Wenn Sie sagen: „Mäßigen Sie sich im Ton und in der Sprache“, dann hätte ich mir in den letzten Jahren ein einziges Mal gewünscht – nur ein einziges Mal –, dass Sie den Mut haben, sich hier vorne hinzustellen und genau dieses in dieser Klarheit zu Herrn Irmer
Ein einziges Mal hätte ich das gerne gehört. Ich nenne jetzt nur Herrn Irmer. Denn das Zitat zur Frage der Geradlinigkeit von Herrn Irmer ist eben schon verlesen worden. Ich will sagen, die Geradlinigkeit von Herrn Irmer besteht darin, dass er regelmäßig in seinem Blatt „Wetzlar Kurier“ gegen Muslime, Homosexuelle und politisch Andersdenkende hetzt.
Das ist die Geradlinigkeit von Herrn Irmer, den Sie gerade in der Mitte Ihrer Delegation zur Bundesversammlung geschickt haben. So wenig hat dieser Mann in Ihren Reihen zu sagen. Ich sage Ihnen: Es riecht sehr danach, dass das eine Doppelstrategie ist, die Sie hier veranstalten. Deswegen erwarte ich von Ihnen den Mut, so etwas auch zu ihm zu sagen.
Wenn Sie dann mit Blick auf Herrn Willsch erklären, dass der Landes- oder der Kreisverband – ich will das wiederholen: der Kreisverband des Innenministers, Entschuldigung Jonny;
ich mäßige mich jetzt auch –, der Kreisverband vom Herrn Innenminister, vom Staatssekretär im Wissenschaftsministerium und anderen, derselbe Kreisverband, gestern eine Erklärung abgegeben habe, die glasklar sei, dann will ich daran erinnern: Es gibt ein kleines Interview im „Focus“,
Ich akzeptiere, dass es solche Erklärungen gibt. Ich glaube auch, dass das ein Ergebnis von politischer Haltung ist. Insofern bin ich Ihnen in diesem Punkt ausdrücklich für Ihre Klarstellung dankbar. Deshalb habe ich applaudiert – weil ich Ihnen das auch abnehme. Aber ich will Ihnen etwas sagen: Herrn Willsch oder Herrn Irmer, oder Frau Steinbach, oder Herrn Heck, der immerhin JU-Landesvorsitzender ist und nach der Klarstellung Ihrer Haltung zur doppelten Staatsangehörigkeit einen Tag später in der „Oberhessischen Presse“ erklärt hat, das sei das Wahlkampfthema der Jungen Union Hessen mit Blick auf den Bundestagswahlkampf – Erklärungen dieser Herrschaften glaube ich nicht, völlig egal, wie klar sie hier erklärt werden.
Herr Ministerpräsident, ich glaube sie auch deswegen nicht, weil die Erfahrung in diesem Haus und im öffentlichen Raum in Hessen in den letzten Jahren doch immer und immer wieder ist, dass die Herren Irmer und Willsch, Frau Steinbach und andere nach einer Runde, in der es wieder einmal eine Debatte gab, weitermachen. Die Provokationen finden doch immer und immer wieder statt; denn die Haltung – die geistige Haltung von Leuten wie Herrn Irmer – ändert sich nicht. Wenn Sie das als Geradlinigkeit bezeichnen – dann hätten Sie recht.
Ich will es noch einmal sagen. Wenn Sie hier mehrfach erklären: „Mäßigen Sie sich im Ton, mäßigen Sie sich in der Sprache“,
dann hätte ich gerne ein einziges Mal erlebt, dass Sie als Ministerpräsident und als CDU-Landesvorsitzender hier in Richtung von Herrn Irmer und anderen sagen: „Mäßigen Sie sich im Ton, mäßigen Sie sich in der Sprache, hetzen Sie nicht mehr gegen Muslime und Homosexuelle“ – nur ein einziges Mal.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Zurufe von der CDU – Glockenzeichen der Präsidentin)
Herr Irmer, Sie können doch einmal hier nach vorne kommen und sagen, was Sie dazu zu sagen haben. Das würde uns interessieren. Ihre Pseudoentschuldigungen der letzten Jahre, die in der Regel mit der Formulierung nichts zu tun haben – –
solange wir den Eindruck haben, dass das Teil einer Doppelstrategie ist, die Sie ganz bewusst fahren, um sich auf der einen Seite als die Vertreter der gesellschaftlichen Mit
te darzustellen und auf der anderen Seite am rechten Rand abzuschöpfen, was immer geht. Herr Irmer, genau dafür stehen Sie.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe der Abg. Hans-Jürgen Irmer und Klaus Peter Möller (CDU))
Auch Sie können noch nach vorne kommen. Erklären Sie es hier, dann haben wir Zeit dazu. Das ist doch ein wirklich guter Punkt.
