Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Sie werfen mit Haushaltszahlen und mit ein paar Leuchttürmen um sich, aber in der Sache, was Sie dort tun wollen, habe ich von diesem Landeskulturminister nichts gehört. Deswegen: Wenn Sie hier über einen Masterplan Kultur reden, hätten Sie dazu heute ernsthaft etwas sagen können. Aber auch das ist eine Leerstelle in Ihrer Regierungserklärung.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Der zweite Teil der kulturellen Bildung ist die kulturelle Integration. Auch das ist eine große Aufgabe, die sich dem Land in den nächsten Jahren stellt. Mit Blick auf die Aktuelle Stunde, die wir am Donnerstag haben werden, will ich heute nichts zur Frage von kultureller Integration und Staatsangehörigkeit sagen – und zu den Entscheidungen, die auf dem CDU-Bundesparteitag gefallen sind. Darüber werden wir in dieser Woche noch im Detail zu reden haben.

Aber ich will schon noch einmal auf Ihr schriftliches Manuskript zurückkommen, weil es für mich wirklich der befremdendste Teil Ihrer ursprünglichen Regierungserklärung war, die Sie jetzt am Ende nicht gehalten haben, aber die doch etwas zu der Grundhaltung sagt, mit der Sie an das Thema herangehen. In Ihrem Eröffnungsteil der Regierungserklärung sprechen Sie davon, dass es so etwas wie eine gemeinsame Kultur, eine Hessen-Identität gibt, ohne sie näher zu beschreiben. In der Überschrift erklären Sie wiederum, es sei Vielfalt. Wenn Sie mit solchen Begrifflichkeiten spielen, hätte ich von Ihnen als Landeskulturminister erwartet,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat er sich heute Nacht überlegt!)

dass Sie auch einmal etwas dazu sagen, was das denn heißt: Welche Rolle spielen denn jetzt kulturelle Integration und Vielfalt angesichts einer Geschichte des Landes, die wir in der Sondersitzung des Hessischen Landtags vorletzte Woche hinreichend gemeinsam gewürdigt haben, die vor allem eine Geschichte von Zuwanderung ist, die eine Geschichte von Einwanderung ist? Welche Rolle spielt das wiederum für die kulturelle Identität und die Art und Weise, wie sie sich verändert? Dass sie sich verändert, ist doch ganz offensichtlich.

Aber auch dazu hat der Minister – der Landeskulturminister – in seiner Regierungserklärung nichts gesagt. Das finde ich hochgradig bedauerlich; denn gerade eine solche Regierungserklärung hätte eine riesengroße Chance geboten, dazu einmal etwas zu sagen, statt sich immer auf einzelne Leuchttürme zu beziehen und sich um die eigentlichen Fragen herumzudrücken, die uns gerade, auch im gesellschaftlichen Miteinander, bewegen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Bemerkung. Der Minister sagte auch kein Wort zur sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler einschließlich der Verantwortung öffentlicher Kulturinstitutionen. Ich will jetzt nicht über den Mindestlohn reden und die Bedeutung des Mindestlohns für den Kunst- und Kulturbetrieb; er war elementar. Ich will auch nicht so sehr über die Frage reden, welche Möglichkeiten das Land hätte, um beispielsweise zu fördern und zu unterstützen. Möglicherweise – es gibt dazu, damit das in der Debatte gleich klar ist, keinen Haushaltsantrag. Ich will das nur problematisieren. Ich hätte aber eine Idee des Ministers dazu erwartet, ob es in Galerien so etwas wie eine Mindestvergütung für Künstlerinnen und Künstler geben kann und welchen Beitrag wir möglicherweise dazu leisten können, das anzuschieben.

Warum sage ich das? Ich sage das, weil in diesen Tagen wahrscheinlich auch viele von Ihnen von Schauspielerinnen und Schauspielern angesprochen werden, die mit Ihnen über die soziale Lage insbesondere derjenigen, die in der freien Szene arbeiten, reden wollen. Die Bereicherung des künstlerischen Lebens in diesem Land hängt fast immer unmittelbar mit prekären Arbeits- und Sozialbedingungen zusammen. Aber auch dazu hat der Landeskulturminister in dieser Regierungserklärung nichts gesagt, und auch das ist eine vertane Chance.

(Beifall bei der SPD)

Vorletzte Bemerkung. Ich hätte mir jedoch zumindest eine kurze Bemerkung des Landeskulturministers des Buchlands Hessen gewünscht – Hessen ist mit der Frankfurter Buchmesse und den Verlagen doch so etwas wie das Bundesland des Buchs –: dass er etwas zu den aktuellen Auseinandersetzungen bei der VG Wort und den schwierigen Verhandlungen in Berlin sagt.

