeikommt.

Herr Wagner, zum Ressourcenvorbehalt. In der Tat haben Sie den ehemaligen Passus zum Ressourcenvorbehalt herausgestrichen. In § 52 Abs. 3 steht dafür neu:

Sie [die Beratungs- und Förderzentren] stellen den allgemeinen Schulen Förderschullehrkräfte für den inklusiven Unterricht im Rahmen des Stellenkontingents zur Verfügung.

Wenn das kein Ressourcenvorbehalt ist, was ist es dann?

(Beifall bei der SPD – Armin Schwarz (CDU): Wie denn sonst?)

Später führen Sie aus:

Kann … die … Förderung … nicht ausreichend erfolgen, bestimmt die Schulaufsichtsbehörde …, an welcher … Schule oder Förderschule die Beschulung erfolgt.

Meine Damen und Herren, das ist keine Wahlfreiheit. Das hat auch nichts mit dem Respekt vor dem Elternwillen zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Dazu kommt der hier schon vielfach angesprochene Lehrermangel gerade bei den Förderschullehrern. Wo keine Lehrer sind, können Sie auch keine Inklusion ausbauen und keine neuen Lehrer einstellen. Da hilft jeder Stellenaufwuchs gar nichts.

Dann zum Punkt Ganztag. Ich habe immer noch nicht verstanden, was daran neu sein soll. Sie haben ein paar gute Sätze, die schon in der Ganztagsschulrichtlinie stehen, in das Schulgesetz übertragen. Da kann man sagen: Das bringt dem Ganzen eine höhere Wertigkeit. – Sie bringen damit die Entwicklung der Ganztagsschulen allerdings keinen Schritt voran. Die entscheidet sich einzig und allein an den Stellen, die es in den nächsten Jahren dafür geben wird.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Schlimme ist, Sie überführen nicht nur die Ganztagsschulrichtlinie, Sie nehmen auch noch den Pakt für den Nachmittag mit in das Schulgesetz auf. Der Pakt für den Nachmittag ist im Schulgesetz völlig fehl am Platz. Das ist nämlich Betreuung und hat mit Schule nichts zu tun. Dementsprechend hat das mit dem Schulgesetz nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Allein, dass Sie mit dem Pakt das Schulgeld durch die Hintertür einführen, müsste Ihnen eigentlich deutlich machen, dass das hier nicht hingehört und an dieser Stelle falsch ist.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich will zum Ende noch etwas Positives sagen. Natürlich ist es gut, dass Sie die eigenständigen gymnasialen Oberstufenschulen verankern. Das haben wir im letzten Jahr schon vorgeschlagen. Hier rennt die Regierung der Opposition hinterher.

(Beifall bei der SPD)

Genauso verhält es sich bei den Schulinspektionen. Wer war es denn, der die letzten zwei Jahre beantragt hat, die Schulinspektionen zu streichen und in etwas anderes zu überführen? – Das war die Opposition.

Wer hat im letzten Wahlkampf massiv gefordert: „Wir brauchen Produktionsschulen und müssen die verankern“? – Das war die Opposition. – Jetzt rennen Sie uns auch in diesem Punkt hinterher.

Schön ist immer noch, dass nach drei Gesetzen zur Qualitätssicherung an hessischen Schulen von der CDU auch endlich einmal die Qualitätssicherung im Schulgesetz vorkommt. Das ist endlich ein Fortschritt.