Dass ausgerechnet die Vertreter der kommunalen Familie, die aus Kostengründen öffentliche Toiletten der Reihe nach schließen lassen, jetzt sagen, die Gewerbetreibenden müssten dann dafür sorgen, das ist ein bisschen wie ein Stück aus dem Tollhaus.
Meine Damen und Herren, es ist uns nicht ein einziger Fall gemeldet worden. Deswegen erklärt auch der DEHOGA, sie hätten überhaupt kein Problem mit diesem Gesetz; denn alle Gaststätten, Restaurants, Bars und Kneipen hätten Toiletten für ihre Kunden.
Ein Problem haben wir aber gerade bei großen Stadtfesten. Wer einmal bei einem Rosenmontagsumzug erlebt hat, was sich in den Innenstädten abspielt, weiß, dass das alles andere als vergnügungsteuerpflichtig ist. Da sind auch keine Scherze angebracht, sondern das hat wirklich etwas damit zu tun, ob Menschen, die ihre Notdurft verrichten müssen, eine Gelegenheit dafür finden. Auch da spielen vor allen Dingen öffentliche Toiletten eine maßgebliche Rolle.
Hier wäre ein Handeln angebracht gewesen: Wenn die Landesregierung etwas machen will, sollte das mehr in Richtung einer Verpflichtung der kommunalen Familie
Die IHK hat das in ihrer Stellungnahme zur Anhörung ebenfalls erklärt: Sie können da nicht wirklich ein Problem erkennen, sondern sehen es eher so, dass sich Städte und Gemeinden immer mehr ihrer Verantwortung entziehen.
Ich sage Ihnen für den Fall, dass Sie dieses Gesetz jetzt weiter verschärfen: Die Einhaltung aller Gesetze, die Sie machen, müssen Sie am Ende kontrollieren. Sie werden dann 99 % aller Gaststätten kontrollieren müssen, die eine Toilette vorhalten. Das kostet den Steuerzahler Geld. Die Beamten haben auch nicht mehr die Zeit zur Verfügung, um sie vielleicht an anderer Stelle sinnvoll einzusetzen.
Es ist und bleibt ein Problem: Ihr Anliegen war es – das war ein großer medialer Aufschlag –, dem Wildpinkeln den Kampf anzusagen. Dafür taugt Ihr Gesetzentwurf überhaupt nicht. Es wäre klüger gewesen, nicht noch mehr Bürokratie einzuführen, sondern das Gesetz einfach so zu lassen, wie es ist. So ist es nämlich gut. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Eckert. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich darf um diese Zeit zu diesem Thema reden. Unser parlamentarischer Geschäftsführer hat nämlich gesagt: Das mit dem Wildpinkeln macht bei uns der Eckert. – Deswegen darf ich mich zu diesem Thema äußern.
Ich will mit einem Bericht beginnen, der heute auf hr-online zu finden ist. Der erste Satz heißt: „Wer ausschenkt, muss auch reinlaufen lassen: …“, und dann kommt man auf die Toilettenpflicht in Gaststätten zu sprechen. Ich finde, im ersten Absatz wird das völlig richtig beschrieben, und es wird auch deutlich gemacht, dass eine Toilettenpflicht gesetzlich festgeschrieben werden muss.
Aber, meine Damen und Herren, der Kampf gegen das Wildpinkeln – ich finde, das muss man so sagen – ist in Hessen mit diesem Gesetzentwurf abgesagt.
Herr Minister, bei diesem Reförmchen – deswegen sage ich „Reförmchen“ – ist selbst noch das „-chen“ sehr klein. Sie beschreiben das Problem zu Recht. Anders als der Kollege Lenders, der sagt, es gebe kein Problem, glaube ich sehr wohl, dass es ein Problem gibt. Aber Sie bieten für dieses Problem eine Scheinlösung an. Diese Lösung ist so klein, dass wir diesen Weg nicht mit Ihnen gehen können.
Wir brauchen, vorausgesetzt, das Problem ist so richtig erkannt, für Hessen eine echte Lösung. Diese wäre mit einer Pflicht für das Vorhalten von Toilettenanlagen in Betrieben mit Getränkeausschank gefunden – ohne Sonderregelungen
und Ausnahmen in diesen Bereichen. Das Wildpinkeln ist nämlich, zugegeben, eher ein Problem der Männer.
Aber es geht bei dem Thema auch um ganz viele andere Bereiche in der Gastronomie, z. B. um das berühmte Kaffeekränzchen im Café oder um die junge Familie mit kleinen Kindern. In all diesen Fällen stellt sich die Frage nach dem Vorhalten von Toiletten, nicht nur wenn es um das Wildpinkeln geht. Deswegen wäre mehr besser gewesen.
