Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Es ist nach wie vor nicht nachweisbar, dass der gleiche Träger, der in Hessen eine Beratungsstelle anbietet, erklärt, dass er mit den Mitteln nicht zurechtkommt, während er in Rheinland-Pfalz mit deutlich geringeren Mitteln diese Klage nicht führt. Das ist für mich schlicht und einfach nicht nachvollziehbar. Es handelt sich um den Caritasverband für die Diözese Mainz, der zu zwei Dritteln in Hessen und zu einem Drittel in Rheinland-Pfalz tätig ist. Er betreibt in beiden Ländern Beratungsstellen. In Hessen kommt er mit den Zuschüssen nicht aus, während in Rheinland-Pfalz keine Klage geübt wird, obwohl die Mittel deutlich niedriger sind. Solange mir dies nicht erklärt wird, kann ich nur sagen: Ich verstehe es schlicht und einfach nicht.

Wenn jetzt gerade von Frau Schott erklärt worden ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Blick auf Alterssicherung und Einkommen eine Benachteiligung haben, erwidere ich sehr deutlich: Wir sind das einzige Land, in dem die Berechnung der Personalkosten immer am oberen Ende einer Entgelttabelle – und dies in einem Mix unter Berücksichtigung von Juristen bis zu Sachbearbeiterinnen – stattfindet. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass eine 100-%-Vergütung nicht angemessen, sondern eine 80-%-Vergütung der richtige Weg ist.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Sowohl was die Ausstattung als auch was die Rahmenbedingungen angeht, unter denen die Schwangerschaftskon

fliktberatungen ihre Arbeit, die ausgesprochen verantwortungsvoll ist, wahrnehmen, sind wir auf einem guten Weg. Insofern bitte ich auch in dritter Lesung um Zustimmung zu diesem Gesetz.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit lasse ich über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung in der vorliegenden Fassung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltung? – Ich stelle fest, dass das Gesetz mit den Stimmen von CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen wurde und damit zum Gesetz erhoben wird.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen – Drucks. 19/ 4316 zu Drucks. 19/4137 zu Drucks. 19/3743 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Tipi. Er hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD, der LINKEN und der FDP, den Gesetzentwurf in dritter Lesung unverändert anzunehmen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Bartelt für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen stärkt die Rechte und die Würde der pflegebedürftigen Menschen in Hessen. Es stärkt darüber hinaus die Qualität der Pflege im ambulanten und im stationären Bereich. Es stärkt weiterhin die Rechtssicherheit der Pflegekräfte.

In der Anhörung wurde das Gesetz in seinen Grundzügen befürwortet, insbesondere von der kommunalen Familie, was uns sehr wichtig ist, und von den an der Pflege Beteiligten.

Einzig und allein die Stellung der ambulant betreuten Wohngemeinschaften wurde vertieft diskutiert, sodass ich hierzu auch einige kurze Ausführungen machen möchte. Drei Feststellungen:

Der freie Zusammenschluss pflegebedürftiger Menschen in Wohngemeinschaften wird von uns begrüßt und durch das Gesetz gefördert. Bei trägerorganisierten ambulant betreuten Wohngemeinschaften sind Ausnahmen in Einzelfällen möglich, etwa bei Bauvorschriften oder bei der Versorgung, z. B. nächtliche Notfalleinrichtungen.

Was wir aber nicht wollen, ist eine Standardisierung zweiter Klasse für ambulant betreute Wohngemeinschaften. Insbesondere würde das die Menschen betreffen, die in diesen ambulant betreuten Wohngemeinschaften über mehrere Jahre einen erhöhten Pflegebedarf entwickeln und im Laufe des Aufenthalts in den Wohngemeinschaften einen erhöhten Pflegebedarf benötigen.

Das Schutzniveau darf nicht durch die Hintertür abgestuft werden. Deswegen sind wir der Meinung, dass wir dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen sollten. Wir sehen eine deutliche Verbesserung und Weiterentwicklung zugunsten der Menschen, die der Pflege bedürfen. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein bisschen mehr Ruhe bitte, nur ein bisschen. – Das Wort hat Herr Kollege Rock für die Fraktion der FDP. Bitte schön.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Es ist die dritte Lesung. Die Ausschussberatung hat keinerlei neue Sachverhalte ergeben.

(Minister Stefan Grüttner: Doch!)

Die Ausschussberatung hat keine neuen Diskussionen und damit keine neuen Sachverhalte ergeben. Darum wird sich das Abstimmungsverhalten, das ich für die zweite Lesung angekündigt hatte, nicht verändern. Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Clemens Reif (CDU): Das ist aber schade!)

Vielen Dank, Herr Rock. – Das Wort hat Frau Dr. Sommer. Bitte schön.

(Minister Stefan Grüttner: Frau Dr. Sommer hat jetzt neue Erkenntnisse!)

