Protokoll der Sitzung vom 02.04.2014

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

zumal sich der Bundestag und der NSU-Prozess eben nicht umfassend mit den Vorgängen in und um Hessen beschäftigen konnten. Das war übrigens auch nicht deren Auftrag, Herr Frömmrich. – Er ist gar nicht da.

Reden Sie bitte einmal mit Ihren Parteikollegen in Berlin. Die werden bestätigen, dass es nicht die Aufgabe des Bundestags-Untersuchungsausschusses war, die hessischen Verhältnisse umfassend aufzuklären. Es gibt dort im Übrigen fraktionsübergreifend großes Unverständnis über die Weigerung vieler Bundesländer – nicht nur Hessens –, eine eigenständige parlamentarische Aufklärung zu betreiben.

Deshalb finde ich das jetzige Vorgehen von Schwarz-Grün absurd. Ich frage hier vor allem die GRÜNEN, wie viel Glaubwürdigkeit sie für ihre Regierungsbeteiligung noch hergeben. Das ist eine zentrale Frage.

Herr Frömmrich hat aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Ich will, um das zu kontrastieren, aus dem Wahlprogramm der GRÜNEN zitieren. Dort ist auf Seite 55 zu lesen:

Es waren nicht nur die Täterinnen und Täter, die gefährlich waren, sondern auch das Umfeld, von dem sie unterstützt wurden … Auch die von einzelnen konservativen Politikerinnen und Politikern regelmäßig praktizierte Anbiederung an den rechten Rand ist ein gefährlicher Irrweg und ebnet den Rechten den Weg.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vizepräsi- dent Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Zum NSU, meine Damen und Herren, ist im Wahlprogramm der GRÜNEN auf Seite 59 Folgendes zu lesen:

Wir sind es den Opfern und den Hinterbliebenen schuldig, endlich alle Hintergründe aufzuklären und aus diesem Versagen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Dann lassen Sie uns das doch bitte machen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Als Sie das geschrieben haben, gab es den Bericht aus dem Bundestag übrigens bereits. Also noch einmal: Wo bleibt die Aufklärung in Hessen? – Nichts. Die Hintergründe bleiben weiter im Dunkeln; und das ist unsere massive Kritik. Es soll eine interne Regierungskommission gebildet werden, die sich ausschließlich mit den Fragen zur Zukunft der Sicherheitsbehörden auf der Grundlage der Empfehlung des Bundestags-Untersuchungsausschusses befasst, so der Antrag der Koalition. Das ersetzt die hessische Aufklärung aber nicht; und der Vorsitzende der Regierungskommission ist ein Konservativer aus der CDU. So viel zur Unabhängigkeit und Überparteilichkeit eines Expertengremiums. Das darf an dieser Stelle doch wohl noch festgestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das darf doch wohl nicht wahr sein!)

Herr Bellino, das darf doch wohl noch festgestellt werden; das ist doch eine Tatsache. – Damit kontrolliert die Regierung sich nämlich selbst, oder richtigerweise: Die CDU kontrolliert sich selbst mit Stillhalten der GRÜNEN.

Das hat mit Gewaltenteilung und Kontrolle der Regierung durch das Parlament nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Bis zum heutigen Tage hören wir vonseiten der CDU kein selbstkritisches Wort zu den dubiosen Vorgängen im Landesamt für Verfassungsschutz. Stoisch wird weiter behauptet, der hauptamtliche Verfassungsschützer Andreas T. sei, wie er selbst sagt, nur zur falschen Zeit am falschen Platz gewesen. Das gilt es nach wie vor aufzuklären.

DIE LINKE verlangt schon seit über einem Jahr, endlich einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Vor zwei Monaten haben wir alle Fraktionen schriftlich zu einer gemeinsamen Initiative aufgefordert. Weder CDU noch GRÜNE haben darauf bisher geantwortet. Stattdessen versucht die CDU einen NSU-Untersuchungsausschuss als „parteitaktische Instrumentalisierung“ zu diffamieren – interessanter Ausdruck.