Ich will in dem Zusammenhang aus der Stellungnahme des Landesverbands für Markthandel und Schausteller Hessen zur Anhörung zitieren, nicht nur weil sich die Landesgeschäftsstelle in meiner Heimatgemeinde befindet, sondern weil sie, wie ich finde, das Thema genau beschreiben:
Es ist nicht einzusehen, warum die Toilettenvorgabe beim Ausschank alkoholischer Getränke gelten soll, nicht aber bei weiteren, teils sogar noch stärker diuretisch bzw. expulsiv wirkenden Getränken wie Kaffee, Apfelsaft, Most etc. Die Vorstellung, dass beispielsweise die bekannteste amerikanische Burger-Kette, bloß weil diese keine alkoholischen Getränke anbietet, fortan keine Gästetoiletten mehr vorhalten muss, erscheint doch geradezu absurd. Dabei ist dies nicht etwa eine reine, aus der Luft gegriffene Fiktion, sondern mindestens in Frankfurt/Main (Kai- serstraße) bereits Realität.
Diese Schilderung aus der Praxis zeigt, dass Ihre Einschränkungen nicht ausreichend sind, um diesen Kampf in Hessen wirklich zu führen.
Es bleibt ein eher stumpfes Schwert; denn über die Regelungen des Bestandsschutzes im Baurecht – da wären wir fast wieder beim Alkohol – gibt es in Hessen Änderungen auf diesem Gebiet nur im Promillebereich, wenn überhaupt. Ich glaube, das, was Sie wirklich verändern – der Fortschritt –, ist in diesem Bereich erst nachher messbar.
Deswegen sage ich: Es wäre zwar richtig, mit einer umfassenden Regelung an dieses Thema heranzugehen, aber die Gastronomie darf damit nicht alleingelassen werden. Man darf das nicht nur gesetzlich vorschreiben, sondern man muss die in der Gastronomie Tätigen mitnehmen und bei der Veränderung unterstützen, auch bei dem Thema Barrierefreiheit. Das ist das zweite Thema in diesem Gesetzentwurf. Nur deklaratorisch etwas von Barrierefreiheit hineinzuschreiben – und zu glauben, damit seien alle Spatzen gefangen –, ist bei diesem Thema viel zu wenig.
Wir müssen uns anschauen, welche Funktion die Gastronomie insbesondere im ländlichen Raum hat: gemeinsam Zeit verbringen, das soziale Miteinander, die Gastronomie als Begegnungsstätte. Deswegen ist es wichtig, neben den Vorgaben die in der Gastronomie Tätigen bei dieser Entwicklung mitzunehmen und zu unterstützen. Wir wollen das nämlich nicht nur für wenige, sondern für alle. Deswegen ist die Barrierefreiheit ein wichtiges Thema, das jenseits einer bloßen deklaratorischen Beschreibung sicherlich einen größeren Stellenwert in dem Gesetzentwurf hätte bekommen müssen.
Man hätte in dem Gesetzentwurf noch viele Themen unterbringen können, wenn man denn gewollt hätte. Da wir in der ersten Lesung ein Stück weit darüber diskutiert haben,
will ich das Thema „Kostenfreiheit beim Aufsuchen von Toiletten“ erwähnen. Das wäre rechtlich möglich, wenn man nur wollte. Das Thema Autobahnraststätte könnte einbezogen werden. Ich habe schon in der ersten Lesung auf die Expertise hingewiesen, die in der Landesregierung vorhanden ist, nämlich beim Kultusminister, der in seiner früheren Tätigkeit hierzu umfangreiche Stellungnahmen abgegeben hat. All diese Themen hätte man regeln können, wenn man es denn gewollt hätte. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall.
Frau Wolff, Sie haben auch etwas zu dem Thema Vollzug gesagt. Sie verbessern etwas in den Details. Das ist gut und richtig; aber im Kern geht es bei diesem Gesetzentwurf um etwas anderes: um die Barrierefreiheit und die Toilettenpflicht in Gaststätten. Ich will dieses Thema abschließen mit Machiavelli, der gesagt hat: „Regieren ist glauben machen.“
Herr Minister, mit diesem Gesetzentwurf wollen Sie uns glauben machen, dass Sie, erstens, regieren und etwas gestalten wollen und dass Sie, zweitens, tatsächlich etwas verändern. Aber am Ende des Tages sage ich Ihnen: Genau das tun Sie nicht. Sie haben das Grundproblem zwar im Ansatz erfasst, aber Sie belassen es bei Lösungsansätzen. Herr Minister, deswegen ist der heroische Kampf gegen das Wildpinkeln in Hessen mit diesem Gesetzentwurf sicherlich eher abgesagt.