Herr Präsident, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Es war abzusehen, Sie haben unserem Änderungsantrag nicht zugestimmt. Das ist schade. Sie gehen unseren Weg nicht mit bei dem Angehörigen- und Betreuerbeirat, bei den gesetzlichen Personalstandards, die Qualität sichern, Patientensterblichkeit verringern und Personalüberforderung verhindern würden, und auch bei den trägerorganisierten ambulant betreuten Wohnformen. Auf die Frage im Ausschuss, warum jetzt schon die Möglichkeit vorhanden ist, Ausnahmen zu genehmigen, haben Sie Ihre Argumen

tationskette auf Qualität fokussiert. Das macht Ihre Aussage nicht schlüssig.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen doch damit nicht sagen, dass es Einrichtungen gibt, die nicht unseren qualitativen Standards entsprechen. Meine Damen und Herren, die Qualität zu sichern, ist oberstes Gebot.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang möchte ich deutlich machen, dass ein multiprofessionelles Versorgungsspektrum, und das nicht nur in WGs, sondern allgemein in der gesundheitlichen Versorgung, immer wichtiger wird. Auch der MDS fordert für neue Wohnformen die Novellierung und praxisnahe Prüfung von Qualitätsstandards, vor der Sie sich verschließen, meine Damen und Herren.

Herr Grüttner, Sie haben vorgestern gesagt, dass im Laufe eines Aufenthalts in einer solchen Wohnform der gesundheitliche Zustand schlechter werden kann. Klar, je älter man wird, desto höher ist die Gefahr, dass die Pflegebedürftigkeit steigt. Dafür haben wir Pflegestufen, bald die Pflegegrade, die die Leistungserbringung abbilden, die durch die Qualitätsstandards gesichert wird.

Wir sind uns sicherlich einig, dass der Grad der Abhängigkeit ausschlaggebend für das Schutzbedürfnis der Menschen ist. Sicherlich gibt es auch Grenzen. Nicht mit jeder Erkrankung ist das Leben in einer Wohngruppe die beste Wohnform. Unbestritten ist aber aufgrund der ersten wissenschaftlichen Studien, z. B. von Blom, Görres, WolfOstermann, dass kleinräumige Strukturen die Lebensqualität gerade erhöhen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal erwähnen, dass Sie es schließlich sind, die sich vor einem Qualitätssiegel betreutes Wohnen verschließen. Da hätte man das mit einbringen können. Frau Alex und ich haben in der Drucks. 19/3375 darauf fokussiert: In NRW ist das gelebte Praxis. Da sieht man die Qualitätssicherung ganz deutlich und ganz transparent.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Grüttner, Sie haben vorgestern auch angeführt, dass Berlin und Hamburg gleiche Regelungen bezüglich der WGs haben. Ich habe mir das noch einmal angeschaut. Ich habe mir auch die Zahlen der diesbezüglich in Auftrag gegebenen Studie an der Hochschule in Berlin angeschaut. Dort können Sie auf Seite 195 nachlesen, dass der Schwerpunkt in der Versorgung tatsächlich in Berlin ist. Das ist korrekt. Danach kommen NRW, Bayern und Brandenburg. Schlusslichter sind die Bundesländer Bremen und Hessen. Warum sind in den anderen Bundesländern mehr zu finden? – Weil man dort eine Anschubfinanzierung und eine Investitionskostenförderung ermöglicht.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Vielleicht wäre das ja auch etwas in Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Klaff-Isselmann ist leider gerade nicht da. Sie nannte das Gesetz in der zweiten Lesung alternativlos. Wie gerade aufgezeigt, ist es alles andere als alternativlos. Insgesamt wird das Gesetz den heutigen Anforderungen nicht gerecht. Hier wäre eine komplette Novelle des Gesetzes bzw.

ein komplett neues Gesetz erforderlich. Deswegen dürfen Sie sich im nächsten Jahr darauf freuen, dass wir einen Gesetzesentwurf einbringen, um nicht nur zu modifizieren, sondern um grundlegende Änderungen anzugehen.

Denn wir streben ein Gesetz an, das sich an den neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, an den Versorgungsrealitäten – hier meine ich besonders die von uns angemahnte und auch in den Stellungnahmen eingeforderte Differenzierung von Angeboten – und schließlich auch an einer menschenwürdigen Pflege – das beinhaltet sowohl das Wohl des Patienten als auch die Arbeitsbedingungen und Ressourcen von und für Pflegekräfte – orientiert.

(Beifall bei der SPD)

Das dient der Versorgung, dem Schutz des Patienten, dem Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege vor Überforderung, und schließlich dient es der Qualitätssicherung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben dieses Thema nun schon zum dritten Mal aufgerufen. Die Argumente sind auch schon in aller Tiefe ausgetauscht worden. Wir glauben, dass es eine gute Fortschreibung des Gesetzes ist. Es gibt in einigen Punkten deutliche Verbesserungen. Nur eine sei noch einmal wiederholt: Die Gewaltprävention in Einrichtungen wird verbessert. Auch andere Dinge, die ich schon in meiner Rede vor zwei Tagen genannt habe, haben sich nicht zum Schlechteren geändert. Auch sie sind verbessert worden.