Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

Mein Anspruch in dieser Flughafendebatte, der auch für meine Partei ziemlich schwer war, war immer, beides zusammenzudenken; denn nur dann wird daraus konsequente Politik.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Als Nächste hat Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie stellen sich hier allen Ernstes hin und sagen, Sie hätten

als Minister das gemacht, was die GRÜNEN vor der Wahl versprochen hätten.

(Minister Tarek Al-Wazir: Ja! – Günter Rudolph (SPD): Das ist gelogen!)

Zwei Sätze später unterstellen Sie mir, dass ich die Unwahrheit sagen würde. Herr Minister, das ist wirklich absurd, was Sie hier erzählen. Es ist natürlich vollkommen klar, dass es das Wesen einer Lärmverschiebung ist, dass es irgendwo leiser wird. Das Problem ist nur, dass andere Gebiete stärker belastet werden. Das ist das Problem und das ist auch die Kritik, die es von Anfang an gab, neben der Tatsache, dass diese Vereinbarung vollkommen unverbindlich ist und jederzeit aufgekündigt werden kann, wenn Kapazitäten wirklich gefährdet sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie sich schon hierhin stellen und mir vorwerfen, ich würde die Unwahrheit sagen, während Sie getan hätten, was Sie vor der Wahl versprochen haben, dann wollen wir doch kurz einen Realitätscheck machen. Das Ergebnis des Realitätschecks ist, dass Sie kurz vor der Landtagswahl in den von Fluglärm besonders betroffenen Regionen einen Brief haben verteilen lassen. In diesem Brief hat der grüne Spitzenkandidat Al-Wazir geschrieben: Zum Schutz und zur Entlastung der Bevölkerung fordern wir erstens einen Verzicht auf das Terminal 3. – Da steht nicht: „Ich gehe nicht zum Spatenstich.“ Das ist ein Unterschied.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Als zweite Forderung steht da: absolutes Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr. – Wo ist das Nachtflugverbot? Inzwischen ist keine Rede mehr von einem Nachtflugverbot, sondern wir haben jetzt Lärmpausen, die aber auch nur dann stattfinden, wenn der Wind aus der richtigen Richtung weht und wenn nicht irgendwo auf dieser Welt ein Streik stattfindet.

Die dritte und letzte Forderung war: Deckelung der Flugbewegungen. – Wo bleibt die Deckelung der Zahl der Flugbewegungen? Auf welcher Zahl werden die Flugbewegungen gedeckelt? Herr Minister, vielleicht können Sie noch einmal ausführen, welches der drei zentralen Wahlversprechen, die Sie gegeben haben, erfüllt wurde.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Dorn, ich zitiere hier aus nichts anderem als dem grünen Wahlprogramm. Wenn Sie jetzt der Meinung sind, dass alles, was Sie in das Wahlprogramm geschrieben haben, total unrealistisch und nicht umsetzbar ist, spricht auch das nicht gerade für Sie.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Weil Sie mir unterstellt haben, die Unwahrheit gesagt zu haben, würde ich schon gerne wissen, Herr Minister: Welche der drei Forderungen und Versprechen – Verzicht auf Terminal 3, absolutes Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr und Deckelung der Zahl der Flugbewegungen – haben Sie umgesetzt? Können Sie uns das noch einmal genau sagen? Dann kann sich jeder ein Bild davon machen, wer hier die Unwahrheit sagt, wer glaubwürdig ist und wer es nicht ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als Nächster spricht Kollege Boddenberg, Fraktionsvorsitzender der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte, die wir seit vielen Jahren führen, wenn es um den Frankfurter Flughafen geht, geht in ihrer Bedeutung weit über die Angelegenheiten des Flughafens und über die Frage hinaus, wie wir als politische Parteien mit dieser durchaus schwierigen Problematik umgehen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das stimmt!)

Ja, das stimmt, Herr Schäfer-Gümbel. – Ich nehme den letzten Redebeitrag von Frau Wissler zum Anlass, eine grundsätzliche Frage zu stellen. Wollen wir uns nach Wahlen, nach dem Schließen von Kompromissen, die in Koalitionsverträgen festgehalten werden, in den Landesparlamenten und im Bundestag allen Ernstes

(Janine Wissler (DIE LINKE): Daran messen lassen, was im Wahlprogramm steht? Ja!)

bei jeder einzelnen Detailfrage, die in einem Wahlprogramm gestanden hat,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Detailfrage? – Zurufe von der SPD und der LINKEN)

darf ich zu Ende reden? –, gegenseitig mit dem Vorwurf des Wortbruchs und der Lüge belegen?

(Lachen bei der SPD und der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Das sagen gerade Sie! – Norbert Schmitt (SPD): Ausgerechnet die hessische CDU!)

Diese Geschichte können wir gerne noch einmal aufnehmen, denn das war ein vorsätzlicher Wortbruch.

