Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

Daher steht für uns fest: Die Solidarität mit den Verfolgten, die unseres Schutzes bedürfen, und die Rückführung derer, die kein Bleiberecht haben, sind zwei Seiten einer Medaille.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Faulhaber, Sie haben eben in Ihrer Rede das Wort Humanität bemüht. Ich glaube, das kann man Hessen und auch der Bundesrepublik ganz sicher nicht absprechen. Im vergangenen Jahr haben wir Außergewöhnliches geleistet. Das Bundesland Hessen hat über 80.000 Menschen aufgenommen und hier beherbergt. Wir haben in einem breiten Schulterschluss parteiübergreifend gemeinsam diese Politik hier betrieben. Wir haben die Politik so betrieben, dass diese Menschen hier gut untergebracht wurden, dass sie nicht obdachlos waren und dass sie möglichst kurz in den Notunterkünften waren.

Ich finde, wir haben das wirklich gut hinbekommen. Wir können stolz darauf sein. Wir müssen uns bei all denjenigen bedanken, die dazu mit beigetragen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zugleich dürfen wir aber auch im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenhalts die Menschen unseres Landes nicht überfordern.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben doch freie Kapazitäten!)

Deswegen ist es gut und richtig, dass wir funktionierende Regeln haben, wie mit Menschen verfahren wird, denen kein Bleiberecht zugesprochen wurde. Ich möchte an dieser Stelle gern den Theologen und Sozialdemokraten Richard Schröder zitieren. Er hat vor einigen Monaten in einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf einen aus meiner Sicht sehr wichtigen Unterschied genau bei der Frage der Abschiebung hingewiesen. Dabei geht es um Empathie und Hilfe für den Einzelnen einerseits und die Durchsetzung der Gesetze andererseits. Er weist in seinem Artikel auf die Unterscheidung von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit hin. Ich darf zitieren:

Dem Barmherzigen

so Schröder –

geht die Not des Elenden zu Herzen, er fragt nicht viel und hilft.

Demgegenüber fordere Gerechtigkeit,

Gleiches gleich [zu] behandeln, und zwar nach allgemeinen Regeln. Barmherzig zu sein,

sagt Schröder –

ist gelegentlich einfacher, als gerecht zu sein. …

Einzelne können barmherzig sein, … Der Staat aber darf nicht barmherzig sein, weil er gerecht sein muss.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie meinen den kapitalistischen Staat, oder was?)

Er muss nach Regeln verfahren und die Folgen bedenken. Wenn er Ausnahmen machte, wäre er korrupt. … Daraus folgt:

Das ist jetzt der entscheidende Satz. –

Bei jeder Regelung der Migration, die Gerechtigkeit anstrebt, wird es immer auch Härten, Enttäuschungen und unerfüllte Erwartungen geben.

Ich glaube, diese Worte sind sehr wichtig. Denn sie machen den Zwiespalt deutlich, in dem wir uns befinden, in dem wir stehen und in dem wir handeln müssen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das vorhin schon erwähnt: Wir haben in Deutschland klare Regelungen im Zusammenhang mit der Ausreise und der Abschiebung. Die freiwillige Ausreise geht der Abschiebung immer vor. Niemand wird willkürlich und aus heiterem Himmel abgeschoben.

Das ist auch gut so. Denn wir setzen auf die freiwillige Ausreise. Vor der Abschiebung gibt es selbstverständlich immer eine Einzelfallprüfung.

Jetzt komme ich konkret auf Afghanistan zu sprechen. Über 50 % der afghanischen Flüchtlinge erhalten in Deutschland Schutz. Für die abgelehnten Fälle gilt natürlich, dass sie Deutschland verlassen müssen.

Wir wissen, dass die Afghanen im Jahr 2016 davon vielfach Gebrauch gemacht haben. Über 300 Afghanen haben im Jahr 2016 das Land freiwillig verlassen. Es gibt das Rückkehrerprogramm von Bund und Land, das nicht nur eine Beihilfe von 200 €, sondern auch eine Starthilfe von 500 € zahlt. Außerdem gibt es noch eine Reintegrationshilfe von bis zu 1.300 € für freiwillige Rückkehrer.

Es bleiben am Ende natürlich Fälle von Menschen, die nicht freiwillig ausreisen und denen eben kein Schutz gewährt werden kann. Ich hebe noch einmal unseren Dringlichen Entschließungsantrag hoch. Bei denen gilt das, was wir in unserem Dringlichen Entschließungsantrag sehr detailliert beschrieben haben, was man aber in einer Botschaft zusammenfassen kann: Es findet eine sorgsame Prüfung des Einzelfalls statt, ob abgeschoben wird oder ob die Abschiebung ausgesetzt wird. Wir stehen damit nicht alleine. Das ist ein Verfahren, das andere Bundesländer natürlich ebenso wie wir anwenden.