Ich finde, dass die ersten Anmerkungen des Ministerpräsidenten doch ausdrücklich richtig waren, nämlich dass das ein schwieriges und komplexes Thema ist, das man so oder so beantworten kann. Auch da gilt der Grundsatz: Mäßigung in Sprache und Worten. Aber das gilt eben nicht nur in eine Richtung. Das gilt in alle Richtungen. Das ist ein Punkt – aus dem kommen Sie nicht so ohne Weiteres heraus. Denn der Standard, den Sie hier versuchen zu definieren, wird immer nur gegen eine Seite gewendet. Es bleibt dabei: Diese Debatte heute war nur ein Zwischenergebnis. Es wird weitere geben.
Ich will wiederholen, was Kollege Rudolph schon angekündigt hat. Da die Klarheit auch von den GRÜNEN benannt wurde – das finde ich gut und richtig, das freut mich sehr –, beantragen wir die namentliche Abstimmung zu unserem Antrag, die Optionspflicht für die doppelte Staatsangehörigkeit abzulehnen. – Herzlichen Dank.
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte auch die Debatte von der Regierungsbank jetzt einzustellen. Herzlichen Dank. – Der nächste Redner ist Kollege Boddenberg, CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schäfer-Gümbel, ich will gerne den Begriff der Doppelstrategie aufnehmen. Ich könnte Ihnen eine Fülle von Aussagen Ihres Bundesvorsitzenden hier vortragen, die Sie wahrscheinlich alle kennen und über die der Ministerpräsident – wie ich finde, völlig zu Recht – gesprochen hat. Dabei kann man auf eines wohl ganz bestimmt kommen, nämlich sehr schnell auf die Idee, dass es dort eine Doppelstrategie gibt.
Ich nenne einmal Beispiele, die uns in diesem Land nach den Ereignissen in Köln sehr beschäftigt haben. Ich glaube, er war damals auf Kuba im Urlaub oder auf Dienstreise – das weiß ich nicht so genau –, und er hatte uns aus Kuba
wissen lassen, dass nach seiner Auffassung kriminelle Ausländer in Deutschland nichts zu suchen haben. – Was heißt denn das? Wenn man diesen Satz einmal in seine verfassungs-, straf- und aufenthaltsrechtlichen Einzelteile zerlegt, heißt das doch nichts anderes, als dass Herr Gabriel sagt: Wenn ein Deutscher in Deutschland kriminell wird, ist und bleibt er selbstverständlich Deutscher. Aber wenn ein Ausländer in Deutschland kriminell wird, dann fliegt er hinaus. Das ist die Übersetzung, die – glaube ich – dahintersteckt. Wenn Sie mir jetzt erklären, dass dieses zweierlei Recht, das er dort mit diesem Satz prägt, etwas anderes ist als eine Doppelstrategie – nämlich nach diesen Ereignissen von Köln, als die Republik zu Recht sehr aufgeregt war, genau das zu bezwecken, was Sie anderen dauernd vorwerfen, und zwar dort zu fischen, wo Menschen kurze, knappe Antworten auf solche Ereignisse haben wollen –, dann weiß ich es auch nicht, Herr Schäfer-Gümbel.
Ich könnte Ihnen viele weitere Beispiele nennen. Es wird dauernd alles zusammengerührt: Herr Irmer, Herr Willsch, die CSU.
Ja, wir diskutieren in der Union über schwierige Fragen, wie Sie es doch auch tun. Nehmen wir doch einmal die zentrale Frage, die uns wahrscheinlich auch weiterhin beschäftigen wird. Herr Seehofer hat es doch angekündigt: die Frage der Obergrenzen – um ein anderes Thema zu wählen als das, das Sie heute bemüht haben und zu dem der Ministerpräsident alles gesagt hat, auch zur Historie der Frage der doppelten Staatsangehörigkeit.
Zu Obergrenzen sagt Herr Gabriel: Das ist für mich kein Thema. Es gibt keine Obergrenze, und ich bin gegen eine Obergrenze. – Herr Schäfer-Gümbel hat keine Gelegenheit ausgelassen, das auch so zu sagen. Ende August hat Herr Gabriel aber gesagt: Natürlich gibt es auch die Notwendigkeit einer Obergrenze. Diese liegt sozusagen bei der Integrationsfähigkeit eines Landes.
Herr Schäfer-Gümbel, können Sie mir einmal erklären, wie sich diese Position von Herrn Gabriel unterscheidet von der Position der CSU, die ich nicht teile? Dabei geht es doch nur um die Frage, dass man eine Zahl irgendwo hinschreibt, die ohnehin keinerlei Rechtswirkung hätte aufgrund unseres Asylrechts. Können Sie mir bitte einmal erklären, was Herr Gabriel mit solchen Aussagen bezweckt?
Ich glaube, er bezweckt damit das, was man auch LINKEN gemeinhin unterstellt. Frau Wagenknecht könnte ich mit weiteren Zitaten belegen. Das wäre Ihnen dann peinlich. So viel Zeit habe ich jetzt aber nicht. Das kommt aber sicherlich noch.