(Lachen bei der SPD und der LINKEN)

Hier geht es um die Frage – –

(Lebhafte Zurufe von der SPD und der LINKEN – Gegenrufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ein bisschen mehr Disziplin wäre hilfreich, damit der Redner gehört werden kann.

Hier geht es um die Frage, ob es möglich ist, dass man in einem Wahlprogramm sagt, was man will. Herr SchäferGümbel, ich schaue in Ihre Richtung, aber auch in die Richtung der Kollegen der anderen Fraktionen. Der Bürger erwartet, dass wir als Parteien vor Wahlen sagen, was wir politisch wollen, dass wir aber für den Fall, dass wir keine absolute Mehrheit erreichen – das ist in diesem Land meist der Fall –, in der Lage sind, Kompromisse zu schließen.

(Zurufe von der LINKEN)

An der Frage des Flughafenausbaus kann man das ganz gut festmachen. Da gibt es massiv unterschiedliche Positionen der Fraktionen hier im Hause. Die Positionen der CDU und der GRÜNEN haben wir an vielen Stellen zu einem, wie ich finde, guten Kompromiss zusammengeführt. Ich bin als Abgeordneter eines von Fluglärm sehr betroffenen Wahlkreises vielleicht ein ganz guter Zeuge dafür, dass diese Kompromissbildung nicht nur in einer Koalition im Hessischen Landtag stattfinden muss, sondern auch mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, die positiv oder negativ von einer so wichtigen Entscheidung betroffen sind.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, ich kann Ihnen die Anmerkung nicht ersparen, dass jedenfalls ich mich daran erinnere, dass auch FDP-Politiker landauf, landab dabei waren, als es um die Frage der Lärmreduzierung ging.

(Florian Rentsch (FDP): Das haben wir am Dienstag schon gesagt!)

Das will ich in Erinnerung rufen, lieber Herr Kollege Rentsch; denn die FDP geriert sich in der aktuellen Legislaturperiode als die einzige Partei, die für den Ausbau des Frankfurter Flughafens steht.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das ist falsch, Herr Kollege Rentsch. Wir von der Union stehen gemeinsam mit den GRÜNEN für die weitere Entwicklung des Frankfurter Flughafens – aber unter der Voraussetzung, dass es uns weiterhin gelingt, ein so großes, so symbolträchtiges Projekt am Ende dahin zu führen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, die positiv, aber erst recht die, die negativ, beispielsweise durch Fluglärm, betroffen sind, mit dieser Entwicklung einverstanden erklären, möglicherweise zwar weiterhin Kritik üben, am Ende des Tages aber akzeptieren, dass wir vernünftige Kompromisse dahin gehend finden, dass es zu einer weiteren Entwicklung des Flughafens kommt, dass sein Wachstumspotenzial realisiert wird, andererseits aber an jeder Stellschraube gedreht wird, um eine weitere Reduzierung des Lärms zu erreichen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf die rechtlichen Gegebenheiten, die in einem Rechtsstaat unter uns, die wir hier im Hause sitzen und Verantwortung tragen, völlig unstreitig sein sollten, ist der Herr Minister heute mehrfach eingegangen. Es gab einen Planfeststellungsbeschluss, es gab höchstrichterliche Entscheidungen, bis hin zum Bundesverwaltungsgericht, es gab und gibt eine klare Rechtslage, an die sich selbstverständlich auch die GRÜNEN halten. Ich habe in den Gesprächen, die wir damals miteinander geführt haben – ich erinnere mich noch sehr gut daran, Herr Minister und Kollege Al-Wazir –, gesagt: Wenn wir das gemeinsam vereinbaren können, dann kann man mit mir, um es einmal bildlich auszudrücken, auch über Segelflugzeuge am Frankfurter Flughafen reden, nämlich darüber, dass wir alles und jedes daransetzen werden, die Belastungen der Menschen auf ein Mindestmaß zu beschränken. – Das tun wir, seitdem wir gemeinsam in Hessen regieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den LINKEN will ich nur so viel sagen – ich habe es schon zugerufen, Frau Wissler –: Man kann die Position vertreten, die Sie haben. Sie fordern weiterhin einen Rückbau der Nordwestbahn.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Das wiederum begleiten Sie – –

Herr Kollege Boddenberg, kommen Sie bitte zum Ende.

Das geht bei Ihnen mit der Forderung nach einer Deckelung der Zahl der Flugbewegungen auf 380.000 im Jahr einher. Eine solche Deckelung würde uns definitiv in das Jahre 1998 zurückführen. Damals waren am Frankfurter Flughafen aber 15.000 Menschen weniger beschäftigt als heute.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das sind Einzelhändler!)

Wenn Sie das fordern, dann sollten Sie aber auch 15.000 Menschen und ihren Familien sagen, dass diese durch Ihre Politik ihren Job verlieren.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das sind Einzelhändler!)