Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrte Kollegen der FDP, ich wüsste wirklich einmal gerne, was Ihre Alternative ist. Sie ignorieren die Gerichtsurteile. Sie ignorieren, dass unsere Handlungsspielräume immer mehr eingeschränkt werden. Es steht ein generelles Fahrverbot für Dieselfahrzeuge im Raum. Das kann nicht in Ihrem Sinn sein. Die blaue Plakette ist das mildere Mittel. Sie bietet eine Chance, dass wir dem begegnen können.

Wir wissen, dass bei diesem Thema natürlich die Art und Weise der Umsetzung ganz entscheidend ist. Wir haben mit den Umweltzonen eine Menge Erfahrungen gesammelt. Bei den vorherigen Stufen der Umweltzonen war immer entscheidend: Es muss eine Übergangsfrist geben, damit man sich darauf einstellen kann. – Wir reden hier also von einer Einführung frühestens im Jahr 2020. In dem Antrag des Verkehrsministers, den Sie genannt haben, ist davon die Rede, dass 80 % der Pkw die Anforderungen erfüllen müssen. Auch das sollten Sie vielleicht einmal der Wahrheit halber dazusagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Zweitens geht es um die Ausnahmeregelungen. Es gibt schon jetzt bei den Umweltzonen für bestimmte Personengruppen und für bestimmte Fahrzeugtypen bundesweit Ausnahmeregelungen. Das betrifft beispielsweise Krankenwagen, verschiedene Arbeitsfahrzeuge usw. Es gibt noch einmal eigene hessische Ausnahmeregelungen. Natürlich muss man so etwas auch für die blaue Plakette definieren. Das heißt, wir arbeiten an Lösungen. Wir wollen wirksame Lösungen haben.

Eine Sache möchte ich betonen: Wir brauchen dazu den Bund. – Das ist ein bisschen absurd. Das Land zahlt am Ende. Es hat am Ende die Zwangszahlungen zu leisten, wenn es so weitergeht.

Frau Kollegin Dorn, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Wir haben kaum eigene Möglichkeiten. Da muss der Bund seine Verantwortung wahrnehmen und uns Möglichkeiten an die Hand geben. Wir werden den Bund da in die Pflicht nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Gremmels für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir nun zwei Vertreter der Partikularinteressen gehört haben – der der FDP hatte ausschließlich die Ökonomie im Blick, die der GRÜNEN hatte ausschließlich die Umwelt und die Ökologie im Blick –, spricht jetzt jemand, der das vereint. Wir, die Sozialdemokratie, stehen für einen Ausgleich von Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Über Jahrzehnte stehen wir dafür glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das, was wir erlebt haben, war wieder ein klassisches Spiel, das Politikverdrossenheit bei den Menschen erweckt. Herr Bouffier hat sich hingestellt und gesagt, er kämpfe gegen die blaue Plakette. Dann hat er seinem Koalitionspartner das Zugeständnis gemacht, im Bundesrat für die blaue Plakette zu stimmen, weil er wusste, dass es dafür keine Mehrheit geben wird. Es ist ein abgekartetes, billiges Spiel, das Sie betrieben haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Wo haben Sie denn das gelesen?)

Aber die GRÜNEN sind kein Stück besser. Es gab einen zweiten Bundesratsbeschluss.

(Michael Boddenberg (CDU): Waren Sie bei der Bundesratsabstimmung dabei?)

Er stammt vom 23. September 2016. Es ist doch so, dass wir bis 2030 abgasfreie Pkw, also Elektrofahrzeuge, auf den Weg bringen wollen.

Übrigens hat bei diesem Beschluss des Bundesrates Hessen nicht mitgestimmt, wenn man der Berichterstattung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Glauben schenken darf. Auch die GRÜNEN spielen hier ein doppeltes Spiel. Das muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wir, die Mitglieder der SPD, haben das Thema schon mit einer Kleinen Anfrage vor drei Monaten besetzt. Seitdem ist in der Tat klar, dass die Abgaswerte hinsichtlich des Stickstoffdioxids an vielen Stellen in Hessen überschritten werden. Übrigens wurde der höchste Wert in Limburg gemessen. Da gibt es den höchsten Wert.

Herr Al-Wazir, Sie sind doch der Verkehrsminister. Warum sorgen Sie denn nicht dafür, dass die Ortsumfahrung von Limburg endlich einmal zügig ausgebaut wird? Denn es wäre das Beste für die Menschen in Limburg, wenn die Lkw um Limburg herumfahren würden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. René Rock (FDP))

Da haben Sie es doch in der Hand.

Übrigens, das ist doch eine einmalige Chance. Wir haben zum ersten Mal eine grüne Umweltministerin und einen grünen Verkehrsminister. Es wäre doch wirklich ein tolles Zeichen, wenn Sie die Verkehrswende mutig voranbringen würden. In keinem anderen Land gibt es eine grüne Umweltministerin und einen grünen Verkehrsminister. Still ruht der See. Sie machen da doch überhaupt nichts. Da läuft überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD)

Man sagt, man wolle die Zahl der Dieselfahrzeuge zurückführen, und man wolle die Euro-6-Norm im eigenen Fuhrpark umsetzen. Schauen Sie sich doch einmal den Fuhrpark des Landes Hessen an. 25 % der Fahrzeuge des Landes Hessen erreichen die Euro-6-Norm. Es sind 25 %. Das heißt, 75 % tun das eben nicht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das ernsthaft meinen, sollten Sie mit gutem Beispiel vorangehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man möchte, dass das Handwerk und der Mittelstand umrüsten, muss man entsprechende Förderprogramme auf den Weg bringen. Man kann nicht nur verbieten, sondern man muss auch fördern. Es ist doch wirklich lachhaft – –

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, das zeigt, wie ernst Sie das Thema nehmen. – Herr Al-Wazir, 800.000 € zur Förderung der Elektromobilität sind doch einfach zu wenig, um die Verkehrswende in Hessen voranzubringen. Da muss deutlich mehr gemacht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Bod- denberg (CDU): Wie viel hätten Sie denn gern?)

