(Alexander Bauer (CDU): Das sind ja detaillierte Fachkenntnisse! – Michael Boddenberg (CDU): Spielen Sie Poker?)
Man muss nicht spielen, um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, Herr Kollege Boddenberg. Ich weiß nicht, ob Sie alles ausprobieren, womit wir uns hier beschäftigen. Ich jedenfalls nicht.
Wieso man daran bei der Durchsicht des Innenhaushalts erinnert wird, will ich Ihnen auch gerne anhand einiger kurzer Beispiele erläutern. Der erste Punkt ist die Personalplanung, vor allem im Bereich der Sicherheitsbehörden. Das wurde ja heute schon mehrfach angesprochen.
Ich will einen anderen Aspekt hinzufügen: Rein numerisch – das ist deutlich – werden Staatsschutz und Verfassungsschutz personell und sachlich gestärkt: 20 zusätzliche Stellen beim Verfassungsschutz 2017 im Rahmen des Sicherheitspakets, ein umfangreiches Stellenhebungsprogramm und ein Stellenzuwachs bis Ende 2017 – unterm Strich um etwa 30 % insgesamt –, die Stärkung der Polizeikräfte um 480 zusätzliche Stellen, davon 200 für den Staatsschutz, 250 im Vollzugsdienst; und der jährlich vorgesehene Abbau von 29,5 Stellen, den wir hier mehrfach thematisiert haben, in der Polizeiverwaltung ist gestoppt worden. Unsere Kritik zeigt also Wirkung.
Aber wenn man einmal näher hinschaut – das ist unsere Aufgabe in den Haushaltsberatungen hier im Parlament –, dann wird deutlich, was schon unsere kürzlich beantwortete Kleine Anfrage gezeigt hat: Schon 2016 wurden alle Bewerber für den Vollzugsdienst eingestellt, die geeignet waren. Wo sollen denn die zusätzlichen geeigneten Bewerber herkommen? Ein anderes – Kollege Rudolph hat es schon angesprochen –: Während die Zufriedenheit der Absolventen 2014 noch bei deutlich über 80 % lag, ist die Zahl jetzt rapide auf nur noch 69 % gesunken.
Dazu kommt: Die Abbrecherquote, also der Anteil derer, die man erst einmal eingestellt hat, die dann aussteigen, steigt. Deswegen: Herr Innenminister, selbst wenn die zusätzlichen Anwärter akquiriert werden können, hat die Landesregierung in diesem Zusammenhang bei den Haushaltsberatungen bereits eingeräumt – wir haben dezidiert nachgefragt –, dass gar nicht die Kapazitäten vorhanden sind, um die Ausbildung zu gewährleisten; sowohl beim Lehrpersonal als auch bei den Räumlichkeiten muss noch gesucht werden.
Daher drängt sich die Frage auf, ob wir nicht eine echte Mogelpackung vor uns haben und die Landesregierung letztlich gar nicht vorhat, die mit Stolz vorgestellten Einstellungszahlen auch zu realisieren.
Ich will ein zweites Beispiel nennen: Grundsätzlich könnte man auch die Reduzierung der Arbeitszeit von 42 auf 41 Stunden als eine positive Richtungsentscheidung insbesondere für die Beamten verstehen. Aber bei näherem Hinschauen wird deutlich, was hier gespielt wird: Die 41-Stunden-Woche führt dazu, dass über 900 Stellen neu geschaffen werden müssen, ohne dass es zu irgendeiner Verbesserung bei der Arbeitsbelastung oder zu einer Entlastung der Mitarbeiter kommt – Kosten 2017: 20 Millionen €, ab dem Folgejahr jährlich 50 Millionen € plus die dadurch aufgehäuften weiteren Pensionslasten. Auf der anderen Seite der Packung steht, was Sie den Beamten wegnehmen. Das Lebensarbeitszeitkonto wächst nicht mehr auf.
Bei der Beihilfe haben Sie rund 20 Millionen € gekürzt, und die Besoldungsnullrunde 2015 mit der 1-%-Deckelung in den Folgejahren – auch das zahlen letztlich alles die Beamten. Das heißt, Sie lassen die Beamten das bezahlen, was Sie ihnen an angeblicher Wohltat besorgen.
