Meine Damen und Herren, alle Experten, auch die des BND, haben in der Anhörung darauf hingewiesen, dass grundrechtliche Anforderungen mit diesem Gesetzentwurf verfehlt werden.
Sie, Hessische Landesregierung, GRÜNE und CDU, sehen im Bundesrat keinerlei Einspruchsgründe. Mir, meiner Fraktion, den Bürgerrechtsorganisationen und allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich zu Recht über den NSASkandal aufgeregt haben, bleibt nur noch ein Kopfschütteln. – Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wilken. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Greilich von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute auf der Grundlage des Entschließungsantrags der Faktion DIE LINKE damit zu befassen, was eigentlich in diesem neu gefassten BND-Gesetz steht.
In der Tat ergeben sich auch für uns Freie Demokraten durch die durch den Bundestag bereits verabschiedeten Neuregelungen im Bereich des Auslands- und Bundesnachrichtendienstes erhebliche Fragen bezüglich des empfindlichen und oft auch schwer austarierbaren Spannungsverhältnisses zwischen den Freiheitsrechten einerseits und sicherheitspolitischen Erwägungen andererseits.
Dass es einer Überarbeitung der Regelungen für die Nachrichtendienste, die ein wesentlicher Teil unserer Sicherheitsarchitektur in Deutschland sind, bedurfte und stellenweise immer noch bedarf, haben wir nicht nur aus den Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes unter den Stichworten „Abhören unter Freunden“ und der Rolle der Sicherheitsbehörden beim NSA-Abhörskandal, sondern vor allem auch aus den Fehlern der Verfassungsschutzämter bei der NSU-Mordserie gelernt.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle gibt es durchaus Anlass für eine kleine Randbemerkung. Wir warten noch immer darauf, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen endlich ihre Hausaufgaben bezüglich der Novellierung des hessischen Verfassungsschutzgesetzes machen.
Noch immer wurde, nachdem Sie sich die Klatsche durch die Expertenkommission abgeholt haben, die – daran darf man nicht oft genug erinnern – den ersten Entwurf für untauglich und schlicht verfassungswidrig befunden und regelrecht zerrissen hat – –
Herr Kollege Frömmrich, Sie haben kein Gesetz vorgelegt, das diese Bedenken der Expertenkommission in verfassungsrechtlicher Hinsicht aushebelt. Ich warte darauf, dass Sie das endlich tun.
Wir haben Ihnen eine Zusammenarbeit angeboten; stattdessen kommt hier in der Sache nichts außer Zwischenrufen.
Dabei wäre es für dieses hessische Thema – das geht an die Kollegen der LINKEN – vielleicht besser gewesen, einen Setzpunkt zu wählen.
Dann hätten wir uns darüber ausführlich unterhalten können. Das sollten wir demnächst vielleicht einmal tun, wenn es nach wie vor bei der Untätigkeit der Koalition bleibt.
Aber nach diesem kleinen Exkurs zurück zum BND-Gesetz. Das, was die Große Koalition nun an Anpassungen für den Auslandsnachrichtendienst beschlossen hat, ist – gelinde gesagt – auch nicht das, was wir als Lehre aus den Vorkommnissen gezogen hätten. Gerade erst hat die Bundesdatenschutzbeauftragte, die im Übrigen – wenn ich richtig informiert bin – der Union angehört, festgestellt, dass der Bundesnachrichtendienst im Zuge des Abhörskandals auch die Rechtsposition Deutscher verletzt hat. Obwohl das alles noch nicht richtig aufgearbeitet ist, setzt sich die Große Koalition aus SPD und CDU darüber hinweg und macht mit der BND-Reform alles eher schlimmer.
Ich will ein paar Regelungen aufgreifen. So soll z. B. die Erhebung von Inhaltsdaten nur anhand bestimmter Suchbegriffe zulässig sein. Es heißt, die Verpflichtung der Telekommunikationsanbieter zur Mitwirkung bei der AuslandAusland-Aufklärung werde geregelt. Ich will das einmal übersetzen: Eine verdachtsunabhängige Massenüberwachung ist danach nicht mehr ausgeschlossen.
Frau Kollegin Beer, dies hat zuletzt beispielsweise auch der Internetknotenbetreiber DE-CIX zu Recht massiv kritisiert.
Der andere Punkt: Suchbegriffe, also die viel zitierten Selektoren, sind durch die Neuregelung nicht sonderlich stark eingegrenzt. Wir als Freie Demokraten fragen da schon einmal sehr deutlich nach: Worin soll denn der Nutzen liegen, im großen Stil Daten zu erheben, ohne dass es überhaupt die personellen und technischen Voraussetzungen gäbe, diese auch auszuwerten? – Das konnte uns bis heute noch keiner aus der Union, im Übrigen auch keiner von den Sozialdemokraten erklären. Das ist so ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Wir sammeln erst einmal, und wenn wir genug davon haben, können wir uns überlegen, ob wir auch etwas damit anfangen können.
Meine Damen und Herren, das ist nicht die einzige Regelung. Es gibt noch die Anordnungsbefugnis des Bundeskanzleramts, welche Telekommunikationsnetze bei der Ausland-Ausland-Aufklärung benutzt werden dürfen. Es wird auch die Schaffung eines unabhängigen Gremiums zur Überprüfung der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vorgesehen. Was verbirgt sich denn dahinter? Ich will es Ihnen auch übersetzen, damit Sie sich nicht hinter die Fichte führen lassen. Die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste wird faktisch untergraben. Das steckt dahinter: Statt über die Parlamentarische Kontrollkommissi
on nach dem G 10-Gesetz kontrolliert jetzt das Bundeskabinett quasi selbst durch ein von ihr benanntes Gremium. Das ist eine glasklare Entmachtung der hierfür eigentlich vorgesehenen G 10-Kommission.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, um letztlich die Kompetenzen des Bundesnachrichtendienstes nicht zu stark auszuweiten und damit Fehlverhalten und Rechtsüberschreitungen der Vergangenheit mehr oder minder nachträglich zu legitimieren, wäre es nötig gewesen, eine effektivere Überwachung von Verdächtigen zu gewährleisten, beispielsweise durch mehr Personal aufseiten der Nachrichtendienste, durch eine bessere Vernetzung der Dienste und durch ein EU-Terrorabwehrzentrum. Davon merken wir nichts.
