Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Merkel habe ihren innerparteilichen Gegnern die „Kinder ausländischer Eltern zum Opfer fallen lassen“. Man dürfe nicht eine Million Flüchtlinge einladen und dann „die hier geborenen Kinder“ schlecht behandeln.

Jetzt raten sie einmal, von wem das stammt.

(Günter Rudolph (SPD): Wir wissen das!)

Da Sie es wissen, finde ich es noch bemerkenswerter, dass Sie heute diese Debatte führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Günter Ru- dolph (SPD): Ach du lieber Gott!)

Lieber Herr Rudolph, ich sage das jetzt in allem Ernst: Das ist die Sprache der Sahra Wagenknecht und der Frau Petry. – Die Merkel hat die Millionen Menschen eingeladen, und wir haben das Problem. Das sagte Sigmar Gabriel. Das ist der Bundesvorsitzende der SPD. Wer so spricht, der hält die Gesellschaft nicht zusammen.

(Manfred Pentz (CDU): So ist er!)

Wenn das nicht ein Aussetzer gewesen ist, dann benutzt er genau die Sprache, die dieses Land spaltet.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht das einzige Zitat. Das reicht von „Pack“ bis zu vielem anderen. Es ist Ihr Bundesvorsitzender. Da Sie eine parteipolitische Debatte haben wollten, sage ich Ihnen: Wer einen solchen Bundesvorsitzenden hat, mit dem ich persönlich gut auskomme,

(Günter Rudolph (SPD): Das war jetzt für Herrn Gabriel schädlich!)

Herr Rudolph, der hätte vielleicht Anlass, dass Sie und die Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion und der hessischen SPD mit dem Ihnen eigenen Temperament Ihren Bundesvorsitzenden vielleicht einmal darauf hinweisen, dass das die Sprache ist, die wir in diesem Land überhaupt nicht gebrauchen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, deshalb sage ich Ihnen zum Schluss meiner Rede: Die Landesregierung, die hessische CDU und schon gar ich bedürfen nicht irgendeiner Belehrung, wenn es um die Frage geht, wie dieses Land zusammenzuhalten ist und wie wir den Feinden der Freiheit klar entgegentreten. – Danke.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Genau das brauchen Sie!)

Vielen Dank. – Den Fraktionen sind durch die Redezeit der Landesregierung zwölf Minuten zugewachsen.

Ich habe eine Wortmeldung vorliegen. Das Wort erhält Herr Kollege Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte wird jetzt doch noch um ein deutliches Maß interessanter, als wir am Anfang dachten, dass sie werden könnte. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich dem Ministerpräsidenten dafür dankbar bin, dass er in einer geteilten Rolle – allerdings als eine Persönlichkeit – hier versucht hat, zu zwei vermeintlich unterschiedlichen Gegenständen zu reden. Er hat aus seiner Sicht versucht, die Debatte einzuordnen.

Ich werde diese formale Trennung nicht vornehmen. Aber ich will zu beiden Vorgängen und zu beiden Themen etwas sagen.

Ich will für die Mitglieder unserer Fraktion am Anfang noch einmal eines sehr stark klarstellen: Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Kinder, die in Deutschland geboren werden, als junge Erwachsene nicht wieder zu Ausländern werden dürfen. Deswegen lehnen wir die Optionspflicht ab.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))

Nun hat der Ministerpräsident verzweifelt versucht, zu erklären, warum das eigentlich eine Position ist, die nach 1999, nach der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft, sozusagen gegen den Widerstand der Union von allen anderen beschlossen wurde.

Was er nicht erzählt hat, ist der Teil, der davor eine Rolle spielte. Herr Ministerpräsident, wir kommen beide aus derselben Stadt. Ich erinnere mich noch ziemlich gut an den Januar 1999, als ich mit dem Informationsstand der SPD vor dem Geschäft Moeser stand. Sie standen ein paar Meter weiter mit Ihrem Informationsstand. Da wurde auf dem Seltersweg die Kampagne – ich will das jetzt nicht weiter bewerten –: „Wo kann ich denn gegen die Ausländer unterschreiben?“, unter anderem von Ihnen angeführt.

Ich sage das deswegen, weil das Ergebnis die Optionspflicht – –

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, Sie hören mir jetzt vielleicht einmal zu. Ich habe dem Ministerpräsidenten auch ordentlich zugehört.