Ich muss sagen: Ich bin der Bundesregierung dafür dankbar, dass sie eine Übereinkunft mit Afghanistan getroffen hat, die uns jetzt als Grundlage des gemeinsamen Handelns dient.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Um Himmels willen!)

Ich glaube, wir brauchen mehr und nicht weniger solcher Übereinkünfte. Die Sicherheitslage wird von den zuständigen Behörden – da kommen wir jetzt zu dem Punkt: das ist eben nicht der Hessische Landtag, die Landesregierung oder das Innenministerium –, von den Bundesbehörden, permanent überprüft.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Ich vertraue staatlichen Institutionen. Es gibt keinen Grund, an diesen Einschätzungen zu zweifeln.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Weil es da so sicher ist, verlängert der Bundestag das Afghanistan-Mandat!)

Die Lage ist nun einmal so. Man kann sich Punkt 3 unseres Dringlichen Entschließungsantrags noch einmal anschauen. Die Innenministerkonferenz hat festgelegt – in der Innenministerkonferenz sind alle Länder vertreten –, dass Rückführungen nach Afghanistan nicht per se und grundsätzlich ausgeschlossen sind. Das sollte man hier auch noch einmal zur Kenntnis nehmen.

Natürlich wird das permanent, nicht nur von Bundesbehörden, überprüft. Natürlich wird das auch von den Organisa

tionen überprüft, die vor Ort vertreten sind. Die Botschaft meldet sich dazu zu Wort.

Im Übrigen ist es so, dass versucht wird, die Lage vor Ort permanent zu verbessern. Die internationale Staatengemeinschaft stellt Afghanistan zum wirtschaftlichen Aufbau 14 Milliarden € zur Verfügung. 1,7 Milliarden € ist der Anteil unseres Landes, also der Bundesrepublik Deutschland.

Mit diesem Geld sollen die Fluchtursachen bekämpft werden. Das muss man halt auch sagen: Zugegebenermaßen sind oftmals auch wirtschaftliche Gründe die Fluchtursache.

Zum Thema Winterabschiebestopp will ich jetzt gar nicht viel sagen. Wir tauschen uns darüber regelmäßig jedes Jahr aus. Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE sind grundsätzlich per se gegen jede Abschiebung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Genau so ist das!)

Das ist so. Ich glaube, dazu haben wir alles ausgetauscht.

Ich will damit zum Ende meiner Rede kommen. Ich glaube, dass man hinsichtlich der Sprache, die man heute bei diesem Thema hier verwendet, sehr vorsichtig sein muss. Wir haben eben schon über die Rede von Frau Faulhaber gesprochen. Ich persönlich bin über diese Rede sprachlos. Ich bin im Übrigen auch sprachlos darüber, dass Sie sich nicht entschuldigt haben und wie Sie bei der Rede begonnen haben. Denn Sie haben hier ein Bild von Gut und Böse und von Schwarz und Weiß gezeichnet. So funktioniert das nicht. Wir haben Gesetze umzusetzen. Das können Sie gerne verneinen. Aber das ist nun einmal Fakt.

Ich bin darüber irritiert. Ich habe heute gelesen, dass man vom Hessischen Flüchtlingsrat Folgendes nachlesen konnte:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist entgegen der Propaganda der Bundesregierung …

Der Text ist dann leider abgeschnitten. Jedenfalls will ich ausdrücklich sagen, dass ich den Begriff „Propaganda“ mehr als fragwürdig finde.

Wir sollten dieses Thema sachlich debattieren. Das würde uns allen gut zu Gesicht stehen. Fakt ist nun einmal: Solidarität und konsequente Rückführung bedingen einander, ob wir das wollen oder nicht.

(Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Was, wie bitte?)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Ernst-Ewald Roth für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Worüber sprechen wir bei diesem Setzpunkt? – Wir sprechen zum wiederholten Mal – das ist zunächst einmal etwas Gutes – über Flüchtlinge, Asylsuchende und darüber, wie wir damit umgehen. Jedes Mal, wenn wir dabei zu einem Erkenntnisfortschritt kommen und einen Beitrag dazu leisten könnten, dass die Integration in unserem Land möglich ist oder dass, wenn das alles nicht geht, die Rückführung notwendig ist,

die dann nach humanitären Aspekten geschieht, hat sich die Debatte gelohnt.