Nun noch ein paar Worte zum Antrag der LINKEN. Auch wenn sich, wie Sie bei meinem Beitrag bemerkt haben dürften, gewisse Parallelen bei der Ablehnung des BNDGesetzes nicht leugnen lassen, so zeigt sich doch allein in Ihrem Antrag der elementare Unterschied zwischen uns. Wir als Freie Demokraten halten Nachrichtendienste – völlig unabhängig davon, ob das der Verfassungsschutz im Innenbereich oder der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst in anderen Bereichen sind – für ein unverzichtbares Instrument des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, gegen die Feinde der Freiheit vorzugehen.
Für ihre Tätigkeit brauchen diese Institutionen natürlich eine enge parlamentarische und verfassungsrechtliche Kontrolle. Sie dürfen sich nicht als Staat im Staate verselbstständigen.
Meine Damen und Herren von der Linkspartei, aus Ihrem Antrag spricht allerdings wie immer – alleine schon vom Duktus her – eine tiefe Ablehnung gegen unser System als Ganzes.
Trotz aller Verfehlungen, die es von Institutionen in diesen Bereichen in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben hat, und obwohl auch wir das BND-Gesetz in der Form, wie es verabschiedet worden ist, ablehnen, werden wir keinen Generalverdacht gegen die gesamte Sicherheitsarchitektur erheben, wie Sie es tun. Ich nenne nur dieses Zitat aus Punkt 5 Ihres Antrags:
Mit diesem BND-Gesetz wird die anlasslose und umfassende politische Spionage gegen Hilfsorganisationen, Presse, Regierungen in europäischen Ländern … ermöglicht.
Meine Damen und Herren, das ist genau dieser Duktus, den ich meine und der klarmacht, was Sie eigentlich wollen. Sie wollen an die Grundfesten dieser Ordnung. Da werden Sie uns als entschiedene Gegner und nicht als Unterstützer finden.
Auf der anderen Seite lassen wir uns nicht davon abbringen, deutlich zu sagen, dass die falschen Ansätze in diesem BND-Gesetz dazu führen, dass man dagegen kämpfen muss.
Es ist Sinn von Geheimdiensten, dass sie ihre Arbeit im Geheimen verrichten, sonst wären es keine Geheimdienste.
Das heißt aber noch lange nicht, dass sie frei von jeglicher Kontrolle operieren dürfen. Nicht ohne Grund – das sei in Erinnerung gerufen – haben uns Gutachter und Verfassungsrechtler bereits bei der Anhörung im Bundestag nachdrücklich gemahnt, dass eine Reform des Bundesnachrichtendienstes in dieser Form gegen das Grundgesetz verstößt. Leider verhallten diese Meinungen ungehört. Daher prüft die Bundespartei der Freien Demokraten derzeit eine Klage gegen dieses Gesetz.
Wir Freie Demokraten fordern nach wie vor klare Kompetenzen für den Bundesnachrichtendienst, die allerdings keinen Spielraum für anlasslose Massenüberwachungen bieten. Wir fordern eine umfangreiche parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und eine Stärkung der G 10-Kommission. Wir wollen vernünftige Verwertungsregeln bei der Auslandsaufklärung, und wir fordern eine unabhängige Kontrolle des BND. Wir haben vorgeschlagen, das Amt eines unabhängigen Geheimdienstbeauftragten – nicht der Bundesregierung, sondern des Bundestages – zu schaffen, der sich unabhängigen Sachverstands bedient. Das ist der richtige Weg.
Wir sind sehr erstaunt – das muss ich, auf Hessen bezogen, sagen –, dass die schwarz-grüne Landesregierung im Bundesrat nicht einmal den Bedarf gesehen hat, im Vermittlungsausschuss über Details zu sprechen. Dort wäre die Möglichkeit dazu gewesen. Anscheinend haben die GRÜNEN, die das Gesetz im Bundestag bekanntlich abgelehnt haben, im Bundesrat geschlafen oder nur die übliche Show abgezogen, die wir auch hier öfter erleben.
Ich denke z. B. an die Debatte heute Morgen. Herr Kollege Frömmrich wird uns das aber vielleicht noch erklären. Ich bin darauf sehr gespannt.
Eigentlich wäre hier der Ort, wäre das die Debatte, zu erklären, warum die GRÜNEN dieses Gesetz, das Ihre Parteifreunde und die Union verabschiedet haben, haben passieren lassen. Das äußerst bedenkliche Grundrechtsverständnis, das aus diesen Gesetzesänderungen spricht, scheint jedenfalls die hessischen Koalitionsfraktionen völlig kalt zu lassen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Nach dem, was ich vorgetragen habe, ist klar, dass wir diesen Antrag ablehnen werden. Wir verbinden das mit der Aufforderung an die Landesregierung, an die Koalition, ihre Pflichten im Bundestag wahrzunehmen. Nicken Sie nicht immer einfach alles ab, was aus Berlin kommt.
Danke, Herr Kollege Greilich. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Holschuh für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.