Erstens. Bildungspolitik, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, mit einer allgemeinen Bemerkung darüber zu beginnen, dass das größte Handicap Ihrer Bildungspolitik in Hessen nach wie vor ist, dass aufgrund der politischen Vorgaben des Ministerpräsidenten der hessische Bildungsgipfel gescheitert ist. Es war niemand anders.
Das werden Sie in den nächsten Jahren noch öfter hören. Es ist und bleibt eines der Kernprobleme, dass wir in der Bildungspolitik keinen substanziellen Schritt vorankommen, weil Sie es gar nicht wollen.
Da hilft es auch nichts, mit einzelnen guten Projekten – einige davon haben wir gemeinsam beschlossen – so zu tun, als wäre damit die Aufgabe gelöst. Das gilt erst recht und ausdrücklich bei der Integration von Flüchtlingen.
Ich habe meine Fraktion vor wenigen Wochen gebeten, eine interne Anhörung zum Thema InteA durchzuführen. Das ist sozusagen das Kernprojekt der Beschulungsintegration von Flüchtlingen in Hessen.
Ich will Ihnen sagen, dass ich selten an einer Anhörung teilgenommen habe, die mit weit über 70 Verantwortlichen aus diesem Bereich, also aus hessischen Schulen, so gut besucht war. Ich habe selten eine Anhörung erlebt, in der so emotional und teilweise geharnischt Kritik an dem geübt wird, was hier stattfindet. InteA funktioniert bei Weitem nicht so rosig, wie es das Kultusministerium versucht darzustellen. Im Nachgang zu dieser Anhörung wünsche ich mir übrigens, dass das Sozialministerium bei den Integrations- und Beschulungsmaßnahmen ein größeres Wörtchen mitzureden hätte, als es das derzeit hat.
Die Praktiker haben dezidiert und durch die Bank gesagt: Dieses Programm ist im Kern am grünen Tisch entstanden, und zwar ohne Praxisbezug. Die Nichtmöglichkeit von Praktika, die zweijährige Beschulung und die deutliche Überbesetzung der Klassen – Sie sagen, 16 sollen es sein; im Durchschnitt sind es aber bestimmt 20, manchmal aber auch deutlich mehr – sind nur ein Teil der Kritik, die an diesem Tag sehr massiv vorgetragen wurde. Wenn wir das ernst meinen, was wir im vergangenen Jahr zur Beschulung von Flüchtlingskindern und zur schulischen Integration miteinander vereinbart haben, haben wir ein großes Thema.
Zweitens. Verkehrsinfrastruktur. Der Minister lobt sich dafür, dass er jetzt 7 Millionen € mehr für den Straßenbau ausgibt. Ich habe darauf hingewiesen, dass das ungefähr 5 km mehr Landesstraßen sind. Das ist angesichts des Straßennetzes in Hessen übersichtlich. Insofern ist das ein
großes Thema. Sie werden mit Ihren Anstrengungen, die wir wertgeschätzt haben, den Infrastrukturthemen in Hessen gerade bei der Sanierung und Modernisierung von Straße und Schiene nicht gerecht. Das reicht nicht.
Deswegen haben wir mit unseren Haushaltsänderungsanträgen vorgeschlagen, das anders zu machen. Wir werden morgen in der ÖPNV-Debatte würdigen, dass hierfür zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Die Verkehrsverbünde sagen aber auch ausdrücklich: Die großen Zuströme an Pendlern im Bereich des ÖPNV werden wir nur dann qualifiziert bearbeiten können, wenn es zu einem Infrastrukturausbau kommt, weil die derzeitige Infrastruktur überhaupt nicht in der Lage ist, mehr Passagiere aufzunehmen. – Deshalb stellen die Verkehrsinfrastruktur und der Investitionsstau das zweite große Thema dar, das Hessen angehen muss.
Das dritte große Thema habe ich vorhin bereits angesprochen; es betrifft den Wohnungsbau. Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft hat gestern darauf hingewiesen, dass der Wohnraumbedarf in Hessen bis zum Jahr 2020 rund 37.000 Wohnungen jährlich betrage, dass derzeit aber nur gut 17.000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt würden. Insofern müsse das Land noch eine Schippe drauflegen bei den Wohnungsbauprogrammen. Diese müssten umstrukturiert werden, weg von Zinsverbilligungsprogrammen hin zu Zuschussfinanzierungen und anderen Instrumenten.
Überrascht hat mich die ausdrückliche Forderung des VdW nach einer eigenständigen Bauministerin in Hessen, um die Themen angemessen anzugehen. Das ist ein kleiner Hinweis darauf, dass man nicht so ganz zufrieden mit dem ist, was hier passiert. Da können Sie in Ihrem 16-Punkte-Papier aufschreiben, was auch immer Sie wollen.