Ich will nur darauf hinweisen, dass es nach der Landtagswahl diese Form des Modells gab. Sie sind überhaupt nur Ministerpräsident, weil es damals die Kampagne von Roland Koch und Ihnen gegen die doppelte Staatsangehörigkeit gab.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abge- ordneten der LINKEN)

Im Januar 1999 gab es aufgrund Ihrer Kampagne ein extrem aufgeheiztes Klima. Am Ende gab es den Versuch, für die doppelte Staatsangehörigkeit auch mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat eine Lösung zu finden. Ich kann mich gut daran erinnern, wie die hessische Union mit aller Giftigkeit Hans Eichel und Rot-Grün attackiert hat, unter keinen Umständen irgendeinem Kompromiss noch zuzustimmen, damit diese Modernisierung der Staatsangehörigkeit durch den Bundesrat überhaupt noch durchkommt. Ich bin froh, dass wir diesen ersten Schritt machen konnten.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Ich akzeptiere, dass weite Teile der Union bis heute damit nicht ihren Frieden gemacht haben. Sie haben ein paar Aspekte dazu genannt. Das ist eine Debatte, zu der man unterschiedlicher Auffassung sein kann.

Ich glaube, dass Sie bei dieser Frage von gestern und vorgestern sind und dass es eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in dem Sinne geben muss, dass Kinder, die hier geboren sind, das vollständige Recht auf politische Teilhabe haben müssen. Das ist bei uns nun einmal zwingend mit der Staatsangehörigkeit verbunden. Wir wollen diese Optionspflicht nicht.

Ich will es einmal konkretisieren. Sie haben Ihre Position heute noch einmal betont und gesagt, dass es eigentlich Ihre ist, Sie aber zu dem Koalitionsvertrag, der hier geschlossen wurde, wie auch zu dem in Berlin, vertragstreu sein wollen. Das ist Ihre Argumentation. Sie sagen nicht, Sie seien der Auffassung – –

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Nein, ich rede von der generellen doppelten Staatsangehörigkeit!)

Ich komme dazu. – Ich will wissen, ob das heißt, dass Sie von Ihrem Stellvertreter eigentlich erwarten, dass er eine der beiden Staatsangehörigkeiten aufgibt. Denn das wäre die Konsequenz aus dem, was Sie sagen.

(Beifall bei der SPD, der FDP und der LINKEN so- wie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Wenn Sie das anders sehen, erklären Sie uns das hier. Aber das hätte ich gerne gewusst. Ehrlich gesagt, bei aller persönlichen Nähe zu Tarek Al-Wazir: Mein Eindruck in den letzten Jahren war nicht, dass er ein Problem mit seinen zwei Staatsangehörigkeiten hätte. Bei anderen Identitätsfragen bin ich jetzt nicht ganz sicher. Aber das Staatsangehörigkeitsthema war ganz sicherlich keines, mit dem Tarek Al-Wazir ein Problem hatte.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Deswegen wäre meine Erwartung ausdrücklich eine andere.

Wenn Sie hier mehrfach – übrigens nicht zum ersten Mal – in Richtung der Opposition sagen: „Mäßigen Sie sich im Ton,

(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Ja!)

mäßigen Sie sich in der Sprache“,

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

dann will ich schon daran erinnern, was da in den letzten Jahren so alles gemacht wurde.

(Florian Rentsch (FDP): Sie meinen sich sicher an Frau Ypsilanti und die Kommunisten zu erinnern, glaube ich!)

Ich habe das heute Morgen ganz bewusst mit Blick auf die Debatte getwittert, als Kollege Wagner vor wenigen Tagen in der 70-Jahr-Sitzung des Hessischen Landtags erklärt hat, wenn Sie – sozusagen mit den hugenottischen Wurzeln Ihrer Familie – jetzt mit Tarek Al-Wazir zusammensitzen, sei das ein Beispiel für gelebte Integration.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut!)

Ich muss gestehen: Ich bin nicht so geschichtsvergessen, mich nicht daran zu erinnern, dass Sie mit Herrn Koch wenige Jahre zuvor eine Kampagne gestartet haben – ich glaube, damals noch unter dem Generalsekretär Michael Boddenberg –: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“

(Günter Rudolph (SPD): Ja, so ist es!)

Ich sage Ihnen: Die Frage, was gelungene Integration ist oder nicht, entscheiden nicht parlamentarische Mehrheiten, sondern das ist gesellschaftliche Wirklichkeit.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP so- wie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))