Herr Boddenberg, Sie dürfen das Handwerk doch nicht im Regen stehen lassen. Das gilt gerade für Sie als Metzgermeister. Fragen Sie doch einfach einmal Ihre Kollegen, wie das mit dem Fuhrpark ist. Da haben nicht alle geleaste Fahrzeuge. Nicht alle können alle zwei Jahre ihr Fahrzeug austauschen.

Ich kenne Handwerksmeister, die aus wirtschaftlichen Gründen zehn Jahre lang auf ihr Fahrzeug angewiesen sind. Sie genießen Vertrauensschutz. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie ihre Fahrzeuge auch weiterhin nutzen können.

Ich habe einmal gedacht, dass Sie einer Mittelstandspartei angehören und dass Sie sich dafür starkmachen. Herr Boddenberg, Sie fallen doch Ihren Handwerkskollegen in den Rücken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Um in der Metzgersprache zu bleiben, ist das dann ein Dolchstoß. Sie stehen mit dem Dolch – –

(Lachen bei der CDU)

Herr Kollege Gremmels, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Die CDU-Fraktion hat noch Redezeit. Sie können nachher noch etwas sagen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie es ernst meinen, sollten Sie mit gutem Vorbild vorangehen.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Auch das Handwerk braucht Planungssicherheit. Machen Sie sinnvolle Vorschläge. Fördern Sie die Elektromobilität ordentlich.

Ich sage Ihnen – auch als Abgeordneter, in dessen Wahlkreis der größte Autokonzern Volkswagen sein zweitgrößtes Werk hat – eines noch ziemlich deutlich: Herr Al-Wazir, setzen Sie sich doch dafür ein – das meine ich jetzt ganz ernst und deutlich –, dass die Elektromobilität weiter in Baunatal verbleibt und nicht nach Salzgitter abwandert. Ein Wirtschaftsminister muss für den Standort kämpfen, auch für den Standort Nordhessen und Baunatal. Ich erwarte von Ihnen Initiative. Das trägt mehr als so eine Pseudolösung wie die blaue Plakette. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erwarte das Engagement der Landesregierung. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Weil Pkw auf dem Papier und im Prüfstand zwar sauber geworden sind, in der Realität allerdings nicht, gibt es immer noch gesundheitsschädliche Stickstoffdioxidbelastungen. Das haben wir den Autoherstellern zu verdanken, denen die Gesundheit der Menschen gleichgültig war und die die Käufer von Dieselfahrzeugen betrogen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt bangen diese betrogenen Käufer und Käuferinnen um die Erlaubnis, in Städten mit hoher Stickstoffdioxidbelastung zu fahren. Eine blaue Plakette, wie sie die hessische Umweltministerin fordert, zieht die Betrogenen zur Verantwortung und lässt die wahren Verursacher ungeschoren davonkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gesetzwidrigen Grenzübertretungen waren seit Langem bekannt. Bundesbehörden haben weggeschaut. Die EU-Kommission wusste um das Problem. Auch die hessische Umweltministerin Priska Hinz wusste bereits lange vor Bekanntwerden des VW-Skandals, dass die Dieselautos die Grenzwerte nicht einhalten und die Euro-6-Norm durchschnittlich um das Siebenfache übersteigen – wie sie uns im August 2016 auf eine Kleine Anfrage antwortete. In Hessen sind Limburg, Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden die unrühmlichen Spitzenreiter. Gegen sechs weitere hessische Kommunen läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission. Ja, da muss etwas getan werden. Frau Dorn, da bin ich bei Ihnen.

Sie selbst haben 2009, als Sie noch die für die Luftreinheit zuständige Abgeordnete der GRÜNEN waren, den Umstand als Armutszeugnis bezeichnet, dass in Hessen die EU-Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Jetzt – sieben Jahre später, und die GRÜNEN sind unterdessen in der Regierungsverantwortung – frage ich: Was haben Sie zustande gebracht? Die schwarz-grüne Landesregierung verklagt VW – aber nicht dafür, dass deren Dieselfahrzeuge den Menschen in den Städten das Atmen schwermachen, weil sie die Grenzwerte nicht einhalten. Nein, das Land verklagt VW wegen der ca. 4 Millionen € hohen Verluste, die durch den Verfall des Aktienkurses entstanden sind. Die Klage wegen der 4 Millionen € ist sicher wichtig für die Pensionskassen. Darüber will ich nicht streiten. Der Skandal ist aber, dass Schwarz-Grün nicht VW wegen fortgesetzter Gesundheitsschädigung verklagt und versucht, auch andere Konzerne für diese Dinge mit haftbar zu machen.