Das letzte Thema, das ich ansprechen möchte, und zwar sehr konkret, betrifft die Auseinanderentwicklung von Stadt und Land. Ich will das an einem kleinen Infrastrukturthema deutlich machen, nämlich anhand der Gemeinde Schotten. Schotten hat rund 10.500 Einwohner, 15 Ortsteile und etwa 134 km2 Grundfläche. Schotten ist die viertgrößte Gemeinde Hessens nach Frankfurt, Wiesbaden und Schlitz. Schlitz liegt in der Nachbarschaft und ist nur 1 km² größer.
Schotten hat 90 km Gemeindestraßen, 350 km Feldwege, 125 km Wassernetz und 120 km Abwassernetz. Abwassergebühren und Wassergebühren liegen im Moment bei deutlich über 6 € pro Kubikmeter und damit fast doppelt so hoch wie in Frankfurt.
Ich erwähne das deswegen, weil die Mär, die wir in den vergangenen 17 Jahren immer wieder gehört haben, nach dem Motto, im ländlichen Raum werde es künftig weniger Menschen geben, und deswegen würden dort Kosten und Aufwendungen fallen, grundfalsch ist. Die Infrastrukturkosten im ländlichen Raum werden steigen.
Deswegen kann ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Art und Weise, wie der Kommunale Finanzausgleich mit dieser Themenstellung umgeht, eines der Kernprobleme ist. Ich habe in der Haushaltsdebatte gesagt, dass, wenn Gemeinden aus Kassenkrediten ihr Personal finanzieren,
Deswegen sage ich Ihnen: Hessen hat gezeigt, dass Reformpolitik funktioniert. Man muss sie aber auch angehen. Da helfen 16-Punkte-Anträge am Ende nicht weiter. Wir bieten Ihnen ausdrücklich an, bei dieser Frage zusammenzuarbeiten. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war schon häufig so, dass Generationen als die schwierigsten Zeiten die Zeiten empfunden haben, in denen sie selbst gelebt haben. Es gibt eine bemerkenswerte Rede eines von den meisten hier im Hause, so denke ich, sehr geschätzten Managers in Hessen, nämlich von Karl-Ludwig Kley, dem langjährigen Chef von Merck, der ein Zitat eines britischen Politikers bemüht hat: Regierungen können heutzutage so wenig ausrichten wie nie zuvor. Den Politikern ist die Macht entglitten, aber ich könnte nicht sagen, wohin. Es ist ein einziges Dahintreiben. Während wir stromabwärts treiben, können wir höchstens die eine oder andere Kollision vermeiden.
Das ist eine Beschreibung, die die aktuelle Lage und Stimmung in Großbritannien einigermaßen wiedergibt. Wie gesagt, es war ein britischer Politiker. Dieses Zitat stammt allerdings nicht aus unserer Zeit, sondern aus dem Jahr 1895, und zwar vom damaligen Premierminister Salisbury. Das zeigt, es hat keine Generation gegeben, in der man nicht Herausforderungen beschrieben hat, die die schwierigsten Herausforderungen aller Zeiten waren.
Herr Schäfer-Gümbel, warum sage ich das vorweg? – Wir stehen auch aktuell vor großen Herausforderungen. Das ist gar keine Frage. Sie haben Beispiele dafür genannt. Das betrifft nicht nur die Flüchtlingskrise. Ich bleibe jetzt einmal bei diesem Terminus, ohne ständig den Streit darum zu bemühen, ob dies die richtige Beschreibung für die aktuelle Herausforderung ist. Das betrifft aber auch viele andere Herausforderungen.
Ich sage aber sehr deutlich: Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind in keiner Weise vergleichbar – ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das auch selbst gesagt haben – mit der Zeit, in der der Hessenplan von Georg August Zinn entstanden ist.
Herr Schäfer-Gümbel, das Problem ist eben, dass Sie möglicherweise allein mit dem Versuch, zu sagen, wir bräuch
ten einen neuen Hessenplan, genau das insinuieren und mit dieser Begrifflichkeit eine Dimension aktueller Herausforderungen setzen und zeigen wollen, die Bezug auf die großen Herausforderungen der Nachkriegsjahre nimmt. Dazu sage ich sehr deutlich: Das halten wir und das halte ich für ein völlig falsches Signal. Vielmehr brauchen wir eine Bevölkerung, die sehr wohl von uns erfährt, was aktuelle Themenstellungen sind – und zwar ehrlich und offen und transparent, auch in der Dimension beschrieben –, auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite brauchen wir auch eine Bevölkerung, die uns in der Politik und allen gesellschaftlich relevanten Gruppen zutraut, dass wir diese Herausforderungen bewältigen können. Damit brauchen wir auch ein Stück Zuversicht in unserem Lande.