Was dann dahinter steckt, wenn man es sich genauer anschaut, vor allem im grünen Bereich und in den grünen Zuständigkeiten, das hat Kollege Rentsch ja gestern schon einmal hier vorgetragen. Ich will es wiederholen, weil es in der Tat ein wichtiges Kennzeichen dieser Personalpolitik ist: Das Wirtschaftsministerium erhält von diesen Stellen zum Ausgleich der Wochenarbeitszeitverkürzung zwölf. Davon verschwinden sechs im Ministerium, sechs gehen in die nachgeordneten Behörden; also geht es offensichtlich nicht um die Entlastung der Beamten, die dann mehr arbeiten müssen. Oder, noch viel schlimmer, im Umweltministerium: Frau Kollegin Hinz, auch da kann man es nicht oft genug wiederholen. Angeblich wollen Sie ja den Ausgleich schaffen bei den nachgeordneten Behörden. Die 870 Mitarbeiter bei Hessen-Forst bekommen keine dieser Entlastungsstellen,
sondern es landet nach dem Haushaltsplan alles in Ihrem Ministerium. Wenn Sie es selbst nicht gelesen haben, will ich es Ihnen gerne noch einmal nennen, Frau Kollegin Hinz: eine B-2-Stelle, eine A 16, eine A 15, fünf A 13. Al
Frau Kollegin Hinz, das Zwischenrufen ist eigentlich eine parlamentarische und keine Regierungssitte. Aber lassen wir es einmal dabei.
Sie werden uns sicherlich noch erklären, was das alles für eine Entlastung für den Forstbeamten bringt, wenn bei Ihnen eine B-2-Stelle mehr im Ministerium besetzt wird.
Wir wollen daher im Gegenzug auf diese Mogelpackung verzichten. Wir wollen das verwenden zur Verbesserung der Strukturen im Haushalt insgesamt. Positive Auswirkungen unseres Vorschlags sind 20 Millionen € im Jahr 2017, in den Folgejahren jährlich rund 50 Millionen €, und wir sorgen mit unserem Vorschlag dafür, dass das Modell des Lebensarbeitszeitkontos fortgeführt werden kann. Das ist ein sinnvollerer Einsatz der Ressourcen.
Ich will einen dritten Punkt anführen, weil sich diese Regierung dort immer besonders lobt. Das ist die Extremismusbekämpfung.
Im Rahmen des Programms „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ werden Mittel in Höhe von insgesamt rund 3,8 Millionen € ausgewiesen. Insbesondere die Mittel für die Salafismusprävention wurden in den letzten Jahren richtigerweise auf mittlerweile 1,2 Millionen € erhöht. Aber wenn man näher hinsieht, Herr Minister: All das kam erst auf massiven Druck zustande. Die Haushaltsanträge zur Erhöhung der Mittel zur Salafismusbekämpfung haben wir schon 2014 gestellt.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 2010: abgelehnt! 2011: abgelehnt! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Dass man den Innenminister auch sonst häufiger beim Vorgehen in Sachen Salafismus, Herr Kollege Frömmrich, zum Jagen tragen musste, ist nicht nur schon mehrfach in diesem Hause besprochen worden, sondern lässt sich auch anhand der entsprechenden Initiativen meiner Fraktion belegen.
Ich will noch eines sagen. Die reine Erhöhung der Mittel, weil man sackweise Steuermehreinnahmen zur Verfügung hat, reicht nicht. Man muss auch Ergebnisse liefern. Wenn pünktlich zur Haushaltsberatung heute eine Aktion in Kassel stattfindet, ist das erfreulich. Ich will das durchaus abhaken. Aber solche Einzelaktionen reichen nicht aus. Was fehlt, ist ein geschlossenes Konzept zum Vorgehen.
Ich will nur darauf verweisen: Wir haben vorige Woche in diesem Saal die Anhörung zum Thema Linksextremismus durchgeführt. Wir haben dort festgestellt, dass diese Umtriebe radikaler Linker strukturell vernachlässigt werden. Das haben uns fast alle Sachverständigen dargelegt.
Herr Minister, wir haben das hier im Hause schon thematisiert, weil wir diesen Eindruck, der sich in der Anhörung bestätigt hat, schon anlässlich der Blockupy-Krawalle in Frankfurt haben mussten. Diese Landesregierung hat offensichtlich kein geschlossenes Konzept, sondern nur das Gießkannenprinzip. Ich habe eine gewisse Hoffnung –
Herr Kollege Bellino ist jetzt aus irgendeinem Grunde nicht da, aber ich darf ihn trotzdem zitieren – –
Da ist er ja, wunderbar. – Lieber Holger, du hast nach der Anhörung zum Linksextremismus in einer Presseerklärung erklärt, wir müssten genau überlegen, wie Linksextremismus auch präventiv noch besser bekämpft werden könnte. – Dem stimme ich hundertprozentig zu. Ich sage aber dazu: Wir müssen nicht nur überlegen, sondern wir müssen auch etwas tun. Deswegen haben wir Ihnen einen Antrag vorgelegt, schon im nächsten Haushalt einzusteigen mit einem zusätzlichen Posten für die Linksextremismusbekämpfung. Ich gehe davon aus, lieber Holger Bellino, dass die CDU-Fraktion diesem Antrag mit Jubel zustimmen wird, wenn sie denn das ernst meint, was erklärt wurde.