Ich sage Ihnen nämlich: Die Lösung, gerade in Bezug auf die Verwertungsgesellschaft, ist im Unionslager zu finden. Es geht um eine einzige Änderung, die im Moment nicht auf den Weg gebracht werden kann, weil die Unionsseite das auf der Bundesebene blockiert. Gemeint ist das Urhebervertragsrecht. Da geht es um den indirekten Auskunftsanspruch von Urhebern. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist aufgrund des Drucks einer einzelnen Gruppe – nicht

der Verleger insgesamt, sondern einer Teilgruppe – nicht in der Lage, den Weg frei zu machen, was dazu führt, dass wir, in einer sehr schwierigen Lage für die kleinen Verlage, auch bei der VG Wort im Moment nicht vorankommen.

Damit will ich zum Ende kommen; ich habe jetzt doch die Redezeit ausgeschöpft. Herr Minister, Sie haben uns in dieser Debatte wenigstens ein Zitat von Ho Chi Minh erspart. Ich will das ausdrücklich nicht machen; denn, ehrlich gesagt, zu den Beiträgen von Ho Chi Minh zu dem Thema Kultur habe ich ein sehr distanziertes Verhältnis.

(Beifall bei der SPD)

Aber gemessen an dem Anspruch an die Regierungserklärung eines Landeskulturministers zur Zukunft der Kulturpolitik war das, was Sie heute hier abgeliefert haben, ehrlich gesagt, gar nichts. Das bedauere ich sehr, weil es genügend Themen gegeben hätte, die es wert gewesen wären, einmal durch einen Landeskulturminister angesprochen zu werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Feldmayer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich über die Rede des Kollegen Schäfer-Gümbel gerade etwas gewundert. Die SPD-Fraktion hätte jetzt 20 Minuten Zeit gehabt, um über ihre Vorstellung von einer guten Kulturpolitik für das Land Hessen zu reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich habe einen Punkt identifizieren können: Kultur für alle. Ich sage einmal, das ist nicht gerade das Neueste. Ich glaube, es ist seit Jahrzehnten Konsens in diesem Haus, dass Kultur für alle wichtig und richtig ist. Das leben die Staatstheater und die Landesmuseen in Hessen; das ist nichts Neues. Die Menschen bemühen sich; sie haben ihre Theater geöffnet. Das Bild Hochkultur versus Subkultur, das Sie gerade gezeichnet haben, stimmt nicht mehr. Das gibt es schon lange nicht mehr. Alle – die Intendanten z. B. – bemühen sich darum, ihre Häuser zu öffnen. Diese Kultur für alle ist Konsens. Darüber brauchen wir uns doch gar nicht zu streiten. Meine Damen und Herren, das ist nichts Neues.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Warum redet der Minister nicht darüber?)

Einerseits habe ich mich darüber gefreut, dass Kollege Schäfer-Gümbel hier das Wort ergriffen hat. Andererseits war ich, wie ich zugeben muss, einigermaßen enttäuscht von dem, was die SPD in der Haushaltsberatung zum Einzelplan 15 gesagt hat. Ich glaube, der Kollege Grumbach hat der Kultur einen Halbsatz gewidmet. Wenn Sie sich hierhin stellen und erklären, was alles noch gemacht werden müsste, frage ich mich, wo eigentlich die Haushaltsanträge der SPD-Fraktion zum Thema Kultur waren. Habe ich da etwas übersehen? Liege ich da falsch?

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Von Ihnen kam kein einziger Änderungsantrag. Dann stellen Sie sich hierhin und mäkeln und kritisieren an allem herum, was gemacht wird. Ich muss sagen, das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich fand die Debatte auch ein bisschen virtuell. Ich meine, das ist ein Klischee: Die CDU steht für die Hochkultur, für die Leuchttürme – okay, mag sein. Die GRÜNEN und die LINKEN stehen vielleicht für die Subkultur und für anderes – okay, mag sein. Aber ich finde, man muss ein bisschen realistisch sein und sich anschauen, was im Moment in diesem Bundesland tatsächlich in der Kultur passiert, und man muss sich wirklich anhören, was gesagt wird. Die Mittel für die Soziokultur werden verdoppelt, die Mittel für die freie Theaterszene werden verdoppelt, und wir haben den Kulturrucksack geschaffen. Das Bild, das Sie stellen wollen – Hochkultur versus Subkultur –, stimmt schon lange nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn wir einmal ein bisschen von diesen Klischees und Vorurteilen wegkommen, können wir hier eine gute kulturpolitische Debatte führen.

Ich möchte nicht den gleichen Fehler wie die Kollegen von der SPD machen, sondern sagen, wofür die GRÜNEN in der Kulturpolitik stehen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Deswegen sage ich „Gut, geschenkt“ zu dem, was seitens der SPD hier vorgetragen worden ist, und möchte jetzt zu dem kommen, was wir wollen und was wir in Hessen richtig finden.

Meine Damen und Herren, unser Bundesland ist von Vielfalt in der Kultur geprägt. Hessens Kultur wird durch kulturelle Vielfalt bereichert und weiterentwickelt. Diese Vielfalt ist Ausdruck und Spiegel unserer Identität. Egal wohin wir schauen, es ist wirklich schwer, echt hessische Kultur zu finden.