Vielen Dank, Herr Kollege Eckert. – Als Nächster hat Herr Kollege Klose, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Jahr 2006 wurde im Zuge der Föderalismusreform die Zuständigkeit für das Gaststättenrecht den Ländern übertragen. Auch im Bundesgaststättengesetz in der damaligen Fassung war die Pflicht zum Vorhalten von Toiletten nicht explizit geregelt. Ich komme damit gleich zum Kern; denn das ist das Thema, das bei diesem Gesetzentwurf alle am meisten zu interessieren scheint. Allerdings waren die Länder damals ermächtigt, Mindestanforderungen an die Ausstattung von Gaststättenräumen zu definieren.
So hat auch die frühere Hessische Gaststättenverordnung die Verpflichtung enthalten, Toiletten bereitzustellen. Als sie 2002 aufgehoben wurde, war man der Ansicht, das sei eine Selbstverständlichkeit und im Interesse jedes Gastwirts, sodass man das nicht anordnen müsse.
Leider hat die Erfahrung seither gezeigt, dass das ein Irrtum war. Es waren insbesondere die Kommunen, die darauf hingewiesen haben, dass gerade kleinere gastronomische Betriebe zunehmend darauf verzichten, Gästetoiletten zur Verfügung zu stellen. Eine Folge sind unzufriedene und irritierte Gäste auf der Suche nach einer Toilette. Eine andere aber ist laut Städtetag das zunehmende Urinieren in der Umgebung solcher Gaststätten zum Ärger der Nachba
rinnen und Nachbarn – das wurde eben angesprochen –, also das sogenannte Wildpinkeln. Dies ist ein Zustand, der im Interesse aller nicht länger fortgeführt werden darf. Deshalb wird mit dem neuen § 39 Abs. 2 der Hessischen Bauordnung für Gaststätten die Pflicht aufgenommen, eine ausreichende Anzahl von Toiletten, und das heißt dann stets, entsprechende Waschräume, bereitzustellen, sofern Alkohol ausgeschenkt wird.
Im Rahmen der Evaluation des Gesetzes hat sich eben herausgestellt, dass dergleichen Missstände für BäckereiCafés, Imbisse usw. nicht bekannt sind. Aus dem gleichen Grund sind im Übrigen auch Straußwirtschaften oder Straßenfeste in diese Verpflichtung nicht eingeschlossen. Das stieß während der Anhörung vereinzelt auf Kritik. Das wurde eben schon angesprochen. Dennoch haben wir entschieden, die Toilettenpflicht zunächst an den Alkoholausschank zu koppeln, weil die bekannten Probleme eben dort auftreten.
Unisextoiletten sind – auch das haben wir schon in der ersten Lesung diskutiert – in Zukunft ausdrücklich zulässig. Das kann dann bei einer kleinen Kneipe auch heißen, dass eine Toilette, deren Nutzung nicht auf ein Geschlecht beschränkt ist, ausreicht. Ich hatte seinerzeit bereits darauf hingewiesen, dass es sowohl in unseren Nachbarländern als auch in Zügen und Flugzeugen längst akzeptierte Realität ist.
Einem Vorschlag aus der Anhörung kommen wir mit unserem Änderungsantrag gern nach. Dabei geht es um die Gaststätten in den Einkaufszentren. Frau Kollegin Wolff hat dies bereits ausgeführt. Auch diese sollen weiterhin auf zentrale Toilettenanlagen zurückgreifen können.
Jetzt gilt es, zu schauen, ob diese neuen Regelungen das Problem entschärfen oder ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Auf St. Pauli und in Mainz werden beispielsweise Häuserfassaden inzwischen mit einem Speziallack behandelt, der dafür sorgt, dass die auftreffende Flüssigkeit von der Wand reflektiert wird. Ob eine nasse Hose statt nasser Wände der Weisheit letzter Schluss ist – na ja.
Jetzt aber genug zu dem Toilettenthema, auch wenn sich die öffentliche Diskussion stark hierauf fokussiert. Der Gesetzentwurf, den wir heute beschließen werden, verfolgt noch ein paar andere Ziele.
So muss künftig die Betriebsart bereits bei der Gewerbeanmeldung, ob es sich z. B. um ein Café, eine Discothek oder eine Bar handelt und ob eine Außenbewirtung stattfindet, angegeben werden. Das erleichtert es den Behörden, einzuschätzen, ob von einer Gaststätte möglicherweise Lärm oder andere Störungen für die Umgebung ausgehen. Künftig kann ein Untersagungsverfahren gegen einen Gaststättenbetreiber auch dann fortgeführt werden, wenn dieser die Gaststätte während des laufenden Verfahrens aufgibt. Das beseitigt ein bisher bestehendes Schlupfloch für manch schwarzes Schaf in diesem Bereich, das sich der Untersagung durch das Schließen einer Gaststätte entzieht, um wenig später eine andere zu eröffnen. Das dient den Gästen, aber eben auch den vielen ordentlichen Wirtinnen und Wirten in unserem Land. Für diese ist es außerdem sehr hilfreich, dass eine Alkohol ausschenkende Gaststätte künftig bereits vor dem Ablauf der sechswöchigen Anzei