Mein vierter und letzter Punkt in diesem Zusammenhang bezieht sich auf die allgemeine Verwaltung. Der Innenhaushalt sieht fast 20 Millionen € für den Bereich Digitalisierung vor. Dazu kommen Investitionsausgaben für die Ausstattung der Polizei, für Schutzausrüstung, Ersatzbeschaffungen usw. Das ist alles richtig. Aber auch hier fehlen bei näherem Hinsehen die Ideen für die Zukunft in diesem Innenhaushalt völlig. Strukturen werden überhaupt nicht angegangen: die Polizeidienststellen, Organisationsstrukturen, Polizeiakademie, Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung. Nicht einmal die Arbeitsgruppe zur Neuordnung der Botendienste und Druckereien hat in über einem Jahr irgendwelche Ergebnisse gebracht, obwohl sie der Rechnungshof Jahr für Jahr anmahnt. Daher unser Kürzungsantrag in diesem Bereich, den Sie bereits aus vergangenen Jahren kennen. Ich bin gespannt, ob es irgendwann gelingt, dass diese Arbeitsgruppe einmal liefert.
Die großen Potenziale der Digitalisierung, um behördliche Abläufe schneller, einfacher und effizienter zu gestalten – –
Vielen Dank. Ich komme zum Ende. – Die Digitalisierung bietet erhebliche neue Möglichkeiten. Wir werden das noch an anderen Stellen thematisieren. Die Botschaft ist: Wir müssen unsere Kräfte hier bündeln. Wir müssen eine Innovationsoffensive im Lande Hessen starten. Ich hoffe, dass wir dort durchkommen. Das Geld haben wir Ihnen genannt.
Im Ergebnis wird es Sie nicht überraschen: Ihre Pläne bezüglich Personal und Arbeitszeit, bezüglich Extremismusbekämpfung sowie Digitalisierung oder auch Ausstattung der Sicherheitskräfte sehen gut aus. Aber bei näherem Hinsehen bleibt nicht viel davon übrig. Sie werden sich deshalb nicht wundern, wenn wir auch den Innenhaushalt ablehnen werden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hessen ist ein sicheres Land. Die Straftaten, die wir in unserem Lande haben, sind sehr deutlich zurückgegangen und sind in den letzten zwei oder drei Jahren stabil auf einem niedrigen Niveau. Wir haben eine Aufklärungsquote, die so hoch ist wie noch nie seit 1971, seitdem überhaupt die Polizeiliche Kriminalstatistik geführt wird.
Wir sehen im Vergleich mit den anderen Bundesländern, was die Kennzahlen angeht, sehr gut aus. Wir sind überall im vorderen Drittel.
Meine Damen und Herren, ich finde, wir können unseren tüchtigen Polizeivollzugsbeamten im Lande sehr dankbar sein, dass sie für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sorgen.
Wir haben diese Situation den Polizeivollzugsbeamten zu verdanken, aber natürlich auch den politischen Weichenstellungen, die dieses Haus vor allem mit dem Haushalt in jedem Jahr leistet. Von der Ausstattung über die Ausrüstung, über das Personal bis hin zum Rechtsrahmen hat dieser Landtag in den vergangenen 17 Jahren immer mit Mehrheit, aber immer unter Führung der Union, die richtigen Weichenstellungen für den Erfolg in der Sicherheitspolitik vorgenommen.
Wir haben in den vergangenen Wochen zwei größere Aktionen in zwei Kriminalitätsphänomenen gesehen, die uns besonders belasten. Das waren zum einen die bundesweiten Aktionen gegen die Osmanen – Rockermilieu, organisierte Kriminalität – und auf der anderen Seite das Verbot der „Lies!“-Aktion, der Koran-Verteilaktion.
Meine Damen und Herren, auch das Land Hessen hat damit deutlich gemacht: Der Rechtsstaat ist nicht wehrlos. Wir lassen uns in diesem Lande weder von Verbrechern noch von Fanatikern irgendetwas vormachen.