Ein Untersuchungsausschuss ist mit Verfassungsrang das Instrument des Landtags, um die Regierungsarbeit zu überprüfen. Wann, wenn nicht jetzt, ist er bei allen Ungereimtheiten um die Ermordung von Halit Yozgat in Kassel berechtigter? – Als LINKE haben wir bis heute keinen Einsetzungsantrag gestellt, weil wir dazu noch nicht die ausreichenden Stimmen haben. Noch immer hoffen wir, dass die SPD endlich den Weg zu einem solchen Untersuchungsausschuss mitträgt. Nur ein Untersuchungsausschuss gibt Rechtssicherheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur so kann man Akten verlangen, Zeugen vereidigen, notfalls Sanktionen verhängen oder Rechte einklagen. Die Behauptung, man könne in einem Untersuchungsausschuss keine Sachverständigen vernehmen, ist übrigens falsch. Ich erinnere nur an den Untersuchungsausschuss zur Polizeichefaffäre.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist damals vom Staatsgerichtshof entschieden worden!)

Es waren – Frau Faeser – SPD und GRÜNE, die über den Staatsgerichtshof eine von CDU und FDP verhinderte Beauftragung eines Sachverständigen durchsetzen mussten. Das gilt natürlich auch für alle anderen Untersuchungsausschüsse.

(Nancy Faeser (SPD): Nein, eben nicht!)

Frau Faeser, dieser Grundsatz gilt für alle Untersuchungsausschüsse, selbstverständlich.

(Fortgesetzte Zurufe der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Meine Damen und Herren, es geht uns nicht darum, im Nachhinein Kriminalarbeit zu machen, den Fall zu lösen und Leute dingfest zu machen. Aber es geht um viele brennende Fragen, und Frau Faeser hat schon zahlreiche angesprochen. Deswegen will ich sie nicht wiederholen. Es gibt viele Gründe für das Stellen sehr vieler Fragen, und leider gibt es ebenso viele Gründe, vielen Fragen aus dem Weg zu gehen. Politische

Aufklärung kann nur mit einem Untersuchungsausschuss gelingen, und dafür werben wir weiterhin. Deshalb werden wir uns bei dem SPD-Antrag auch der Stimme enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Greilich, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns jetzt schon zum wiederholten Male in diesem Hause richtigerweise mit den unerträglichen Vorfällen in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Kassel beschäftigt. Insofern war auch Hessen betroffen. Ich stelle insoweit mit sehr großer Zufriedenheit fest, dass es in diesem Hause nie einen Dissens in der Frage gegeben hat, dass wir alles tun müssen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen können, und dass wir daraus für die Arbeit der hessischen Sicherheitsbehörden Konsequenzen ziehen müssen. Das ist in diesem Hause ein ganz wichtiger Konsens.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Deswegen bedauere ich es auch, wie hier die Diskussion teilweise geführt worden ist.

Wir haben eine massive Aufklärung dessen, was in Hessen noch in Ansätzen zu überprüfen war. Wir haben den Ausschussbericht des Untersuchungsausschusses in Berlin, der insbesondere auch die hessischen Aspekte sehr genau beobachtet hat. Sie, Frau Kollegin Faeser und Herr Kollege Frömmrich, waren selbst mehrfach in Berlin, um mit dem damaligen Vorsitzenden dieses Untersuchungsausschusses zu besprechen, wie es denn genau weitergehen könne und was denn alles aufgeklärt werden müsse.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, und wir sind immer noch dabei!)

Ich glaube, man kann dem Berliner Untersuchungsausschuss an keiner Stelle vorwerfen, dass er irgendwelche Fragen nicht gestellt hätte, die sich im Zusammenhang mit der Kasseler Situation ergeben haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, meine ich, ist es jetzt an der Zeit, dass wir uns gemeinsam überlegen, so wie wir uns in der Vergangenheit auch alle in der Analyse einig waren: Wie soll es weitergehen? Welche Konsequenzen müssen wir denn aus diesen Erkenntnissen ziehen, sodass sich die Fehler bei den Ermittlungen niemals wiederholen können?

