„Hier geboren, hier zu Hause“, das war das Wahlplakat der GRÜNEN zur Bundestagswahl 1998 und auch in vielen anderen Wahlkämpfen. Wir waren sehr froh, dass es uns gelungen ist, in der rot-grünen Koalition auf Bundesebene zu vereinbaren, dass der Doppelpass geht. Es hat uns wehgetan, einen Kompromiss eingehen zu müssen, nach dem es im Alter zwischen 18 und 23 Jahren diese Optionspflicht geben würde. Es hat uns wehgetan, aber wir sind diesen Kompromiss eingegangen, weil es uns unserem Ziel, die Doppelstaatigkeit zu ermöglichen und das Prinzip „Hier geboren, hier zu Hause“ zu verwirklichen, ein gutes Stück näher gebracht hat.
Es hat uns noch mehr wehgetan, dass diese Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung dann Gegenstand eines Landtagswahlkampfs hier in Hessen war, in dessen Folge wir die Regierungsbeteiligung in Hessen verloren haben. Wir haben hier nichts vergessen, wir bleiben bei unserer Position. Überall, wo wir in Regierungsverantwortung tätig sind, kämpfen wir für dieses Prinzip „Hier geboren, hier zu Hause“, weil wir wollen, dass sich hier alle unserem Land zugehörig fühlen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))
Deshalb besteht die Gefahr, wenn über eine Wiedereinführung der Optionspflicht geredet wird, dass die türkeistämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger diese Debatte falsch
verstehen. Wir reden schließlich nicht über ein generelles Prinzip, sondern für eine ausgesuchte Personengruppe. Der Moderator der „Tagesthemen“ hat es am Tag des CDUParteitags wunderbar gesagt. Er hat seinen italienischen und seinen deutschen Pass hochgehalten und gesagt: Für mich ändert sich nichts, aber für andere soll sich etwas ändern.
Wir müssen aufpassen, dass eine solche politische Debatte bei türkeistämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht wie ein „Uns wollt ihr nicht“ verstanden wird. Dieses Signal sollte Politik nicht aussenden.
Deshalb fand ich es gut und richtig – und wir alle, die wir in Parteien tätig sind und wissen, was Parteitagsbeschlüsse bedeuten, wissen auch, wie entschieden und letztendlich wie mutig es war –, dass die CDU-Bundesvorsitzende gesagt hat, dieser Beschluss werde nicht umgesetzt. Das gehört auch zur Debatte. Ich bin ausdrücklich dankbar, dass Angela Merkel und Volker Bouffier offensichtlich die Einschätzung teilen, dass eine solche erneute Kampagne in unserem Land spalten würde, anstatt zu integrieren.
Wir GRÜNE haben nichts vergessen, was 1999 war, und es sollte sich bitte nie wiederholen. Wir haben auch nicht vergessen, was 2008 war: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ Ich habe sehr bewusst in meiner Rede zu „70 Jahre Hessen“ Bezug darauf genommen, dass 2008 nahegelegt werden sollte, dass Menschen mit dem Namen „Ypsilanti“ und „Al-Wazir“ einer Landesregierung nicht angehören könnten.
Ich habe in meiner Rede darauf hingewiesen, dass ich es gerade deshalb gut finde, dass heute Menschen mit dem Namen „Bouffier“ und „Al-Wazir“ in dieser Landesregierung sitzen – deshalb habe ich darauf hingewiesen.
Es ist der beharrliche Kampf, dass gesellschaftliche Wirklichkeit und das, was eine Partei richtig findet – nämlich meine Partei –, umgesetzt wird, allen Widrigkeiten und allen Schwierigkeiten zum Trotz, und dass man weiß, was man noch nicht erreicht hat, aber dass man auch stolz auf das ist, was man erreicht hat, Herr Kollege Schmitt.
Wir wissen, was wir erreicht haben, und wir wissen, was wir vor uns haben. Wenn wir uns anschauen, dass 1999 in diesem Land ein Wahlkampf zum Thema Doppelpass geführt wurde – nicht von uns, sondern von anderen, wir waren für die Doppelstaatigkeit – und wir heute eine Landesregierung haben, die eines der ambitioniertesten Programme zur Flüchtlingsintegration aufgestellt hat, das es in der Bundesrepublik gibt, dann wissen wir, was wir erreicht ha
ben, und dann wissen wir, wie lohnend es ist, sich für seine Ziele einzusetzen. Dann kann man vielleicht auch einmal zugestehen, dass sich Meinungen in diesem Land geändert haben, auch bei politischen Mitbewerbern.