Ich wiederhole es: So zu tun, als bräuchte es einen dritten Hessenplan für dieses Land, ist in diesem Zusammenhang kontraproduktiv, ein völlig falsches Signal und führt nur zu Verunsicherung und eben nicht zur Zuversicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Hessen ist ein starkes Land. Herr Schäfer-Gümbel, wir hätten nicht nur 16 Punkte und vier Seiten beschreiben können, sondern wir hätten das sicherlich auch noch ausführlicher tun können. Wenn Sie das kritisieren, könnte bei mir die Idee aufkommen, dass Sie im Nachhinein, nachdem Sie ein so großes Werk wie den neuen Hessenplan in Gang setzen wollten, mit Blick auf Ihren eigenen Antrag zu der Einsicht gelangt sind, dass dieser angesichts der historischen Dimension dessen, was Sie vorhaben, dann doch ein wenig dürftig ist, Herr Kollege Schäfer-Gümbel.
Ich will Ihnen sagen – jetzt haben Sie die Bäume bemüht, ich will das nicht zurückgeben und könnte sagen, für diesen Antrag war möglicherweise schon der eine Baum einer zu viel –: So lange haben wir für dieses Werk gar nicht gebraucht, Herr Schäfer-Gümbel,
weil unsere Referenten, meine Kolleginnen und Kollegen in der Landtagsfraktionen allemal in der Lage sind, zu jeder wesentlichen Herausforderung dieser Tage auch eine Antwort zu geben.
Das heißt doch nicht, dass wir so täten, als sei die Welt von oben bis unten nun völlig in Ordnung. Es ist doch unzweifelhaft so, dass wir uns beispielsweise weiter darum kümmern müssen, dass wir nicht nur Mittel für den Bildungsbereich bereitstellen. Das ist eine der zentralen Aufgaben der Landespolitik, wenn es um die Frage der Chancengerechtigkeit für junge, aber auch für ältere Menschen geht – ich erinnere in diesem Zusammenhang einmal an das, was wir unternommen haben, um in der Erwachsenenbildung deutlich besser zu werden. Es ist doch völlig unstreitig, dass wir dort weiterhin alle Anstrengungen unternehmen müssen, um die nötigen Mittel, das nötige Personal und vieles andere mehr bereitstellen zu können.
Aber man könnte auch zu dem Schluss gelangen, dass es eben so ist und auch nicht wegzureden ist, dass Hessen in diesem Zusammenhang die mit Abstand höchsten Zuwächse in den letzten 15, 16 Jahren aller Bundesländer vorzu
weisen und große Anstrengungen unternommen hat, Herr Grumbach. Aber, noch einmal: Auch heute kommt man noch nicht zu der Erkenntnis, dass es allen in diesem Bildungssystem gleichermaßen gut geht; das ist nicht die Frage. Umso mehr haben wir nicht nur mit dem Haushalt 2017, sondern auch mit unserem Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ausgerechnet dort weitere und neue Schwerpunkte gesetzt, wo es beispielsweise darum geht, Menschen ohne Abschluss, ohne Schulabschluss, ohne Berufsabschluss, zu helfen, genau diesen zu erwerben, um Teil dieser Gesellschaft zu werden, nach ihren und unseren Vorstellungen. Diese Schwerpunktsetzung finden Sie an x verschiedenen Stellen in diesem Aktionsplan, und die finden Sie außerhalb dieses Aktionsplans an jeder Stelle dieses Landeshaushalts 2017.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, Sie reden über Infrastruktur. Wir haben bei der Grundsatzdebatte um den Haushalt des Jahres 2017 intensiv über diese Frage gesprochen, dass es immer noch ein bisschen mehr sein könnte.
Aber was den Landesstraßenbau anbelangt, sind wir mit 90 Millionen € ganz gut aufgestellt. Ich kenne die Stellungnahmen der Gewerkschaften und der VhU, dass es eben mehr sein könnte; keine Frage.
Beim Bundesfernstraßenbau schneidet Hessen in diesem Jahr und in den nächsten Jahren so gut ab wie nie zuvor, auch deutlich überproportional, weil es uns, dem Ministerpräsidenten, dem Wirtschafts- und Verkehrsminister gelungen ist, den Menschen in Berlin zu sagen: Wir liegen geografisch nun einmal mittendrin, und deswegen müsst ihr uns mit Zuweisungen für den Bundesfernstraßenbau helfen. – Es ist also eine Rekordinvestition, die dort stattfindet.
Wir könnten über den öffentlichen Personennahverkehr reden – natürlich nicht nur ein grünes, aber allen voran auch ein grünes Anliegen, bei dem man uns aber gar nicht treiben muss und bei dem wir uns darüber freuen, dass wir nach dem mittelfristigen Finanzplan der nächsten fünf Jahre 24 % mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr ausgeben. Das führt übrigens dazu – ich hatte es eben in der Post, das finde ich ganz nett –, dass sich der NVV freundlich bei uns dafür bedankt, dass es in diesem Jahr gelungen ist, eine solche Planungssicherheit und ein solches Plus in den ÖPNV zu investieren.