Hierzu gibt es den Vorschlag des Innenministers, eine Expertenkommission unter der Leitung von Herrn Prof. Jentsch einzuberufen. Das ist ein Punkt, über den wir gerne reden können. Wir halten es allerdings – das sage ich sehr deutlich – für unerlässlich, dass bei der weiteren Umsetzung die umfassende Beteiligung des Parlaments sichergestellt ist. Eine nur von der Landesregierung eingesetzte Kommission kann natürlich lediglich Vorschläge für die Arbeit der Behörden erarbeiten und Anregungen für die geplante Reform des Verfassungsschutzes geben. Aber ei

nes muss jedem klar sein: Die Änderungen selbst sind Sache dieses Parlaments und keines anderen Gremiums, und dafür kann eine Kommission vielleicht ein Stück Zuarbeit, ein Stück Vorarbeit leisten, aber die eigentliche Arbeit müssen wir hier gemeinsam machen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, meine ich, ist es dringend erforderlich, dass wir uns auch darauf verständigen, die angekündigte Überparteilichkeit dieser Kommission sicherzustellen. Das heißt aus meiner Sicht, dass nach der Berufung von Herrn Prof. Jentsch zum Vorsitzenden dieser Kommission – das begrüße ich ausdrücklich – die Auswahl der weiteren Mitglieder unbedingt in Abstimmung mit den Fraktionen dieses Hauses geschehen und dass die angekündigte Anbindung an das Parlament auch sehr intensiv passieren muss.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage: Diese Kommission muss Tagesordnungspunkt einer jeden künftigen Sitzung des Innenausschusses sein, und es muss dort ganz eng begleitet und beraten werden, wie es weitergeht. Dann können wir uns über die Ausgestaltung einer solchen Kommission sicherlich verständigen.

Meine Damen und Herren, der SPD-Antrag geht weiter. Er will weitere Untersuchungen. Er will weitere Aufklärung. Für den SPD-Antrag spricht in diesem Zusammenhang sicherlich, dass ein Ausschuss des Landtags unabhängig von der Landesregierung arbeiten kann, wobei die Expertengruppe zumindest theoretisch auch unabhängig vom Landtag arbeiten könnte.

Wie sich das im Einzelnen darstellen soll, müssten wir noch besprechen. Maximale Kontrolle kann es nur mit einer Kommission geben, die direkt beim Landtag angesiedelt ist, das ist keine Frage. Wie wir das im Einzelnen ausgestalten, das wäre meine Bitte, sollten wir miteinander besprechen. Wir sollten heute keine kontroverse Diskussion übers Knie brechen.

Deswegen regt meine Fraktion an, dass wir sowohl den Antrag der SPD-Fraktion wie auch den heute vorgelegten Dringlichen Antrag der Koalition an den Innenausschuss überweisen. Der Innenausschuss soll dann sehr genau überlegen, wie es gehen kann, dass wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen können.

(Beifall bei der FDP)

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses in Berlin – ich hatte es schon erwähnt – hat zahlreiche, 47 oder mehr, Anregungen für, auch teilweise länderspezifische, Veränderungen. Das sind Dinge, die wir hier vernünftig miteinander beraten können. Es gibt mittlerweile auch einen ersten Zwischenbericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen. Auch das könnten wir mit einer Kommission möglicherweise schneller gemeinsam bearbeiten als mit einem Sonderausschuss. Frau Kollegin Faeser, ein Sonderausschuss wäre nur ein Untersuchungsausschuss light. Es könnten vielleicht Sachverständige geladen werden, aber keine Zeugen. Wir könnten keine Akten verpflichtend herbeiziehen. Wir wären auf die Lieferbereitschaft der Landesregierung angewiesen.

Eine Verständigung über eine gemeinsame Besetzung der Kommission wäre der bessere Weg. Im Übrigen, lassen Sie