Und wenn sich die Meinung nicht geändert hat – man kann in die Leute ja nicht hineinschauen –, dann kann man zumindest zugestehen, dass wir jetzt andere Vereinbarungen mit unserem Koalitionspartner treffen und uns jetzt ziemlich vorbildlich um die Integration in diesem Land kümmern. Wir, das sind die CDU und die GRÜNEN – mit der Unterstützung durch andere Fraktionen im Hessischen Landtag.
Wir haben nichts vergessen. Die Wunden bleiben. Sie sind nicht nur bei den Fraktionen geschlagen worden; sie sind 1999 auch bei der Integration in unserem Land geschlagen worden. Aber das bestärkt uns, das lässt uns nicht müde werden, gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern für Integration zu kämpfen, damit endlich gilt: „Hier geboren, hier zu Hause“ – ohne Wenn und Aber.
Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen, ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aktuelle Stunde zu Tagesordnungspunkt 33 abgehalten.
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend keine Wiedereinführung der Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht – Drucks.
Ich habe gefragt: Hatten alle Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben, die dies tun wollen? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahl, und wir zählen aus.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben die schwierige Aufgabe erfüllt: 101 Kollegen haben abgestimmt. Alle haben mit Ja gestimmt. Damit ist der Antrag angenommen.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Mehr Lehrkräfte für die hessischen Grundschulen und gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte) – Drucks. 19/4302 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass es Probleme an unseren Grundschulen gibt, ist sicher nichts Neues und leider nach wie vor aktuell.
Allein in den letzten zwei Wochen ist es zu mehreren Protestaktionen gekommen. Zweimal hat die GEW auf die Unterbezahlung der Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen aufmerksam gemacht und deren Gleichstellung mit Lehrkräften anderer Schulformen gefordert.
Aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg haben Sie, Herr Kultusminister, Anfang des Monats einen Brief erhalten, den 65 Grundschulleitungen unterzeichnet haben. Darin werden Sie auf die Überlastung der Lehrerinnen und Lehrer aufmerksam gemacht. Unter anderem wird die Inklusion erwähnt, die in Hessen bestenfalls stagniert, an den Grundschulen durch die Heraufsetzung der Klassengrößen jedoch eine deutliche Verschlechterung erfährt.
Aus Frankfurt meldeten sich letzte Woche Eltern und Lehrkräfte, die den Lehrermangel an ihren Grundschulen beklagten. Nicht nur, dass die erlaubte Klassengröße von 25 Kindern in den Grundschulen teilweise überschritten wird, es können auch viele Förderangebote nicht mehr stattfinden, da es schlicht an Personal fehlt.
Bei all Ihrem Selbstlob scheinen Sie den Blick auf die tatsächlichen Zustände an Hessens Schulen verloren zu haben. Es reicht nicht aus, nur hier und da Löcher zu stopfen; denn besonders im Bereich Bildung führt ein kurzsichtiger Blick zu Rückschritten.
Es fehlt in Hessen an Grundschullehrerinnen und -lehrern. Diese können auch Sie, Herr Kultusminister, nicht aus dem Ärmel schütteln. Das ist mir klar.
Aber Sie können sich wenigstens fragen, woran es liegt, dass sich nicht genügend Menschen für diesen wichtigen und ehemals auch gut angesehenen Beruf interessieren. Wenn Sie das tun, kommen Sie dem Problem nämlich schnell auf die Schliche: Es ist hausgemacht. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn sich jemand gegen die Grundschule und beispielsweise für das Gymnasium entscheidet, wenn beide Studiengänge etwa gleich lang sind, die Anstellung am Gymnasium aber wesentlich besser vergütet wird als die Anstellung an einer Grundschule.
Warum ist das so? Damit drücken Sie doch aus, dass die Arbeit der Grundschullehrkräfte weniger wert ist.