Man muss sich einmal anschauen, wie es den Brüdern Grimm mit ihrer Märchensammlung ergangen ist: Sie wollten ihre Märchen ursprünglich als „ächt hessisch“ – mit ä – bezeichnen. Dann haben sie festgestellt, dass die meisten derjenigen, die ihnen Märchen geliefert haben, gar nicht aus Hessen waren, sondern dass es sich vor allem um Hugenotten handelte, die aus Frankreich eingewandert waren. Ich glaube, das geht uns oft so, wenn wir nachforschen, woher unser kultureller Reichtum in Hessen stammt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Opernhäuser und Theater sind die Orte, an denen Internationalität, Offenheit und Vielfalt gelebt und gezeigt werden. In den früheren Schlachthöfen der Städte musizieren, proben und experimentieren Menschen unterschiedlichster Herkunft generationen- und sprachenübergreifend. Unsere Filmfestivals sind Räume der Begegnung, der Offenheit und der Toleranz. Unsere Kultur ist gelebte internationale Vielfalt. Das ist so, und das bleibt so. Es gibt keinen kulturellen Einheitsbrei. Ich möchte Carolin Emcke, Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, zitieren. Sie sagt:

Wir müssen viel stärker darauf achten, dass wir diese heutige plurale, multikulturelle Gesellschaft auch abbilden – ob in Zeitungen oder Büchern, auf Kinoleinwänden oder Bühnen.

Die Kunst sei ein nicht zu unterschätzendes Gegengift gegen jene gefährlichen Denkmuster, die ein sehr begrenztes Weltbild propagieren. Als Politikerinnen und Politiker wollen und müssen wir alles dafür tun, dass diejenigen, die bestimmen wollen, was und wer zu unserer Kultur gehört und was und wer nicht, in Hessen nicht die Bühne der Politik betreten können: dass diejenigen, die ausgrenzen und eine trennende Kultur wollen, in Hessen nichts zu sagen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen klarmachen: In der Vielfalt liegen Gemeinsamkeit und Stärke unserer Kultur. Das ist die hessische Kultur.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Vizepräsident Wolfgang Greilich über- nimmt den Vorsitz.)

Kultur braucht hier und anderswo außerdem Freiheit und Offenheit gegenüber neuen Ideen. Ich denke, wir haben in den letzten drei Jahren hier in Hessen auch gezeigt, dass Kulturpolitik bedeutet, etwas Neues auszuprobieren. Deshalb freue ich mich, dass nicht nur die Förderung für die freien darstellenden Theater oder die Soziokultur verdoppelt werden konnte, wie wir es im Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN festgeschrieben haben, sondern dass auch eine neue flexiblere Förderungssystematik für die Soziokultur etabliert werden konnte. Das gibt mehr Freiraum und mehr Spielraum.

Ich möchte gern den Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft Kulturinitiativen und soziokulturelle Zentren in Hessen, Bernd Hesse, zitieren: „Das Modellprojekt Soziokultur ist ein Meilenstein für die Förderung der Soziokultur in Hessen. Es ist die größte Errungenschaft auf Landesebene seit der Einrichtung eines entsprechenden Landesetats 1993.“

Aber auch das neue Kulturkofferprojekt, mit 4 Millionen € über die Legislaturperiode ausgestattet, öffnet neue Möglichkeiten und schafft Freiräume im Bereich der kulturellen Bildung. Mit den aus dem Kulturkoffer finanzierten Projekten wird insbesondere Kindern und Jugendlichen der einfache Zugang zu Museen, Malerei, Film, Tanz und Theater, Musik und anderen kreativen und künstlerischen Ausdrucksformen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Wohnort oder ihrem Umfeld ermöglicht. Also: Kultur für alle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Da müssen wir auch hinschauen: Was passiert in ganz Hessen, was passiert in den Ballungszentren, was passiert im ländlichen Raum? – Wir brauchen auch Konzepte für den ländlichen Raum, die mit den Menschen vor Ort erarbeitet werden, wie beispielsweise die Künstlerresidenzen. Auch das ist ein Projekt des Kulturkoffers. Das alles gibt es schon. Da kommt die Kultur, da kommen die Künstler zu den Menschen, und sie machen etwas Neues direkt vor Ort zusammen mit den vor Ort vorhandenen Ressourcen.

Wir sorgen also dafür, dass nicht nur die Städte und Ballungsräume in Hessen gute kulturelle Angebote haben,

sondern auch der ländliche Raum. Hier leistet die Förderung durch den Kulturkoffer wirklich gute Hilfe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es gibt drei Bereiche, die ich identifiziert habe – vielleicht sind es noch mehr –, wo es wirklich gelungen ist, so möchte ich einmal sagen, einen Knoten zu durchschlagen.